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Fakten zur Aufführung 

BROKEBACK MOUNTAIN
(Charles Wuorinen)
7. Dezember 2014
(Deutsche Erstaufführung)

Theater Aachen


Points of Honor                      

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Auf der Alm, da gibt's a Sünd'

Auch wenn die Glanzzeiten der sogenannten „Literaturoper“ vorbei sein dürften und die Suche nach neuen Formen des Musiktheaters heute auf größeres Interesse stößt, zeigt der Amerikaner Charles Wuorinen mit seinem Schwulen-Drama „Brokeback Mountain“, dass es sich durchaus noch auszahlen kann, brav und geradlinig am Text entlang zu komponieren. Das hat er mit der Uraufführung in Madrid im letzten Jahr bewiesen, für die die sich niemand Geringerer als Gérard Mortier eingesetzt hat. Und das zeigt auch die vorzügliche Deutsche Erstaufführung am Theater Aachen.

Den vor zehn Jahren erfolgreich verfilmten Stoff nach der gleichnamigen Erzählung von Annie Proulx verdichtete die Autorin persönlich zu einer so stringent einfachen Handlung, wie es sich deutsche Librettisten kaum wagen würden. Der Erfolg gibt ihr Recht. Entstanden ist ein schnörkelloses Libretto, das die Handlung ohne Umwege schlicht und pointiert zusammenfasst, sich dabei auf wenige Hauptfiguren konzentriert und dem Komponisten eine äußerst bühnentaugliche Vorlage bietet.

Die Handlung in knappen Umrissen: Jack Twist und Ennis del Mar heuern als Schafhirten auf dem abgelegenen und gottverlassenen Brokeback Mountain an und bauen eine intime Beziehung auf, die allerdings nur zeitweise und heimlich ausgelebt werden kann. Die Fassade gutbürgerlicher Familienverhältnisse bröckelt, die vorgeschobenen Ehen scheitern, Jack kommt bei einem angeblichen Unfall ums Leben und Ennis geht einer einsamen, ungewissen Zukunft entgegen.

Annie Proulx fügt alle Vorurteile, Einwände und Gefahren, denen homosexuelle Paare – nicht nur – in Provinznestern amerikanischer Südstaaten oft noch ausgesetzt sind, einfühlsam und klischeelos zu einer schlichten Liebesgeschichte ohne tuntige oder anrüchige Anstriche, aber auch ohne Vorwürfe oder appellierenden Pathos zusammen. Und die herbe Tonsprache Wuorinens verstärkt diese Haltung, auch wenn das Orchester arg kleinschrittig und ein wenig geschwätzig jeden Satz kommentieren muss. Den Schwerpunkt legt Wuorinen ohnehin auf die Singstimmen, die mit wachsender Zuneigung der beiden Männer immer kantabler, in ihren sich dramatisch zuspitzenden Ehekrisen immer schroffer geführt werden. Für romantische Verklärungen bleibt da kein Platz.

Auch Ludger Engels beschönigt in seiner asketisch-strengen Inszenierung nichts. Er konzentriert sich auf die Entwicklung der Figuren und der komplizierten Lebensverhältnisse. Der geheimnisumwitterte Berg, Ausgangspunkt und Zufluchtsort des Paares, wird lediglich durch Projektionen angedeutet. Geschickt, wie die Gipfel des Bergs am Ende das Bett in Jacks Zimmer wie ein kantiges Plumeau füllen. Das Zentrum bildet eine drehbare Hauskonstruktion, mit der mühelos zwischen den rasch wechselnden Spielorten rangiert werden kann, hauptsächlich zwischen den Wohnungen der beiden Familien und dem ebenso bedrohlichen wie anziehenden Gebirge.

Generalmusikdirektor Kazem Abdullah lässt es sich nicht nehmen, dieses Stück aus seiner amerikanischen Heimat selbst zu dirigieren und erledigt das mit gewohnter Umsicht. Zu ganz großer Form laufen die beiden Protagonisten auf, Mark Omvlee als eher agiler Jack mit seinem ebenso makellos wie eindringlich geführten Tenor und Christian Tschelebiew als eher introvertierter Ennis mit seinem auf gleicher Höhe agierenden Bariton. Ohne Fehl und Tadel das trotz des reduzierten Personals noch vielköpfige Ensemble. Ein Kompliment für die exzellente Ensemblepflege am Aachener Theater, das mit der freundlich aufgenommenen Premiere sein Repertoire wesentlich bereichert.

Pedro Obiera

Fotos: Will van Iersel