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Fakten zur Aufführung 

UN BALLO IN MASCHERA
(Giuseppe Verdi)
6. Februar 2010
(Premiere: 23. Januar 2010, Enschede)

Schouwburg Almere
Nationale Reisopera NL


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Traumata

Traumatisiert sind sie alle: die quasi uniformierte Gesellschaft, der König, sein Freund, die hin und her gerissene Amelia, die ausgewiesenen Feinde. Sie bewegen sich zwischen vergitterten Glaswänden, irren durch aufgehäuften „schwarzen Schnee“, werden beobachtet und gesteuert durch eine allgegenwärtige Ulrica – die unheilvolle Symbolfigur permanenter Bedrohung - und einem harlekinesken Oscar als Symptom des unbegriffenen Lust-Erlebens.

Monique Wagemakers demonstriert ihr Gespür für lastende gesellschaftliche Ignoranz gegenüber ignorierten Bedrohungen, verzichtet auf reale Verweise, inszeniert ein beklemmendes Spiel scheinbar losgelöster Unbefangenheit, decouvriert individuelle Probleme als Funktionen gesellschaftlicher Tendenzen. Eine beklemmende Inszenierungsidee, umgesetzt in faszinierendes Bühnenhandeln!

Dirk Becker entwirft scheinbar durchsichtige statische Glaswände, vermittelt eine Atmosphäre permanenter Bedrohung mittels kommunikativ eindrucksvoll-veränderbarer schwarzer Sandhaufen, verzichtet auf naturalistische Umsetzungen der Szenen, schafft imaginative Räume voll assoziativer Wirk-Kraft. Das korrespondiert mit den in verräterischem Weiß gehaltenen Kostümen von Rien Bekkers und dem frappierend-virtuosen Licht von Susanne Reinhardt!

Die Holland Symfonia beeindruckt durch intensiv interpretierendes Spiel; Antony Hermus leitet das konzentriert folgende Orchester zu einem bewundernswert inspirierten Zusammenspiel der Instrumentengruppen – es geht nicht um effektheischende Dynamik, sondern um den ästhimierenden Klang: und der vermittelt selten so gehörte immanente Dramatik in impulsiver Intensität bei höchster instrumentaler Disziplin!

Die Nationale Reisopera präsentiert ein Sänger-Ensemble der Spitzenklasse: Peter Auty ist als Riccardo ein Tenor mit allen Vorzügen strömender Mittellage, absolut sicheren Höhen und flexiblem Ausdruck – eine Stimme voller leidenschaftlicher Kraft und hinreißender Emotionalität! Roland Wood gibt dem Renato einen ungemein eindrucksvollen Bariton: souverän in der variablen Phrasierung, ungemein durchsetzungsfähig in den geforderten Spitzen und zuverlässig in allen Lagen. Kelly God beeindruckt als leidend-ambivalente Amelia: stimmlich variabel, mit enormem Volumen, ohne Schärfen in den geforderten Höhen, von hinreißendem emotionalen Ausdruck! Federica Prolettis überzeugt nicht nur durch eindrucksvolle szenische Darstellung, lässt einen Mezzo der Extraklasse hören – differenziert im Ausdruck, klangschön in allen wunderbar beherrschten Registern. Rebecca von Lipinskis Oscar brilliert mit variantenreich-melodiöser Stimmgebung: absolut sicher in den Koloraturen, interpretationsstark in den diffizilen Nuancen. Nicht zu vergessen: Pieter Hendriks und Stephen Richardson als „siamesische Zwillinge“ Silvano und Samuel sowie Huub Claessens als Tom, Hein Meens als Richter und Erik Slik als Amelias Diener. Der Koor van de Nationale Reisoper agiert ungemein spielfreudig, wird zum wichtigen Element der intensiven szenischen Handlung, singt mit perfekter Präzision, äußerst klangrein – in sensibler Abstimmung mit Orchester und Solisten.

Almere – fast 200 000 Einwohner – ist die jüngste Stadt in den Niederlanden, kulturell orientiert mit einer Schouwburg von 2007 aus Glas und Stahl, wie über den Wassern schwebend. Im Innern ein rechteckiges Konzerthaus mit drei Rängen, verkleidet mit Edelstahl-Lamellen, konturiert durch LED-Lichtleisten: ein streng konzentrierter Raum mit einer nahezu klinisch perfekten Akustik.

Die 1000 Zuschauer folgen dem stimulierenden Geschehen gebannt, sind von Musik und Gesang hingerissen: die in Holland üblichen standing ovations schon vor dem ersten Vorhang.

Almere – 25 Kilometer vor Amsterdam – wird sicherlich zum regelmäßigen Spielort der Nationalen Reisopera!

Franz R. Stuke

 





 Fotos: © Hermann en Clärchen Baus