Begehren
Der rote Schleier steht von Beginn an im Zentrum der dramatischen Entwicklung: der Schleier als Symbol des Begehrens in existenzieller Radikalität. Dieter Hackers Bühne insinuiert mit einem Wandel-Mond, einem liegenden Kreuz als abgegrenzten Raum des Jochanaan und einem mit Blumen besetzten Boden, der am Schluss vom schwarzen Leichentuch überzogen wird, korrespondierende Lebenswelten.
Reinhild Hoffmann inszeniert ein irritierendes Spiel divergierenden erotischen Begehrens, zeichnet ambivalente Charaktere, lässt sich in der Personenführung zu exaltierten Posen hinreißen, charakterisiert die getriebenen Personen mit tänzerischen Gesten und distanzierenden Positionen - hoch artifiziell, ohne intensive Emotionalität.
Anne Lünenbürger gibt der Salome mädchenhaft-naive Begehrlichkeit, verleiht diesem Charakter eine transparent-helle Stimme, steigert sich in emphatische Dramatik mit durchsetzungsstarkem Sopran. Bastiaan Everinks Jochanaan wirkt stimmlich offensiv, vermittelt überdeckte Leidenschaften mit kerniger Intonationskraft. Hubert Delamboye ist ein aasiger Herodes mit differenzierter Tenor-Kultur, so wie Sanja Anastasia die exaltierte Herodias spitz-tönend interpretiert. Überzeugend der stimmlich souveräne Luis Kim als Narraboth. Das Aachener Ensemble beeindruckt mit typengerechtem kompetenten Gesang.
Sensationell geradezu die musikalische Umsetzung der so vielschichtigen Strauss-Musik mit ihren instrumentalen Überlagerungen, ihrer Expressivität und ihren intensiv-schwelgenden Passagen. Daniel Jakobi leitet ein vorzüglich motiviertes Sinfonieorchester Aachen, vermittelt Erotik pur - und interpretiert die Motive von Begehren und Verweigerung in höchster Perfektion.
Das auch jugendlich besetzte Publikum ist gebannt - spontaner heftiger Beifall wird zum Ausdruck der Zustimmung. (frs)
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