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Auf dem Weg nach oben


 
 

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Auf den Flügeln des Gesangs

Sie ist der neue Star am Opernhimmel, die russische Koloratursopranistin Olga Peretyatko. Vor allem in Frankreich und Italien feiert sie schon große Erfolge. Mit italienischem Temperament, russischer Seele, blendendem Aussehen und einer begnadeten Stimme macht sie sich nun daran, auch die großen deutschen Bühnen zu erobern. Mit Titeln aus ihrem Debütalbum stellte sich Olga Peretyatko in der Oper Leipzig einem fachkundigen Publikum vor.

La bellezza del canto – Die Schönheit des Gesanges. Das ist nicht nur der vielversprechende Titel der Debüt-CD der russischen Koloratursopranistin Olga Peretyatko, sondern auch die Ankündigung ihres Galakonzertes an der Oper Leipzig. Und so ist die Erwartungshaltung immens hoch, doch Peretyatko übertrifft sie mit einer spielerischen Leichtigkeit, die einem fast den Atem raubt. 1980 in St. Petersburg geboren, begann sie ihre musikalische Laufbahn im Alter von 15 Jahren im Kinderchor des Mariinsky Theaters. Nach einer Ausbildung zur Chordirigentin absolvierte sie ab 2002 ihr Gesangsstudium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Danach gehörte sie einige Spielzeiten dem Opernstudio der Staatsoper Hamburg an und wurde 2007 beim Internationalen Wettbewerb Operalia ausgezeichnet. Es folgten erste Engagements an der Komischen Oper, der Deutschen Oper und der Staatsoper Berlin. Erste internationale Aufmerksamkeit erregte die Sängerin als Rossignol in einer Inszenierung von Robert Lepage in der gleichnamigen Oper Igor Strawinskys, die in Toronto, danach beim Festival in Aix-en-provence, an der New York City Opera und in Amsterdam präsentiert wurde. 2011  wurde Peretyatko von Publikum und Presse anlässlich ihre  Rollendebüts als Giulietta in I Capuleti ed I Montecchi an der Oper Lyon und am Théatre des Champs-Elysées in Paris gefeiert,  ebenso als Donizettis Lucia di Lammermoor am Teatro Massimo in Palermo. 2012 folgten ebenso erfolgreiche Debüts  als Fiorilla in Il Turco in Italia in Amsterdam und als Händels Alcina in Lausanne. Auf Begeisterung bei Presse und Publikum stieß auch ihr kurzfristiges Einspringen in Donizettis L’elisir d’amore während der Pfingstfestspiele am Festspielhaus Baden-Baden sowie ihr Debüt als Elvira in Bellinis I Puritani an der Oper Lyon. Im Jahre 2011 erschien ihr Debütalbum La bellezza del canto. Mit einigen Titeln aus diesem Album stellt sich Olga Peretyatko am 30. März 2013 in der Oper Leipzig im Rahmen eines Galakonzertes vor.

Begleitet vom Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Anthony Bramall sind es vor allem die Klassiker des Belcanto, mit denen Peretyatko an diesem Abend begeistert. Schon mit ihrer ersten Arie Non si da follia maggiore, der Arie der Fiorilla aus Rossinis Il Turco in Italia, wird deutlich, dass dieses Konzert ein musikalischer Flirt mit dem Belcanto-Gesang wird. Ihr leichter, perlender Koloratursopran meistert ohne Mühe und Anstrengung die Höhen. Mit der folgenden Arie der Linda O luce di quest‘ anima aus Donizettis Linda di Chamounix erntet sie erstmals großen Jubel, der sich fortan bei allen weiteren Arien noch steigern wird. Die junge Sängerin verzaubert mit einer leichten Melancholie in der Stimme, die Obertöne sind in einem zarten Piano angesetzt, sie kokettiert mit den Koloraturen und singt mit einer fast schon unverschämten Leichtigkeit. Sie zelebriert, inszeniert, und das mit einer nahezu perfekten Technik. Diese stellt sie mit der Arie der Lucia Regnava nel silenzio aus Donizettis Lucia di Lammermoor unter Beweis. Auch hier setzt sie intelligent im zarten Piano an, um sich dann fast schon in ekstatisch, ja teilweise dramatische Höhen zu schrauben. Ihr lyrischer Koloratursopran baut auf einer festen Mittellage mit einem warmen Timbre, doch der Ansatz zum dramatischen Koloratursopran ist hier schon deutlich vernehmbar. Mit der wunderbaren Arie der Manon Je marche sur tous les chemins aus Massenets Manon entlässt Olga Peretyatko ein berücktes Publikum in die Pause, nachdem sie mit schon fast überirdisch anmutenden, glasklaren Höhen einen Jubelsturm entfacht hat.

Mit der Arie der Elvira Qui la voce sua soave…vien diletto aus Bellinis I Puritani eröffnet die Peretyatko den zweiten Teil des Galakonzertes. Hier überzeugt sie durch ein zu Tränen rührendes Piano, und sie verbindet Schönheit, Anmut und Grazie zu einem Belcanto-Gesang in seiner reinsten Form. Ihre makellose Höhe, ihre bruchlose Tessitura stellt sie mit der Arie der Juliette Je veux vivre dans le reve aus Gounods Roméo et Juliette erneut unter Beweis. Und falls es noch irgendeinen Zweifel gegeben hätte, dass hier ein neuer Star am Opernhimmel leuchtet: Mit der Arie der Olympia Les oiseaux dans la charmille aus Offenbachs Les Contes d’Hoffmann lässt Olga Peretyatko alle verstummen. Da ist nichts gekünstelt, die Koloraturen perlen nur so dahin, und ihre halbszenische Darstellung der aufgezogenen Puppe führt zu einer großen Erheiterung im Publikum mit anschließendem Riesenjubel. Mit kokettem Augenaufschlag „spielt“ sie die Unschuld vom Lande. Ihr Lied der Adele aus der Fledermaus ist nicht nur das offizielle Programmende, sondern auch ein Flirt mit dem Theater, mit der Musik und dem Publikum. Dass Peretyatko nicht ohne Zugabe das Haus verlässt, ist klar. Zu groß sind Jubel und Begeisterung beim Publikum. Noch einmal Adele, und bei Mein Herr Marquis steht fest: Da muss man als Eisenstein einfach schwach werden. Dass die Sopranistin als zweite Zugabe die schwierige Olympia-Arie noch einmal wiederholt und vor lauter Interaktion mit dem Dirigenten fast selber lachen muss, verleiht ihr so viel Charme, dass es das Publikum nicht mehr in den Sitzen hält.

Begleitet wird sie an diesem Abend durch ein bestens aufgelegtes und spielfreudiges Gewandhausorchester, und Anthony Bramall trägt sie förmlich auf den Flügeln des Gesangs. Und auch Bramall ist an diesem Abend nicht nur ein wunderbarer Begleiter, der Engländer präsentiert sich auch als feuriger „Italiener“ am Pult. Mit der Ouvertüre zu Verdis La Forza del destino eröffnet Bramall dynamisch und kraftvoll das Konzert. Wunderbar arbeitet er feine Nuancierungen heraus, lässt die Bläser klagen, schafft einen sanften Übergang in den Mittelteil, der dann in einem wuchtigen Finale endet. Seine Ouvertüre zu Donizettis Anna Bolena dirigiert er intensiv mit großer Leidenschaft und erzeugt mit warmen Farben und Schattierungen einen differenzierten Donizetti. Meditation aus Jules Massenets Thais ist für einen Augenblick Erholung für Seele und Geist nach den aufwühlenden gesanglichen Darbietungen von Olga Peretyatko. Henrik Hochschild an der Solo-Violine gelingt dabei eine derart innige und warme Interpretation, dass es dem Publikum im wahrsten Sinne des Wortes den Atem verschlägt, bevor nach einem wohltuenden Moment der Stille der große Jubel losbricht. Im zweiten Teil des Konzertes begeistern Anthony Bramall und das Gewandhausorchester mit einer farbenreichen und spielfreudigen Ouvertüre zu Rossinis La gazza ladra. Mehr italienisch geht fast nicht mehr. Und auch die Ouvertüre zu Johann Strauß Die Fledermaus ist heiter und beschwingt, ja fast ein wenig beschwipst, mehr italienisch als wienerisch, mehr Tiramisu als Kaiserschmarrn.

Als nach mehr als zwei Stunden ein denkwürdiges Konzert zu Ende geht, kennt der Jubel beim Publikum keine Grenzen mehr. Stehende Ovationen für eine faszinierende Sängerin, deren warmer, weicher, sinnlich virtuoser Koloratursopran alle Facetten des Schöngesangs gezeigt hat. Begleitet von einem Gewandhausorchester in Höchstform und einem Dirigenten Anthony Bramall, ohne dessen Einfühlungsvermögen und musikalisches Verständnis dieses Gesamtkunstwerk nicht möglich gewesen wäre.

Der Oper Leipzig kann man nur gratulieren, dass sie dieses Konzert überhaupt ermöglicht hat. Und wenn Olga Peretyatko weiterhin so intelligent mit ihrer Stimme umgeht, werden weitere Erfolge nicht lange auf sich warten lassen. Ihre zweite Solo-CD soll im Herbst dieses Jahres erscheinen.

Andreas H. Hölscher, 30.3.2013

 


Olga Peretyatko begeistert das
Publikum mit einer umwerfend
komischen Puppe Olympia.


Das Zusammenspiel von Sängerin,
Dirigent Anthony Bramall und
Gewandhausorchester ist ein
Ohrenschmaus.


Peretyatkos Debütalbum erschien
bereits vor zwei Jahren. Die nächste
Solo-CD ist in Arbeit.


Natürlichkeit und Charme prägen das
Bild der jungen Koloratursopranistin
auch dem Weg nach ganz oben.


Am Ende sind nicht nur die Gäste
hochzufrieden. Ein großer Abend für
die Oper Leipzig.

Fotos: Opernnetz