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SÜFFIGER KLANG
"Ausgrabungen" haben den unbestrittenen
Vorteil, unvoreingenommen erlebt zu werden. So auch Aachens Produktion
von "Tiefland" - d'Alberts "Toten Augen", ein reichlich symboldurchtränktes
Drama von 1916. Das Auge, der Spiegel, der Brunnen, der Hirt symbolisieren
archaische Kategorien - vertreten in der blinden Myrtocle, die durch Jesu
Wunder geheilt, erlebt wie ihr Mann den Nebenbuhler erwürgt und sich dann
wieder selbst blendet.
Diese abgehobene Story inszeniert Michael Helle sehr distanziert, reduziert
auf den bewegenden Topos der unbegreiflichen Liebe im kargen Bühnenbild
Hartmut Schörhofers mit Verweisen auf die naive Ästhetik Poussins und
die unbegriffenen Abläufe von Kommunikation in zwangloser Konsequenz.
Dabei beeindruckt Derrick Lawrence als Gatte Arcesins mit einem variationsreichen
Bariton und fasziniert Sabine Turner neben einer ungemein einfühlsamen
Darstellung mit ihrem dunkel gefärbten Sopran - in den Mittellagen bezwingend.
Elio Boncompagni entlockt dem Sinfonieorchester Aachen die eklektischen
Klänge der d'Albert-Komposition in ihren Anleihen an Wagner, Meyerbeer,
italienischem Verismo, französischem Impressionismus und Richard Strauss
- situationsangemessen interpretierend und die süffigen Klänge optimal
auskostend.
Das Publikum im intimen Aachener Haus weiß offenbar, was es als aktualisiertes
Opern-Museum erwartet und reagiert äußerst zustimmend. Ein angenehmer
Abend, zumal mit dem "Ton von Unheil" (Adorno) ein wesentliches Kriterium
des Opernerlebens getroffen wird! (frs)
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