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Fakten zur Aufführung 

DOCTOR ATOMIC
(John Adams)
1. Juli 2007 (Derniere)
(Premiere: 10.6.07)

De Nederlandse Opera
(Het Muziektheater Amsterdam)

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Dokumentar-Oper

Heinar Kipphardts Dokumentar-Spiel „In Sachen Oppenheimer“, Marguerite Duras’ Film „Hiroshima mon amour“, US-amerikanische Musical-Konventionen, Anleihen bei Michael Moores „Bowling for Clementine“ und ganz viel political correctness bestimmen das Libretto des Doctor Atomic von Peter Sellars. Und seine eigene Regie reproduziert bekannte Konstellationen – aufmarschierendes „Volk“, intime Szenen, stilisiertes konkretes Handeln. Das alles ergibt mit einer Mischung von dokumentarischen Texten und poetischen Einsprengseln eine Mischung aus didaktischer Bemühung und Musical-Entertainment.

Adrianne Lobels Bühne mit großer Spielfläche, herabschwenkenden Holzgittern, optisch-spektakulären Horizonten und thematisch-fokussierenden Elementen entspricht diesem Konzept: So wie die handelnden Personen nach vorgefertigten Klischees agieren, so erinnert die statische Bühne an Ereignisse vergangener Zeiten.

Existentielle Betroffenheit vermitteln diese Konstellationen nie, von einer Offenbarung des Mysteriums kollektiver Schuld ganz zu schweigen. Da vermittelte Marc Neikrugs „Los Alamos“ 1988 in Berlin in der Regie John Dews und im imaginierenden Bühnenbild von Gottfried Pilz erheblich mehr „Seele“ – zumal das miniaturisierte Bild der Bombe nur wie ein schwacher Reflex auf Pilz’ überwältigende Bildwelt wirkt.

John Adams allerdings hat eine Musik komponiert, die eine vibrierende Aufgewühltheit permanent spürbar werden lässt, die mit instrumentalen Details, virtuosen Crescendi und Passagen beklemmender Klänge das Bühnengeschehen zur szenische Ergänzung werden lässt. Das Nederlands Philharmonisch Orkest lässt unter dem agilen Lawrence Renes diese lastende Atmosphäre mit ihrer Verzweiflung an den Zuständen der Welt mit konzentriertem Ernst hörbar werden – da verlieren auch eingängige Musical-Anklänge ihre Trivialität.

Den Sänger-Darstellern bleiben wenig Möglichkeiten zu differenziertem Spiel; sie nutzen aber die musikalischen Vorgaben zur beklemmenden Artikulation von Selbstgerechtigkeit, Zweifel, Verführung, Täuschung und Verzweiflung. Gerald Finleys Oppenheimer kontrastiert mit virtuoser Stimm-Beherrschung zu Eric Owens’ kaltem General Groves und dem wissenschafts-fixierten Teller Richard Paul Finks. Jessica Rivera gibt der besorgt-moralisierend-liebenden Kitty Oppenheimer viel Schmelz und – zu den weiteren Solisten – verleiht der kompetent-agierende Koor van de Nederlandse Opera (Leitung Martin Wright) intensivste Klang-Kultur.

Das vollbesetzte Muziektheater in Amsterdam akzeptiert die nachdenkenswerte Botschaft des Stücks, das 2005 als Koproduktion der Opern in San Francisco und Chicago entstand, die Bewunderung für die brillante Musik herrscht vor, und die Solisten werden heftig gefeiert. (frs)