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Operngesang: legendär
3Sat eröffnet im Nachtprogramm bisweilen sein Archiv filmischer Opern-Umsetzungen – und vermittelt Begegnungen mit dem Opern-Repertoire (aber wer will schon nachts um 3 Bekanntschaft mit einer bislang unbeachteten Kunstform machen?), erinnert vielmehr an Größen der Opernszene.
In diesem Fall Fidelio: Die leider vergessene Olivera Miljakovic als hingebungsvolle Marzelline mit glockenheller Stimme, der klar intonierende Donald Grobe als Jaquino und der spätere Deutsche-Oper-Liebling Barry MacDaniel als 1.Gefangener.
Gwyneth Jones fasziniert mit hinreißender weiblicher Leidenschaft als Leonore, singt emotional überwältigend mit einer Ausdruckskraft, die unübertroffen ist – gequält und triumphierend, eine Stimme, die jede Gefühlsnuance ausdrücken kann. James King als die Inkarnation des Florestan: nachdenklich-reflektierend, aufbegehrend, visionär-schauend mit schier unbegreiflicher Stimm-Macht, zu Tränen rührend, stumm werdend vor der Vollkommenheit sängerischer Perfektion. Gustav Neidlinger gibt einen Pizarro mit schneidiger Artikulation, scharf in den Ansätzen, voluminös im Klang, aggressiv in den traumhaft sicheren Höhen. Josef Greindl: ein Rocco mit bezwingender Emotionalität, als Vater, Schwiegervater, Herrscher-Diener, Mit-Leidender und schuldbewusster „Befreier“; eine grandiose Stimme ohne jeglichen Makel. Martti Talvela als Minister demonstriert brausendes Bass-Singen mit sonorem Timbre, in der Phrasierung von ergreifender Gefühlskraft. Dazu ein Chor mit wunderbarer Differenzierung der so ambivalenten Stimmungen.
Auch in der TV-Hör-Qualität wird schier unbegreiflich klar: Solches Singen ist beispiellos, ist nur vergleichbar mit den unvergänglichen Dichtungen Goethes oder den ewiggültigen Bild-Imaginationen eines Van Gogh.
Soweit per TV-Akustik hörbar, ist das wunderbare Orchester der Deutschen Oper Berlin der kongeniale Partner in Sachen musikalischer Umsetzung der Beethoven-Ideen. Karl Böhm dirigiert mit fantastischer Intensität, arbeitet die emotionalen Momente heraus, betont die grandiosen instrumentalen Effekte – und entwickelt einen suggestiv-differenzierten Klang, der totale Ergriffenheit erzeugt.
Gustav Rudolf Sellners Inszenierung setzt auf die ungemein intensive Aussagekraft der Darsteller, erzählt ansonsten eine äußerst platte Geschichte von Gefangenschaft und Gattenliebe – berücksichtigt aber auch das Schicksal der übrigen Gefangenen: Wie auch immer motiviert, jubeln Leonore und Florestan inmitten eines feiernden befreiten Volks.
3Sat verschweigt den Bühnenbildner der Deutschen Oper Berlin Anno 1970, benennt nicht den TV- bzw. Filmregisseur, verzichtet auf die Nennung des offensichtlich genialen Tonmeisters – und kündigt auf ihrer mühsam zu findenden Homepage-Information (in der Kurz-Fassung) den Fidelio als „Mozart-Oper“ an. So ernst nimmt der „Kultur-Kanal“ seine Aufgabe!
Franz R. Stuke
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