Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Schultheater 2


 
 

zurück       Leserbrief

Schultheaterpreis im MiR verliehen

Als vor 20 Jahren die ersten Kontakte zwischen dem Musiktheater im Revier (MiR) und der Gesamtschule Gelsenkirchen-Ückendorf geknüpft wurden, dachte noch niemand an ein Festival oder gar an einen Preis für gutes Schultheater. Am 11. Februar 2012 wird dieser Preis nun schon zum 12. Male verliehen. Die Schultheater-Woche ist inzwischen eine fest etablierte Veranstaltung, die vom MiR und dem Consol-Theater Gelsenkirchen gemeinsam für und mit Schulen veranstaltet wird. Die Theater schreiben den Preis jährlich aus und stellen ihre Häuser und die Technik zur Verfügung, alle Ideen und Vorbereitungsarbeiten müssen von den Schulen selbst kommen.

In diesem Jahr nehmen sieben Schulen mit neun Aufführungen an der Theaterwoche und am Wettbewerb teil und verblüffen wieder einmal Schulfreunde, Eltern, Großeltern und schließlich auch die Jury mit dem, was sie auf die Bühne bringen. Das Spektrum ist breit. Es reicht von dem Stück Am kürzeren Ende der Sonnenallee zur DDR-BRD-Vergangenheit an der Berliner Mauer über die Musicalbearbeitung des englischsprachigen Secret Garden bis zum Wechselspiel zwischen heutiger Jugendszene und der griechischen Götterwelt in Eros und Psyche. Vor der Schlussveranstaltung gibt es noch mit ImPOD  ein gemeinsames Kompositionsprojekt von Essener und Gelsenkirchener Schülern.

Grundschüler sind bei den Schultheatertagen mit dem Klassiker Peter und der Wolf durch die Martin-Luther-Schule vertreten. Mit einem Großaufgebot an Grundschülern und einem kleinen Orchester verwandelt diese Gruppe die Bühne mit eigenen Kulissen und Kostümen in eine bunte lebensfrohe Szene, in der die Schüler zunächst  „ihre“  Instrumente aussuchen und anklingen lassen. In der zweiten Hälfte führt dann das Orchester Prokofiews musikalische Erzählung von Peter, dem Wolf und anderen Tieren auf, in der jedes Instrument ein bestimmtes Tier darstellt. Unbekümmert und lebhaft, mit Engagement und Lust am Spiel zeigen diese Grundschüler, was alles in ihnen steckt. Andere Schüler stellen die Instrumente vor, sie werden durch professionelle Musiker des MiR unterstützt.

Das Annette-von-Droste-Hülshoff- Gymnasium präsentiert eine Musicalfassung des Romans The Secret Garden von Frances H.Burnett, einem Klassiker der englischen Kinderliteratur.

Während die englische Filmfassung von 1993 den Stoff eher romantisch-süß präsentiert, hat sich die Theatergruppe des Droste-Gymnasiums für eine minimalistische, fast intellektuelle Version entschieden und spielt diese in strengen schwarz-weißen Kostümen auf leerer Bühne und mit englischer Tanzmusik – gewöhnungsbedürftig, aber letztlich wohltuend knapp und intensiv. Der klaren englischen Aussprache und einem sicheren Sprachduktus gebührt ein besonderes Lob.

Der Literaturkurs 12 des Leibnizgymnasiums greift dagegen ins volle Jugendlichenleben und benutzt ungeniert die starke Sprache und Gestik dieses Alters. In unbekümmertem Wechsel von der aktuellen Jugendszene zum antiken Götterboten oder zum „hässlichsten Mann auf Erden“ zeigen die 17- bis  19- Jährigen mit viel Spielwitz ihre Sicht des auch sie schon berührenden ewigen Spiels zwischen Liebe, Lust und Frust.

Auch die übrigen Stücke beeindrucken durch Ideenreichtum und Intensität des Spiels. Die Lehrerinnen und Lehrer, oft Anstoß und unverzichtbarer Motor des Theaterspiels in den Schulen, halten sich wohltuend zurück und wirken als „stille“ Regisseure eher hinter der Bühne. Die Kinder und Jugendlichen spielen mit viel Unbekümmertheit, Spiellust  und Witz und verlangen sich selbst viel Sprachdisziplin ab. Wer sich die Besetzungslisten der Stücke anschaut, erkennt sofort, dass in diesen Theatergruppen  die Integration längst praktizierter Alltag ist und keines neuen Integrationsgesetzes bedurft hätte. Die Darsteller vereinen bis zu sechs unterschiedliche nationale Herkünfte auf der Bühne. Die Zuschauer kommen aus unterschiedlichen Motiven in die Vorstellungen. Während es bei den Grundschul-Aufführungen vor allem Eltern, Großeltern und Schüler aus Parallelklassen sind, die ihre jungen Schauspieler agieren sehen wollen, sind die Stücke von Theatergruppen der Sekundarstufen vor allem von gleichaltrigen Mitschülern besucht, die neben dem „Spezi“-Erlebnis auch kommen, weil endlich einmal „ihr“ Theater gespielt wird.

Der Multiplikationseffekt dieser Schülervorstellungen sowie der Schultheatertage überhaupt ist nicht zu unterschätzen. Für alle, die diese Vorstellungen besucht oder gar in ihnen mitgespielt haben, dürfte Schwellenangst vor dem Theater unbekannt sein – und das will im Umfeld dieser Schulen viel heißen.

Am Samstag ist es dann so weit, Preisvergabe durch die Fachjury, die Schülerjury und einen Sonderpreis der Schülerjury. Die Schüler der Malteserschule unter Leitung von Elke Wettingfeld erhalten den Preis der Fachjury für das Stück Langeweile in der Arche, einer Eigenproduktion von Elke Wettingfeld und Ursula Nobiling. Der Preis der Schülerjury geht an die Theater-AG des Ricarda-Huch-Gymnasiums unter der Leitung von Sabine Paul für das Stück Am kürzeren Ende der Sonnenallee, das nach dem Roman von Thomas Brussig in einer Bühnenfassung von Sabine Paul aufgeführt wurde. Nicht zuletzt wird der Sonderpreis der Schülerjury verliehen. Er geht an die Schülerinnen und Schüler der Martin-Luther-Schule unter der Leitung von Ute Dahlke für Peter und der Wolf von Sergej Prokofiew in einer Bearbeitung von Gerhard Buchner und Ute Dahlke.

Mit den Preisen wie den Schultheatertagen generell dokumentieren Theater und Schulen in Gelsenkirchen ein bemerkenswertes Engagement für Kinder und Jugendliche. Sie befinden sich in guter Gesellschaft: Viele Theater führen inzwischen regelmäßig Kinder- und Jugendstücke mit und für junge Zuschauer auf. Die Schultheatertage sind zweifellos ein Highlight in der Szene, zur Nachahmung empfohlen. Die Gelsenkirchener investieren vor allem in die eigene Theaterzukunft.

Horst Dichanz, 11.2.2012

 

Fotos: Opernnetz