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Eine Horrorgroteske


 
 

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Ungereimtes hinter der Bühne

In der Wuppertaler Oper häufen sich die Ungereimtheiten: Der designierte Intendant kündigt dem Ensemble, neue Verträge gibt es nicht. Stattdessen stehen Dumping-Angebote für die Sängerinnen und Sänger auf dem Spielplan. Außerdem ein fetter Coup für den Co-Intendanten. Der OB findet die Welt in Ordnung und hat nur das Wohl der Oper und ihres Publikums im Blick.

Schaut man sich die lange Liste berühmter Wuppertaler an, fällt eines auf: Kaum einer ist in Wuppertal gestorben. Die Stadt scheint nicht zu den Punkten dieser Welt zu gehören, zu denen sich Dichter und Denker hingezogen fühlen. Dabei hat das „Zentrum des Bergischen Landes“ doch durchaus Attraktives zu bieten. Eine Schwebebahn, einen Zoo, ein Theater oder das, was davon übrig geblieben ist, das weltberühmte Tanztheater Pina Bausch und eine Oper beispielsweise. Ein kultureller Höhepunkt – zumindest bis vor einigen Monaten. Im Spätsommer des vergangenen Jahres verlängerte der Generalmusikdirektor und designierte Intendant, Toshiyuki Kamioka, die Verträge des künstlerischen Ensembles nicht. Ein bis dahin einzigartiger Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland. Damals schlugen die Wellen der Empörung in der Öffentlichkeit so hoch, dass Peter Jung, CDU, Oberbürgermeister und damit Aufsichtsratsvorsitzender der Wuppertaler Bühnen, zurückruderte. „Entgegen dem ersten anderslautenden Eindruck ist eine Abkehr vom Ensemblebetrieb vom neuen Opernintendanten nicht beabsichtigt gewesen“, wiederholt Jung seitdem gebetsmühlenartig. Und vergisst nie hinzuzufügen „Es ist jedoch das vornehme Recht jeder neuen Intendanz, ein Ensemble nach seinem künstlerischen Konzept zu formen“. Dieses Recht stellt niemand in Frage. Aber den Kern trifft die Aussage nicht. Ein Ensemble ist kein nach künstlerischen Bedürfnissen zusammengestellter Haufen Freiberufler, die nach einer Produktion wieder nach Hause gehen. Es ist ein gewachsener Mikrokosmos, in dem sich die Auszubildende ebenso findet wie der in Ehren ergraute Altsänger, der seit Jahrzehnten am Ruf eines Hauses mitgewirkt hat. Dazu äußert sich Jung nicht. „In den nächsten Wochen wird neben dem Programm und der Finanzberechnung die Zahl der festen künstlerischen Beschäftigten, aber auch solcher mit Teilspielzeitverträgen und produktionsbezogenen Gästen feststehen“, heißt es stattdessen reichlich schwammig. Bis heute sind die Verträge, so viel steht fest, nicht unterschrieben. Stattdessen, heißt es, sei Kamioka an Sängerinnen und Sänger herangetreten und habe ihnen ein Engagement zu einem Bruchteil ihres bisherigen Honorars angeboten.

Bleierne Stille – nur einer darf reden

Bleiernes Schweigen liegt über der Oper. Toshiyuki Kamioka möchte zu Fragen der Presse keine Stellung nehmen, lässt er schriftlich mitteilen. Für den künftigen Intendanten eines Opernhauses ist das kaum die kommunikative Haltung, die zum Erfolg des Hauses beiträgt. Ein Sänger bricht das Gespräch ab, weil er sich nicht „in einer Verleumdungsklage wiederfinden“ möchte. Von anderer Seite ist zu hören, dass es Zahlungsunregelmäßigkeiten gebe. Da sollen seit anderthalb Jahren keine Sozialversicherungsbeiträge mehr gezahlt worden sein. Auch hier ansonsten Schweigen. Peter Jung bittet darum, man möge die Arbeit von Kamioka auf Grundlage seines Spielplans, der am 14. März vorgestellt wird, und seiner Aufführungen beurteilen „und nicht bereits vorher!“ Also erst Fakten schaffen, über die man dann nicht mehr zu reden braucht? Kulturpolitischer Diskurs geht anders. Ein merkwürdiges Verständnis von Politik zeigt auch Klaus Jürgen Freese. Er ist SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat und wird sich, sagt er, nicht „an Spekulationen beteiligen“. Stattdessen will er sich „von den sozialdemokratischen Mitgliedern des Aufsichtsrates über die Ergebnisse“ einer demnächst stattfindenden Aufsichtsratssitzung „informieren lassen“. Fehlende Transparenz beunruhigt den Kommunalpolitiker nicht weiter. Fragen werde er dann beantworten, „soweit diese Ergebnisse veröffentlicht werden können“. Ein Politiker, der sich erst dann für Entwicklungen in seiner Stadt interessiert, wenn sie abgeschlossen sind?

Leicht verdientes Geld – nur für Freunde

Aber so dicht, wie man sich das in Wuppertal anscheinend gerne wünscht, schließt selbst der Eiserne Vorhang im Opernhaus nicht. Dem künftigen Intendanten Kamioka ist ein Co-Intendant zur Seite gestellt worden. Sein Name: Joachim Arnold. Nun macht es ja Sinn, einem Intendanten, der nicht zu kommunizieren in der Lage ist, jemanden zur Unterstützung zu schicken. Vor allem, wenn man sich so gut kennt. Von 1993 bis 1995 haben die beiden gemeinsam am Aalto-Theater Essen musiziert. Danach trennten sich ihre beruflichen Wege, die freundschaftliche Verbundenheit blieb. 1999 gründete Arnold in Merzig, einer kleinen Kreisstadt zwischen Saarbrücken und Luxemburg, die Musik & Theater Saar Gesellschaft, deren Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer er bis heute ist. Derzeit bereitet die Gesellschaft das Musical The Addams Family in deutscher Erstaufführung vor. Ab August dieses Jahres steht es auf dem Spielplan im Zeltpalast Merzig.

Und von da an wird es bizarr. Die Wuppertaler Bühnen, die nicht wissen, wie sie ein Ensemble bezahlen sollen, kaufen 25 Aufführungen dieser Erstaufführung ein. Die Vertragsverhandlungen laufen derzeit. Für Peter Jung ein ganz normaler Vorgang. Kamioka habe, erklärt der Oberbürgermeister, dem Aufsichtsrat der Wuppertaler Bühnen vorgeschlagen, eine Tourneeabwesenheit des Sinfonieorchesters mit einer künstlerisch hochwertigen Musical-Produktion zu überbrücken. „Aufgrund des hohen Niveaus hat Kamioka sich als Künstlerischer Leiter der Oper für eine Musical-Produktion von Joachim Arnold entschieden, mit dem er seit vielen Jahren zusammenarbeitet“, sagt Jung. Der Einkauf sei durch den Aufsichtsrat abgenickt und dem Fachausschuss im Stadtrat bekannt gemacht worden. „Das gesamte Verfahren ist damit transparent in den zuständigen Gremien gemacht worden, so dass der Vorwurf missbräuchlichen Handelns völlig ungerechtfertigt ist“, glaubt der Oberbürgermeister. Damit gerät denn auch endgültig der Aufsichtsrat in ein schiefes Licht. Immerhin – ein Rest von Unbehagen scheint selbst bei Jung noch vorhanden. Er kündigt an, der Aufsichtsrat wolle sich unter dem Druck der öffentlichen Berichterstattung „gegebenenfalls“ in seiner Sitzung am 13. März „noch einmal mit dieser Angelegenheit befassen“. Vielleicht nutzt der Aufsichtsrat diese Sitzung aber auch, die bisherigen Geschehnisse noch einmal in Ruhe und gründlich zu reflektieren. Schon damit die Dichter und Denker, die aus Wuppertal in die Welt ziehen, auch einmal das Bedürfnis haben, im Alter wieder in die Heimat zurückzukehren.

Michael S. Zerban, 7.3.2014

 


Peter Jung, CDU, ist
Oberbürgermeister von Wuppertal und
Aufsichtsratvorsitzender der
Wuppertaler Bühnen. Für ihn ist alles
in Ordnung.


Klaus Jürgen Freese, SPD, ist
Fraktionsvorsitzender im Stadtrat. Er
kümmert sich erst um Dinge, wenn sie
bereits geschehen sind.


Toshiyuki Kamioka ist GMD und
designierter Intendant der Oper in
Wuppertal. Er sieht keine
Notwendigkeit, sich in der
Öffentlichkeit zu äußern.


Joachim Arnold ist der gute Freund
von Kamioka und hat gute Aussichten,
dank dieser Verbindung viel Geld zu
verdienen.