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Fakten zur Aufführung 

SOPHIE SCHOLL
- BRIEFE ÜBER GRENZEN

(Till M. Mendler)
4. Mai 2012
(Generalprobe)

Musicalwerkstatt Münster

Points of Honor                      

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Im Dienst eines großen Projekts

Die Musicalwerkstatt Münster hat mit ihrem neuen, zweiten Musical wieder einen großen Erfolg erreicht und demonstriert bei einem schwierigen Thema künstlerische Geschlossenheit. Sophie Scholl – Briefe über Grenzen ist von Till M. Mendler gedichtet und komponiert, hauptberuflich eigentlich Arzt, musikalisch aber so versiert, dass ihm ein hörenswertes Werk gelingt. Ausgangspunkt der Geschichte ist der Briefwechsel zwischen Fritz Hartnagel und Sophie Scholl, in Rückblicken werden die großen Stationen von Sophie Scholl erzählt. Das hat sowohl persönlichen Charakter, da Fritz Hartnagel eine kurze Zeit ihr Freund gewesen ist, aber natürlich auch den politischen Hintergrund in der Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten. Mendlers Musik pendelt so zwischen emotionalen Balladen für Sophie Scholl und kalter Marschrhythmik hin und her, gibt der Widerstandsgruppe um Hans Scholl herausfordernde Ensembles mit forschen Melodien. Mendler verzichtet auf großen Kitsch und falschen Pathos, konzentriert sich mehr auf Gefühle und Handlungsmotive. Mendler zeichnet zugleich für die szenische Realisation verantwortlich.

Im Konzertsaal der Freien Waldorfschule Münster steht dem Ensemble eine große Bühne mit vielen Möglichkeiten zur Verfügung. Das Bühnenbild muss natürlich mit kleinem Aufwand gestaltet werden. Die schwarzen Vorhänge der Bühne begrenzen die Fläche, weiße, lange Schleier können zu Säulen oder Öffnungen geformt werden, und eine dünne Lichtleiste auf dem Boden schafft eine räumliche Trennung: zwischen Gut und Böse, zwischen damals und heute. Auf der rechten Seitenbühne sitzt der gealterte Fritz Hartnagel, großartig und bewegend gespielt von Co-Regisseur Frank Bitzer, und leitet durch den Briefwechsel die Erinnerung ein. Bitzers schauspielerische Erfahrung verbindet sich mit Mendlers Ideen und Vorstellungen der Szenen zu unkomplizierten, teilweise auch sehr zwingenden Bildern auf der Bühne. Großartig, wie die den Nazis blind nachlaufende Masse mit weißen Masken und an aus dem Bühnenhimmel baumelnden Fäden als willenlose Marionette charakterisiert ist. Frank Bitzer hat mit dem jungen Chor des Ensembles sehr intensiv die Bewegungen erarbeitet, so dass dieser völlig glaubhaft die Funktionen wechseln kann. Von den hohlen Gesten des Hitlergrußes und Stechschrittes zu Abschied nehmenden Familienangehörigen oder zur rollenlosen Kommentator-Funktion.

Einige Sänger übernehmen aus dem Chor heraus auch solistische Aufgaben mit sehr sicheren Stimmen. Etwa Martina Pliquett als Else Gebel oder Lisa Hesener als Elisabeth Scholl, die sich mit ihrem späterem Alter Ego Elisabeth Hartnagel zu einem sehr schönen, zeitlosen Duett mit Sandra Bitzer vereint. Martin Rapp gibt dem Gestapooffizier Robert Mohr gefährliche Ruhe. Wirklich hervorragend ist das Männerterzett der Weißen Rose. Jochen Voß spielt Hans Scholl, Carsten Ulmer den Alexander Schmorell und Robert Schulting den Christoph Probst. Das sind drei wirklich gut geschulte, energiegeladene Stimmen, die ihren Rollen aufmüpfigen Übermut verleihen, aber auch jederzeit deutlich machen, dass dies der Mut der Verzweifelten ist. Johanna Mayr schließlich verkörpert die anspruchsvolle Partie der Titelfigur mit nie nachlassender Intensität und vokaler Größe, der man die leisen, hinterfragenden Töne ebenso abnimmt wie die letztendlich selbstbewusste Entschlossenheit: „Ich würde es alles genau so noch einmal tun!“ Die instrumentale Begleitung durch die fulminant aufspielende siebenköpfige Band setzt der musikalischen Seite die Krone auf. Stellvertretend für die vielen kleinen musikalischen Details seien Witold Groß am Saxophon und die rhythmische Untermalung durch Simon Lütkenhaus am Schlagzeug genannt.

Bewundernswert, wie das gesamte Ensemble auch ohne ein nennenswertes Publikum in der Generalprobe agiert. Aber auch vor, nach und während des Durchlaufs demonstriert das Ensemble eine geschlossene Hilfsbereitschaft, jeder stellt sich in den Dienst des großen Projektes, packt an, wo es notwendig wird, hält sich zurück, wo es angebracht ist. Wie wichtig die Generalprobe ist, beweist vor allem die technische Seite, bei der das Team jede Ungenauigkeit in Ton und Bild konsequent ausräumt. Der Ton ist im ersten Akt noch etwas unausgeglichen, von den Sängern versteht man bei der voll aufspielenden Band nicht viel. Auch die sehr durchdachten Lichteinstellungen sind noch nicht immer auf den Punkt. Doch spätestens zum zweiten Akt funktioniert auch das reibungslos.

Sophie Scholl – Briefe über Grenzen ist vor allem dank eines bemerkenswerten Ensembles ein Projekt auf professionellem Niveau und bietet einen unverkrampften, sehenswerten Zugang zu der Geschichte über die Weiße Rose.

Christoph Broermann





 

Fotos: Anja Cording