|
Bestien
In Zeiten von Guantanamo und Al Ghureib, von Wolfowitz, Rumsfeld und Ms.
England gewinnt Kafkas Folterdrama "Strafkolonie" höchste Aktualität.
Für das tatkräftige Theater Altenburg-Gera hat Johan Maria Rotman mit
dem Librettisten Gerard Harleman eine eindringliche Oper geschaffen. Nach
vier Aufführungen in Gera hat das Werk Premiere in Altenburg. Johann Kresnik
führt Regie und bringt extrem dichte Bilder auf die Bühne, mit Aktionen
in Parkett und Rang, mit allen Schrecknissen des Theaters der Grausamkeiten,
mit Plastiksäcken, Video-Einblendungen und Pyro-Effekten.
Das Netz von vorgegebenen Folter-Ideen (der Kommandant), fanatischer Erfüllung
(der Offizier), begierlichem Voyeurismus (der Reisende), Fortsetzung durch
die Gequälten selbst (der Verurteilte) führt zur "Sechsten Stunde", zur
absoluten Katastrophe, die eingeführte "Fremde" ist Benjamins "Engel der
Geschichte", der nur Trümmer hinterlässt. Das wird gestisch und szenisch
zu bedrängender Realität: "Das Leben ist kein Traum."
Constanze Kümmel und Lucia Schautz stellen den verkachelten Corpus der
Tötungsmaschine in brutale Wände hermetischer Orte der Brutalität, die
am Schluss krachend eingerissen werden. Das Licht fördert Spannung und
lässt Unausweichliches assoziieren (Jo Schramm), die projizierten Video-Bilder
stimulieren das Mit-Leiden im Publikum (doch bricht die Kran-Bergbau-Sequenz
mit dem Prinzip der anonym-allgegenwärtigen Zivilisations-Bedrohung).
Johan Maria Rotman dirigiert selbst, hat mit dem hochkonzentrierten Philharmonischen
Orchester des Theaters Altenburg-Gera kompetente Partner, demonstriert
die emotionale Wirkung seiner Musik: Cluster bauen sich auf, öffnen sich
zu ergreifenden Instrumenten-Soli, lassen melodische Passagen zu und geben
den Solisten transparente Orchester-Unterstützung.
Monique Krüs, blond im schwarzen Lackleder, verleiht dem bestialischen
Offizier perverse Statur und metallische Stimme. Teruhiko Komori spielt
einen zynischen reichweiten-abhängigen Reporter, intoniert selbstbewusst
mit voller Beherrschung der stimmlichen Herausforderungen. Mit Christisane
Mikoleit ist ein Kommandant mit schwärmerischer Vernichtungs-Sehnsucht
zu hören, Bernhard Hänsch übersetzt die Qualen des Verurteilten in die
irrlichternden Töne der pointillistischen Vorgaben, Gerlinde Illich gelingt
es, der phantasmagorischen Figur des "Fremden" fast innige Töne abzugewinnen.
Doch: die Textverständlichkeit ist nicht optimal (von Komori abgesehen)
- Übertitel sind anzuraten!
Im gut besuchten Altenburger Theater sind die Jüngeren in der Mehrzahl:
aufmerksames Zuhören, die entscheidende Verzögerung vor dem langanhaltenden
Applaus. Altenburgs Theater begeht neue Wege, öffnet sich dem zeitgenössischen
Musiktheater - und findet Zustimmung bei einer neuen Generation! (frs)
Karten unter (03447) 58 51 61 |
|