Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Neue Trends der Jugend


 
 

zurück       Leserbrief

Förderung des Außergewöhnlichen

Ausgezeichnetes für junge Ohren – Unter diesem Motto verleiht der Junge-Ohren-Preis bereits zum achten Mal Preise in vier Kategorien für fantasievolle Projekte von Profis für junges Publikum, die neue Wege zur Musik eröffnen. HipHop geht leer aus, angesagt sind Klassik, Gefühl und Geschichte.

Mit inzwischen 108 Bewerbungen aus Deutschland und einigen Nachbarländern sind Veranstalter und Juroren mehr als zufrieden. Der Preis ist in Musikkreisen und bei den Rundfunkanstalten, die häufig als Kooperationspartner zeichnen, etabliert. Und das ist gut so. Der Musikunterricht in den Schulen feiert zu oft ein Aschenputtel-Dasein oder fällt ganz aus, wie eine Schülerin bedauernd und ein wenig resignierend erzählt. Dabei zeigen die Projekte, die von der Jury für die Präsentation ausgewählt wurden und in der engeren Wahl für Preise sind, welche erstaunlich unterschiedlichen, kreativen und meist hoch professionell ausgeführten Ideen in den Köpfen von Kindern, Musikern und Lehrern herumschwirren: Ob es die rein vokal erzeugten Geräusche für den Sound eines Hörspiels sind, eine hoch poetische Geschichte um das Abschiednehmen von einem Kind, die Neubearbeitung des Klassikers Zauberflöte unter Beteiligung von Kindern mit besonderem Förderbedarf, die intensiv im Stück mitwirken oder die gymnastische Übung von 12 Schülern und 24 Händen auf einem Klavier – den Ideen und Realisationen, die in Videoclips vorgeführt werden, sind keine Grenzen gesetzt. Im Gegenteil: Preis und Jury möchten solche ausgefallenen, aber real umgesetzten Projekte herausstellen und Hilfen geben für die Weitergabe der Projektideen.

Verschiedene Kategorien

Wie im vergangenen Jahr wird der Preis in vier Kategorien vergeben. Hinzu gekommen ist in diesem Jahr der Preis einer Kinderjury, in der sich drei Jungen und drei Mädchen ihre eigenen Favoriten aussuchen: Zur Überraschung entscheiden sich die zehn- bis dreizehnjährigen Jugendlichen für das historisch-politische Stück zweier Gymnasien aus München, die sich zum Thema Wie klingt Geschichte? Auf Spurensuche in München auf die Suche gemacht haben nach Spuren zu den Themen NS-Kindertransporte, Euthanasiemorde, Judenwiderstand und Displaced Persons – wirklich keine leichte Kost. Das Feature haben die Gymnasiasten mit Zeitdokumenten, Fotos, Tonaufnahmen und Sprechszenen zu einem beeindruckenden Zeitportrait zusammengestellt – und wurden prämiert.

Der Preis in der Kategorie „Best practise: Konzert“ geht an das Düsseldorfer Projekt Du bist da, Du bist fort, das die berührende Geschichte eines verlorenen Kindes gefühlvoll und mit weichen, fließenden Dekorationen und Gewändern visualisiert und singend begleitet.

In der Kategorie „Best practise: Partizipatives Projekt“ räumt eine Produktion des Theaters Trier und der Porta-Nigra-Schule, einer Förderschule, den Preis ab und wird der Favorit des Festivals. In gut vier Monaten schaffen Begleiter und Theaterleute eine den Möglichkeiten dieser Kinder angepasste Version der Zauberflöte, in der musikalische Kernstücke der Oper erhalten bleiben, andere Gegebenheiten aber den Möglichkeiten der Kinder angepasst werden: Erstaunlich, ermutigend, bewegend.

Die für den Schwerpunkt „Labohr“ nominierten zwei Projekte werden beide von der Jury als preiswürdig eingeschätzt und teilen sich den Preis. Im Projekt Die Hörer verwandeln zwei merkwürdige Akustikspezialisten das Klassenzimmer in ein Tonlabor, wenn sie die Kreide quietschen, Stühle kreischen und Lineale vibrieren lassen. Der Alltag bringt ungewohnte Geräusche, die Kinder staunen und lauschen. – Im „Mullbau“, einem kleinen Kulturtreff nahe Luzern finden mehrmals im Jahr Kinderkonzerte statt, bei denen beispielsweise ein Perkussionist, ein Pianist, ein Saxophonist und ein Tubist ihren Instrumenten höchst seltsame, abstrakte Tonfiguren entlocken und mit Kindern eine nonverbale Unterhaltung führen. Dass dabei die Instrumente auch als Leitern, Ruheplatz oder Tanzfläche genutzt werden, ist schon fast selbstverständlich – zwei Preise.

Im Schwerpunkt „Musik und Medien“ begeben sich Schüler aus Kaufbeuren bei ihrer Spurensuche 2.0 auf Entdeckungsreise nach Verwandlungen und Übergängen zwischen analogen und digitalen Techniken. Sie arbeiten selbst mit professioneller Unterstützung an der Darstellung und Umwandlung von Klarinettentönen, Saxophonklängen oder einem Schlagzeugsound und spielen mit akustischen Eindrücken – ebenfalls preiswürdig.

Bemerkenswert ist, dass die beiden Projekte mit HipHop-Elementen und -Gruppen keinen Preis abräumen können, obwohl sie professionell gemacht sind und bei den Jugendlichen beliebte Musik aufnehmen.

Mehr Akzeptanz bei den Erwachsenen

Insgesamt erwecken die diesjährigen Beiträge den Eindruck, dass häufiger als in den Vorjahren helfende Erwachsenenhände im Spiel sind; auch bei der Jury scheint das Interesse an pädagogisch akzentuierten Projekten gewachsen zu sein. Das mag an der Beteiligung der Rundfunkanstalten liegen, die naturgemäß auf eine gewisse redaktionelle Linie achten. Schließlich fällt auf, dass häufiger und intensiver Medien genutzt werden und Crossover-Formate traditionelle Formen und Genres mischen, wenn zum Beispiel Tablet-PCs „mitspielen“. Diese Entwicklung dürfte in den nächsten Jahren noch zunehmen. Die Zahlen, von denen Thomas Rathgeb von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg in der Fachkonferenz Perspektive: Musik und Medien berichtet, sprechen eine deutliche Sprache. So verfügen 2012 über 90 Prozent der Haushalte mit Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren über ein Fernsehgerät, ein Handy/Smartphone, einen PC/Laptop mit Internetzugang, ein Radio und einen CD-Player, so dass man von einer Vollversorgung sprechen kann. Bei Kindern und Jugendlichen verdrängen immer mehr mobile Medien die stationären, bereits die Hälfte der Kinder besitzen ein eigenes Handy und sieben Prozent ein Smartphone, wie die neueste KIM/JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest ermittelt.

Die präsentierten Projekte und Preise zeigen Tendenzen: Die eingereichten Beiträge sind bunter und streuen weiter. – Die diesjährigen Beiträge zeigen häufiger eine pädagogische Handschrift, weniger Spontaneität. – Die neuen Medien haben Einzug gehalten in die Formen der Musikausübung und -präsentation. Immer wieder überzeugen Projekte mit ausgefallenen Ideen, für die sie Platz und Entfaltung brauchen, gelegentlich auch Unterstützung – gleichgültig, woher sie kommen.

Das Gewandhaus in Leipzig als Ort und Gastgeber der Preisverleihung präsentiert sich als aufmerksamer und künstlerisch anspruchsvoller Gastgeber. Der große Kinderchor des Gewandhauses unter Leitung von Frank-Steffen Elster bietet ein musikalisches Rahmenprogramm, das mit Klangfülle und Präzision zeigt, dass sich die Mühen um eine musikalische Frühförderung lohnen. In einem originellen Schlussstück „vertont“ der Kinderchor gemeinsam mit dem Jazztrio LU:V einen alten DEFA-Trick-Stummfilm und zeigt seine Wandlungsfähigkeit. Wieder einmal hat das Netzwerk Junge Ohren gezeigt, dass der Preis eine Motivation für viele Musikschaffende – große und kleine – ist, sich mit bunten Ideen daran zu beteiligen, „Musik auf phantasievolle und anregende Weise in der Gesellschaft lebendig zu halten“.

Horst Dichanz, 24.11.2013

 


Mit mehr als 100 Bewerbungen erreicht
der Junge-Ohren-Preis inzwischen eine
hohe Akzeptanz.


Die Jugendlichen bekommen eine
Plattform für ihre kreativen und meist
hoch professionell ausgeführten Ideen.


Erfolgreich absolvierte Projekte
schaffen auch bei Jugendlichen viel
Selbstbewusstsein. Darüber lässt sich
gut berichten.


Mit erstaunlich ernsthaften Themen
setzen sich die Preisträger
auseinander. Dabei gewinnt
Crossmedialität an Bedeutung.


Das Wichtigste am Junge-Ohren-Preis
ist die Vielfalt. Und wenn die
Jugendlichen das schaffen, zeigen
sich auch gern die Erwachsenen vor
der Kamera.

Fotos: Opernnetz