Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

MOSKAU, MOSKAU
"Moskau, Tscherjomuschki"
(Dimitri Schostakowitsch)
17. September 2006 (Premiere)

Theater Altenburg-Gera
(Theater & Philharmonie Thüringen)

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


Termine/Tickets

(03447) 58 51 61

 

zurück       Leserbrief

Berichtigung

zur Premiere von „Moskau, Moskau“ (Schostakowitsch) am 17. September 2006 in Altenburg:

In der ursprünglichen Fassung (vorletzter Absatz) der Kritik hieß es:
„Serge Novique bleibt als Boris ungemein farblos."

Dies ist unwahr. Herr Novique hat die Premiere wegen einer Verletzung nicht singen können. Dies war auch im Programmheft vermerkt. Tatsächlich gesungen hat Herr Hardy Lang. Wir bitten, diesen Fehler und die daraus entstandenen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Lesen Sie unten nun die bereits korrigierte Version.

Der Herausgeber

----------------------------------------------------------

Satire – oder was?

Tscherjomowski („Kirschgarten“) ist der Moskauer Stadtteil, in dem in der Chruschtschow-Ära die ersten Plattenbauten der Nach-Stalin-Zeit errichtet wurden. Schostakowitsch ließ sich zu einer Komposition für das Moskauer Operettentheater 1957 überreden, war aber wohl erst mit der Musik zur Film-Version einverstanden. Eine Operette liegt vor, changierend zwischen leicht satirischer Systemkritik und gläubigem sozialistischem Realismus.

Dies Dilemma beherrscht Steffen Pionteks Inszenierung: Da wird das soziale Problem der Menschen ernstgenommen, ebenso wie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft – inklusive der Selbstregulierungskräfte eines bürokratischen Systems. Der schmale Grat zwischen rückwärtsgewandter Besserwisserei und zeitbezogener Polit-Ästhetik wird zum Problem der Inszenierung: sie findet nicht den nachvollziehbaren Weg zur „Aufführung mit den Mitteln der Unterhaltung“ (Brecht). Sie verliert sich im schlicht gestrickten Operettösen ostalgischer Provenienz. Dass zum Beispiel das „große“ Liebespaar an Doris Day und Rock Hudson erinnert, bleibt als Erkenntnis über die frappierende Ähnlichkeit der Menschenbilder im amerikanischen Medien-Kapitalismus und den sowjetischen Vorstellungen von Emanzipation thematisch außen vor. Vielmehr wird permanent erinnert an die Alltagssituationen im Sozialismus mit ihren leidigen Hemmnissen und der Überwindung durch solidarisches Handeln der Basis (die dann utopisch obsiegt und die Schurken degradiert).

Mike Hahne baut eine realistisch-verfremdete Bühne, die hinreichend Akzente setzt, um Erinnerungen an vergangene Zeiten zu wecken, ohne sie aber zu desavouieren: Platten gab (und gibt es) auch in Altenburg.

Schostakowitschs Musik ist nervend operettös, zitiert russische Volksmusik, verweist auf Weills Verfremdungen (die stammen allerdings aus den 20er Jahren) und variiert eine schlichte Melodie auf „Tscher-jo-muschki“ bis zum Gehtnichtmehr – gelangt allerdings in den Zwischenspielen in Instrumentierung, Arrangement und Rhythmik zu sinfonischer Qualität. Das vermittelt kompetent sowohl die populär-affimierten Melodien als auch die aggressiv-konterkarierenden Akzente; ein Orchester mit hohem musikalischem Vermögen.

Für das Ensemble ergibt sich nach der Regie- und Stückkonzeption wenig Möglichkeit zu darstellerischer und gesanglicher Brillanz. Gespielt wird im herzigen Stil des Volkstheaters, Franziska Rauch gibt der Libotschka sanften Sopran, Hardy Lang bleibt als Boris ungemein farblos; Franziska Faust ist als bezopfte Mascha eine nervende Soubrette; allein Bernhard Hänsch überzeugt mit kräftigem Sound als Hauswart Barabaschkin.

Das Publikum im wunderschönen Altenburger Theater fühlt sich phasenweise korrekt erinnert, einige im durchaus lustvoll folgendem Auditorium kommentieren freudig erregt, provozieren einen langanhaltend selbstbestätigenden Applaus. (frs)


Fotos: © Hans-Peter Habel