Tödlicher Wahn
Stimmen: innere, äußere; bedrängende, beruhigende: Leidend-verzweifent kann sich Jakob Lenz dem "Gewitter im Gehirn" nicht entziehen, verzehrt sich in Aggressivität und Selbstbezichtigungen. Wolfgang Rihms Musik (1977) transponiert die "inneren Geräusche", wirkt wie ein tönendes Caspar-David-Friedrich-Gemälde.
Die Bühne in der stadthallenähnlichen Stadsschouwburg Utrecht bleibt leer, rechts und links und hinten das zwölfköpfige Orchester auf Podien. Die bezwingend-intensiven Klänge werden von der Beethoven-Academie unter Leitung von Alejo Perez nachdrücklich mit den "Stimmen" verbunden.
Caroline Petrick inszeniert die inneren Vorgänge - einfühlsam, ohne überflüssiges Beiwerk, sehr konzentriert.
Hagen Matzeit gelingt ein ungemein intensives Psychogramm des gescheiterten genialen Jakob Lenz, setzt artifiziellen Sprechgesang und Kunst-Sprache um in eindringlichste Gefühlsäußerungen - bis zur letzten Verzweiflung. Marek Gasztecki gibt den Philantropen Oberlin einfühlsam-hilflos, Lorenzo Carola den Apotheker Kaufmann distanziert. Das Ensemble des Muziektheaters Transparant und des Centro de Experimentacion Teatro Colon Buenos Aires vollendet Büchners genialischen Text und Rihms avantgardistische Tonkompositionen als Eindruck irrationaler menschlicher Zwischenwelten!
In der Nicht-Opern-Stadt Utrecht - warum eigentlich bei diesem kulturellen Angebot? - erleben mal gerade 100 Besucher die höchst bemerkens- und nachdenkenswerte Aufführung - hochkonzentriert, mit viel Einfühlungsvermögen für ungewohnte Aktionen und Klänge, und dankbar für die gewonnenen Erkenntnisse. (frs)
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