|
Gegenlicht
Eine bühnenfüllende Lichtwand mit ca. 4000 in ihrer Leuchtkraft variablen
Glühbirnen beherrscht das Geschehen, bietet Gelegenheit zur Schattenriss-Performance,
lässt aber um die Augenkraft der Zuschauer fürchten (und: die Übertitel
an den Proszeniumswänden sind meistens überstrahlt!).
Barbara Beyer inszeniert im couchbesetzten Vorraum der Lichtwand (Lothar
Baumgarte) ein Spiel der Irrungen und Wirrungen, versucht - auch mit Hilfe
der charakterisierenden Kostüme von Barbara Aigner - zum einen die komplizierte
Verwechselungsgeschichte nachvollziehbar zu machen, aktualisierende Akzente
zu setzen, mutet dabei den Akteuren hüpfend-tänzerische Extravaganzen
zu.
Unter Jeremy Hulin spielt das Sinfonieorchester Aachen einen gefälligen
Händel, hat Verständnis für wechselnde tempi und kooperiert sensibel mit
den Solisten.
Das Aachener Ensemble hat mit Sibylle Fischer einen herb-intensiven Xerxes
von hoher Ausdruckskraft; Kristina Totzek ist eine emotionale Romilda,
Judith Berning eine lebhaft-körperbetonte Amastris und Gundula Peyerl
eine resigniert-melancholische Atalanta. Die männlichen Rollen forcieren
die Körperlichkeit, die Besetzungen sind an den Möglichkeiten des Aachener
Theaters orientiert (wie schon zu Händels Zeiten): Hans Lydmans Bariton
hat als Arsamene Gelegenheit, seine kräftige Grundlage zu demonstrieren,
Jaroslaw Sielicki gibt einen exaltierten Elviro und Claudius Muth einen
blassen Ariodate.
Im Aachener Theater sitzt ein ungemein nettes Publikum, akzeptiert das
ungewöhnliche Bühnengeschehen auch mit Barbara Beyers offenbar unvermeidlicher
Putzkolonne, fühlt sich aber kommunikativ wie im Kaffeehaus: permanentes
Tuscheln stört die gespannte Rezeption der übrigen Besucher. Doch Publikumszuspruch,
beachtenswertes Musizieren und Singen sowie angenommene inszenatorische
Provokation ("mutig und Klasse!") zeigen die Akzeptanz des Theaters Aachen
- und sind eine undramatische Demonstration gegen die existenzbedrohenden
finanziellen Kürzungsabsichten der Aachener Stadtpolitik. (frs)
|
|