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Künstlerinnenpreis


 
 

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Lust und Last des Künstlertums

Seit einem Vierteljahrhundert gibt es den Heidelberger Künstlerinnenpreis. Seine Besonderheit: Er wird ausschließlich an Komponistinnen vergeben. Diesjährige Preisträgerin ist Jamilia Jazylbekova.

Ist ein Kunstwerk „stimmig“, dann wirkt es wie selbstverständlich geschaffen. Mozart darf dafür als idealer Beleg gelten. Doch von den zermürbenden Selbsthinterfragungen, die das Künstlertum manchmal gar bis zum Suizid begleiten, ist weniger die Rede. Jamilia Jazylbekova, soeben mit dem Heidelberger Künstlerinnenpreis geehrt, hat in ihren Dankesworten genau diesen Aspekt angesprochen, wenn sie „Zweifel, Unrast und Unsicherheit“ erwähnte, die jeden Schaffensprozess begleiten.

Davon ist in ihrem Orchesterstück Aruà nichts zu spüren, das mit und wegen ihrer  eigenständigen Schreibweise in sich geschlossen, ja vollendet wirkt. Denn die in Bremen lebende, in Kasachstan an der Grenze zur Mongolei geborene Komponistin vermittelt etwas nur scheinbar Einfaches: Bilder und Atmosphäre. Aruà wäre im weiteren Sinne etwa mit „heilig“ zu übertragen, wobei die Komponistin pantheistische Assoziationen weckt.  Landschaften öffnen sich aus Streicherschraffuren, Weite entsteht aus Klangflächen, und ein äußerst sensibles Klanggefühl offenbart sich in jedem Moment dieser etwa 18-minütigen Komposition.

Dieses Auftragswerk, von den Heidelberger Philharmonikern unter André de Ridder mit viel Zuwendung und spieltechnischem Niveau aus der Taufe gehoben, ist komplementärer Teil des mit 5000 Euro dotierten Heidelberger Künstlerinnenpreises, der jetzt zum 21. Mal vergeben  und vor 25 Jahren kreiert wurde. Er verfügt über ein weltweites Alleinstellungsmerkmal, denn er wird ausschließlich an Komponistinnen vergeben. Darunter finden sich illustre Namen, die erst nach der Preisvergabe berühmt wurden, denn in Heidelberg wurde der Blick schon in den Osten gerichtet, als der Eiserne Vorhang Kommunikation unmöglich machen wollte. Myriam Marbe und Adriana Hölszky gehören dazu, Sofia Gubaidulina und Galina Ustwolskaja, ebenso; aber auch von den Nazis Vertriebene wie Ruth Schonthal oder damals in der DDR isolierte Künstlerinnen wie Annette Schlünz zieren die Ehrentafel.

Die bei Heidelberg lebende Sängerin und Musikologin Roswitha Sperber hat vor 25 Jahren den Preis ins Leben gerufen und viele Komponistinnen mit selbst finanzierten Kompositionsaufträgen unterstützt. Beharrungsvermögen und Enthusiasmus gehören dazu,  denn sie musste sich auch gegen Widerstände und Unverständnis durchsetzen, wurde doch das Komponieren der Frauen oft als orchideenhafte Freizeitbeschäftigung belächelt. Dass dies anderes geworden ist und nun Frauen „sogar“ in die Männerdomäne „Kompositionsprofessur“ eindringen, ist ein wesentliches Mitverdienst dieser Initiative. Roswitha Sperber, deren 75. Geburtstag bevorsteht, wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Das Festkonzert wird vom Deutschlandfunk am 21. April, 21 Uhr, gesendet. Neben der Komposition von Jamilia Jazylbekova sind noch das Violinkonzert von Chatchaturjan mit Baiba Skride und Mozarts Prager Sinfonie auf dem Programm.

Die Geschichte des Heidelberger Künstlerinnenpreises wird in der soeben erschienenen Publikation Visionen Aufbrüche über Essays, Porträts, Dokumente, Programme und Chronologie referiert. Erschienen ist das Buch im Wunderhorn Verlag.

Eckhard Britsch, 20.1.2012


Intendant Holger Schultze, Roswitha
Sperber, Operndirektor Heribert
Germeshausen, Preisträgerin Jamilia
Jazylbekova und Oberbürgermeister
Eckart Würzner bei der Verleihung des
Heidelberger Künstlerinnenpreises.