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NEWS 

Der Höhepunkt heißt Oper


 

Eine moderne Oper


Laurence Cummings findet die Händel-Opern vollkommen unterschätzt. Bei den Händel-Festspielen in Göttingen will er seinen Teil dazu beitragen, dass
sich das ändert (5'14).


Nur vom Feinsten

Fünf Jahre alt, aber jetzt so aktuell wie nie: Bei Virgin Classics ist diese erstklassige Aufnahme erschienen (4'19).

 

 

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Mann mit Visionen

Das Internationale Festival in Göttingen zeigt die Modernität und Anpassungsfähigkeit klassischer Barockmusik. Und Laurence Cummings, Künstlerischer Leiter, will die Händel-Opern ganz nach vorn bringen.

Die Voraussetzungen für die Händelfestspiele 2014 an gleich drei Festspielorten könnten unterschiedlicher nicht sein: Während den Hallensern real und finanziell das Wasser buchstäblich bis zum Halse steht, die Karlsruher auf sicherem Fundament und der wissenschaftlichen Basis der Internationalen Händel-Akademie arbeiten, können die Göttinger Internationalen Händelfestspiele auf breiter Basis weiter expandieren. Der geschäftsführende Intendant Tobias Wolff und der Künstlerische Leiter Laurence Cummings, London, freuen sich über die Zusagen gleich mehrerer Finanziers, den Festspielen eine mittelfristige finanzielle Planungssicherheit zu geben und damit die künstlerische Arbeit zu motivieren. Da braucht Cummings, der seine dritten Festspiele in Göttingen plant, keine Phantasien über denkbare künstlerische Schwerpunkte zu malen, er kann von konkreten Absichten und Vorbereitungen sprechen – welch ein Luxus!

Wie Georg Friedrich Händel ein besonderes Verhältnis zu den Briten, besonders zu den Londonern hatte, so haben die Briten offensichtlich einen besonderen Bezug zu Händel, der dort anders gesehen und empfunden wird als im stärker kammermusikalisch orientierten Deutschland. Cummings, seit 2012 der dritte Brite in Folge als Festspielleiter, bringt denn auch wieder eine Rarität mit, an der er zurzeit in Göttingen arbeitet: die Händel-Oper Faramondo. Nach Recherchen von Cummings wurde sie vor knapp 40 Jahren zum letzten Mal gespielt, nämlich 1976 in Halle an der Saale. Cummings, nach seiner Biografie wohl ein „geborener Musiker“, kam über das Cembalo und die Orgel zu Händel. Er ist wissenschaftlich und praktisch als Kenner historischer Aufführungspraxis ausgewiesen und seit 1999 erfahren als musikalischer Leiter des London-Handel-Festival. Die Festivalbesucher in Göttingen können also auf einen „echten“ Händel gespannt sein.

Da wird der Himmel gemalt

„Ich spielte als Cembalist in Oratorien … Da wird einmal der Himmel gemalt, die Harmonik öffnet sich, über einer Art von Pochen, tatatatata, und ich dachte, gosh, ist das aufregend!“ Witzig und intelligent fragt er nicht, ob er Händel verstehe, er dreht die Perspektive um. „Händel versteht mich…“ Das macht neugierig. Die Chemie mit seinem Partner, dem schottischen Regisseur Paul Curran, scheint zu stimmen, Cummings sieht in ihm ein „absolutes Händel-Naturtalent“, der eine einfache Opern-Philosophie umzusetzen versucht: „Am Ende geht es immer um die drei Themen Religion, Politik und Sex“. Spannend dürfte außerdem sein, dass Curran die starken Einschränkungen künstlerischer Arbeit durch die Kirche im 18. Jahrhundert betont, unter denen auch Händel litt. Seine Oper Faramondo, in der sich Franken, Kimbern und Schwaben um die Vorherrschaft in Europa streiten, ist unter solchen Restriktionen entstanden. Händel konnte keineswegs das „wirkliche“ Leben der Gesellschaft zeichnen, sondern musste es in Mythen und antiken Geschichten „verstecken“.

Es mag manchen überraschen, dass Händel allein 42 Opern geschrieben hat, neben der umfangreichen Orchester- und Kammermusik, für die er in Deutschland eher bekannt ist. Es bedurfte der „Göttinger Händel-Renaissance“ 1920 mit der Oper Rodelinde, dass auch in Deutschland Händels originelle Opern ins Blickfeld kamen. Dieses Bild will und wird Cummings im Jahre 2014 mit der Oper Faramondo korrigieren, die 1738 in London uraufgeführt wurde.

Die ganze Stadt schaut zu

Neben der Oper als Kern der Händelfestspiele stehen mehr als 35 Konzerte mit international herausragenden Musikern auf dem Programm. Das Festspielprogamm geht weit über diese Oper hinaus und umfasst einen konzertanten Krönungszyklus mit drei Konzerten, das Oratorium Joshua und weitere Konzerte, viele davon an neuen Aufführungsorten außerhalb Göttingens. Hierunter sind auch mutige Neuinterpretationen bekannter Händelkompositionen wie die Auftritte von l‘Arpeggiata, einem auf historische Aufführungen spezialisierten Ensemble um die Lautensolistin Christina Pluhar mit der fantastischen Sopranistin Raquel Andueza. Ballettaufführungen und Chorkonzerte, schließlich ein Abend mit Crime and Mystery für junge Zuhörer ergänzen das Bild. Ein hübscher Versuch dürfte das Crossover-Projekt FamilienBande werden, bei dem klassische Musikelemente jugendlichen HipHopformen begegnen. Cummings traut sich zu, eine solche Begegnung mit Händels Musik auch Schulkindern zu vermitteln, denen er besondere Aufmerksamkeit widmen möchte. Schließlich wird noch das Glanzstück Faramondo als Mitschnitt auf eine Großleinwand gebracht und beim Public Viewing flanierenden Göttingern präsentiert. Ein solches Festspielprogramm sucht schon seinesgleichen, und es ist prima, dass das nicht nur „Herrschaftszeiten“ – so das Motto der diesjährigen Festspiele – für ein handverlesenes Publikum sind, sondern ein wachsendes Publikum erreicht.

Horst Dichanz

 


Laurence Cummings gilt als Experte in
Sachen Händel. Bereits zum dritten Mal
ist der Brite Künstlerischer Leiter der
Händel-Festspiele in Göttingen.


Große Aufgaben warten auf den Chor
der Festspiele. Im Mittelpunkt dürfte
in diesem Jahr die Oper Faramondo
stehen.


Mit mindestens 35 Konzerten in und
um Göttingen dürfte das Festspiel-
Orchester in diesem Jahr alle Hände
voll zu tun haben.


London Handel Players: In England,
speziell in London, ist Georg Friedrich
Händel wesentlich populärer als in
Deutschland.


Christina Pluhar ist die Lauten-Solistin
des Ensembles l'Arpeggiata, das
zusammen mit der Sopranistin Raquel
Andueza auftreten wird.