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Klangkonferenz


 
 

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Klangperspektiven

Eine Konferenz zum Thema Klang und Musik im Rahmen des YEAH! Festivals in Osnabrück zeigt, dass Änderungen im Klangverständnis auch durchaus Konsequenzen für die tägliche Arbeit auf der Bühne haben.

Allmählich treffen die Teilnehmer ein, der komfortable Saal im Zentrum für Umweltkommunikation ist etwa zur Hälfte besetzt, Begrüßungen, small talk. Plötzlich aus dem hinteren Saal ein scharfer Knall – wie ein Schuss. Ein weiterer Knall von der Seite, einer mitten aus dem Saal – die Konferenz ist eröffnet: Das Trio Body Rhythm Factory aus Dänemark klopft, klatscht, rauscht, schnalzt, steppt und schlurft durch den Saal, über das Holzpodium und zeigt und lässt hören, welche Geräusche, Töne, Klänge wir unter Nutzung unseres Körpers und der gerade vorhandenen Umgebung produzieren können. Die Zuhörer sind mäuschenstill, hoch aufmerksam und begeistert: Wir sind mitten im Thema dieser Fachkonferenz.

Es folgen in schneller Folge Kurzvorträge und Performances internationaler Präsentatoren.

Christopher Bell, Architekt und Vibraphonist, geht scharf und provokant auf die Grenzen zwischen Geräuschen und Musik ein. „Der einzelne Ton hat eigentlich keinen Sinn, er erhält seinen Sinn erst in der Relation zu anderen.“ Die Beziehungen zwischen Geräuschen und Tönen schaffen erst Musik. Mit der Aufgabe der Finalität in der Musik eröffnen sich völlig neue Dimensionen. „Die Rhythmusanalyse löst die Psychoanalyse ab.“

Schon deutlich konkreter berichtet der Medienkünstler Georg Klein von seinen Projekten in öffentlichen Räumen, in denen er beispielsweise durch die Umdeutung von Mülleimern öffentliche Plätze umdefiniert. Er spricht von „räumlichen Skulpturen“ und „stehenden Klängen“, mit denen sich öffentliche Räume stark verändern lassen.

Anouk Diepenbroek  vom Muziekgebouw Amsterdam präsentiert sehr überzeugend neue Formen der Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die Musik, die mit Körpereinsatz elektronische Rauminstrumente bedienen. Richard Frostick aus England agiert als Vocal Coach und verführt die Teilnehmer dazu, sich auf die stark körperbezogene Erzeugung von Stimmgeräuschen im Klang afrikanischer Musik einzulassen, mit einander zu kommunizieren und sich im gemeinsamen Klang wohlzufühlen.

Hans-Chrstian Schmidt-Banse veranschaulicht mit zwei prägnanten Filmbeispielen aus „Mission impossible“ und „Antichrist“ überzeugend und spannend den Unterschied zwischen „Musik“ und „Soundtrack“ im Film. Clemens Clausner vom Fraunhofer-Institut erreicht mit seinen Ausführungen zum neuesten Stand der Beschallungstechnik eher die Hardware-Freaks, obwohl er auch auf psychoakustische Aspekte eingeht. Wolfgang Walk, Produzent im Bereich von Computerspielen, dokumentiert die Bedeutung von Orten und Ausdehnungen von Sound für die Entwicklung von Spannung.

Nach all diesen Anstrengungen ist die angenehme Entspannung, die Sinam Altan mit ihren beiden türkischen Mitstreitern bietet, sehr willkommen. Die drei überraschen die Zuhörer mit einer türkischen und einer argentinischen Version des gleichen Tangos, die sich deutlich im Tempo und in der Klangqualität unterscheiden. Mit einer ungewöhnlichen, aber wunderschönen türkischen Interpretation von „Summer time“ endet ein aspekt- und stimmungsreicher Nachmittag, den viele Besucher als musikalischen Gewinn und deutliche Erweiterung ihres Verständnisses von Geräuschen, Tönen und Musik empfinden.

In einer Jahreszeit, in der besonders Kinderopern, Weihnachtsmärchen und Ballettaufführungen beliebt und viel besucht sind, zeigt insbesondere das Beispiel „Play with Music“ aus den Niederlanden, dass Regie und Dramaturgie vieler Kinderopern neue Formen des Heranführens von Kindern und Jugendlichen an Oper und Musik noch kaum wahrgenommen haben.

Den Veranstaltern ist es gelungen, eine hochinteressante und für die Entwicklung des veranstalteten Musiklebens anregende Fachtagung durchzuführen, deren Anstöße hoffentlich über dieses Festival hinaus reichen und weiterentwickelt werden.

Horst Dichanz, 19.11.2011


Die Body Rhythm Factory zeigt, welche Geräusche, Töne und Klänge wir produzieren können, wenn Körper und Umgebung eingesetzt werden.


Aus Holland kommen neue Formen der Heranführung von Kindern und Jugendlichen an die Musik, indem sie elektronische Rauminstrumente bedienen.