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Cheryl Studer


 
 

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Rückkehr auf die Opernbühne

Sängerkarrieren nehmen bisweilen ungeahnte Verläufe. Cheryl Studer, einst gefeierte Sopranistin, singt jetzt die Mutterrolle in Hänsel und Gretel an der Hamburgischen Staatsoper. Die Sehnsucht nach der Bühne ist zu groß.

Cheryl Studer gehörte viele Jahre zur Spitze der internationalen Opernszene. 1980 kam die in den USA geborene Sopranistin an die Bayerische Staatsoper. Ein erster großer Erfolg, mit dem sie auf sich aufmerksam machen konnte, gelang ihr 1983 mit der Irene in Richard Wagners Rienzi. Wichtige Meilensteine auf dem Weg in die große Karriere der Sängerin waren dann in den folgenden Jahren etwa das Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Elisabeth in Tannhäuser 1985 sowie die Debüts an den Opernhäusern von Barcelona, San Francisco, London und Mailand. Ihr Repertoire kannte die üblichen Fachgrenzen nicht. Neben den Wagner-Partien Elisabeth, Elsa, Senta und Eva sang sie ebenso die Titelpartien in La traviata und La sonnambula, die Aida oder die Fidelio-Leonore. Sie arbeitete mit den wichtigsten Dirigenten und Regisseuren ihrer Zeit zusammen. Cheryl Studer lag die Opernwelt zu Füßen. Doch in den letzten Jahren ist es stiller geworden um die Sängerin. In Konzerten tritt sie weiterhin auf, das letzte Mal auf der Opernbühne war sie beim Gastspiel des Staatstheaters Nürnberg mit einem Ring-Zyklus in Peking zu erleben, das war vor sechs Jahren.

„Der Rückzug von der Bühne war unfreiwillig, es gab kaum noch Angebote“, erzählt sie heute. Dass keine Anfragen kamen, war sicher noch die Nachwirkung einer unangenehmen Geschichte aus den späten 90-er Jahren. Da gingen Gerüchte durch die Opernwelt, Studer habe ihre Stimme verloren. Bestehende Engagements wurden gekündigt, die mediale Verbreitung zog weite Kreise. Obwohl danach große Erfolge, wie etwa ihre letzten Auftritte als Senta bei den Bayreuther Festspielen 1999, alle Gerüchte, sie habe keine Stimme mehr, ins Reich der Fantasie verbannten, hat ihre Karriere dennoch einen Einbruch erfahren. Aus heutiger Sicht sieht Studer das aber keineswegs mit Verbitterung oder Argwohn: „Es ist Teil des Geschäftes. Man ist irgendwann auf dem Gipfel, und je höher der Gipfel ist, desto tiefer kann man fallen. Man muss sich damit arrangieren können.“ Ungewöhnlich für die Szene ist, dass Cheryl Studer bis heute ohne Agentur arbeitet. Wer sie engagieren wolle, der werde sie schon finden, ist ihr Credo.

Jetzt kehrt Studer nach gut sechs Jahren Abstinenz auf die Opernbühne mit einer kleinen Partie zurück, die auf den ersten Blick so gar nicht in ihr Repertoire zu passen scheint. Die Mutter in Hänsel und Gretel, eine Partie, mit der sie an der Hamburgischen Staatsoper ihr Rollendebüt gibt, ist schon länger eine Wunschpartie. Das habe sie auch immer wieder in Gesprächen betont, und nun kam aus Hamburg das Angebot. „Ich bin jetzt näher an 60 als an 50, da ist es schon glaubhaft, wenn ich eine Mutterpartie singe. Eine liebende und leidende 17-jährige kann ich einfach nicht mehr spielen. Außerdem verändert sich mit den Jahren natürlich auch die Stimme. Ich kann heute keine Koloraturpartien mehr singen. Die leichte Höhe ist nicht mehr da. Andererseits bin ich aber immer noch Sopran, deswegen kommen auch noch kaum Mezzosopranpartien in Frage.“ Studer hat durchaus noch einige Wunschpartien für die Zukunft. „Ich lerne noch die Kundry in Parsifal, ich glaube, das ist immer noch eine geeignete Partie. Rein stimmlich kann ich mir auch sehr gut die Capriccio-Gräfin vorstellen.“ Und wenn die Stimme in ein paar Jahren an Tiefe gewinnen sollte, würde sie doch über die eine oder andere Mezzo-Partie wie Herodias in Salome nachdenken, unbedingt reizen würde sie auch die Klytämnestra in Elektra.

Seit 2003 hat Studer mit dem Unterrichten eine wichtige neue berufliche Herausforderung gefunden. Die Entscheidung, eine Professur an der Musikhochschule in Würzburg anzunehmen, fiel ihr auch deswegen nicht schwer, weil sie sich schon seit sehr langer Zeit vorstellen konnte, zu unterrichten. Als 16-Jährige sei sie bereits davon überzeugt gewesen, später einmal Gesanglehrerin zu werden, erzählt sie. 2003 war ihr eigentlich noch zu früh, und regelmäßiges Unterrichten hatte sie sowieso nicht im Sinn. Ab und an mal einen Meisterkurs, das stellte sie sich vor. Das Angebot aus Würzburg war letztlich doch zu verlockend. „Als ich die Hochschule zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mich sofort in das Gebäude und die Möglichkeiten, die es bietet, verliebt. Es hat einfach gepasst.“ Bis heute ist sie sehr glücklich mit dieser Entscheidung. Und nicht nur das. Sie und ihr Mann fühlen sich in Würzburg inzwischen so wohl, dass sie sich sogar vorstellen können, über das Ende der beruflichen Laufbahn hinaus dort wohnen zu bleiben. Wenn Studer das erzählt, klingt sehr viel Bodenständigkeit aus ihren Worten. Sie wirkt zufrieden mit dem, was sie erreicht hat, trotz der herben Rückschläge. Gleichwohl würde es sie schon reizen, noch die eine oder andere Partie auf der Opernbühne zu geben, das ist ihren Worten ganz klar zu entnehmen. Wer weiß, was die Auftritte in Hänsel und Gretel in Hamburg für die Zukunft noch bewirken.

Cheryl Studer singt die Mutter in Hänsel und Gretel noch am 17. und am 21. Dezember.

Christian Schütte, 14.12.2011

 


Cheryl Studer hat heute eine Professur
an der Musikhochschule in Würzburg.
Die Sehnsucht nach der Bühne bleibt.