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Musikschule fürs Leben


 
 

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Opera Talent - die Stimmen von Morgen

Die Ustinov Opera School ermöglicht Grundschulkindern aus Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf eine spielerische Ausbildung in Gesang, Schauspiel und Bewegung sowie in Sprache und Artikulation. Im Tanzkubus in Gelsenkirchen erlaubten die Kinder nun Einblicke in die aktuelle Probenarbeit.

Ob Kater Moshe,  Cabaret oder Spamelot, diese Schauspieler und Sänger schrecken vor nichts zurück,  obwohl sie erst 8 – 18 Jahre alt sind! Unbekümmert und voll Selbstvertrauen die meisten, treten sie auf die provisorische Bühne im Tanzsaal einer Gelsenkirchener Tanzschule. Im Halbdunkel sitzen etwa 70 Zuschauer: Gäste der öffentlichen Probe, auf der die Opera School Gelsenkirchen Einblicke in das Projekt Opera Talent gewährt.

Hier ist fast alles improvisiert: Das handgezeichnete „Schild“ am Eingang dieses Wohnhauses, das die Tanzschule Swoboda für ihre Kurse nutzt, die Verteilung der Räume auf zwei Etagen, die Prämien-Blumensträuße im Eimer auf der Treppe, die Umkleideräume, die Kostüme, soweit schon erkennbar, die Begleitmusik vom Playback…

Chris Seidler, Komponistin der Musik, Regisseurin und Seele des ganzen Unternehmens betont bei ihrer Begrüßung, dass die Zuschauer Gäste einer Probe seien, in der selbstverständlich gearbeitet würde, Texte und Songs wiederholt, Szenen unterbrochen und mehrfach gespielt würden. Trotz einiger Texthänger merkt man diesen Probencharakter den jungen Damen und Herren zwischen 8 bis 18 Jahren nicht an, wenn sie sich unerschrocken auf die Bühne und in ihre Rollen begeben. Mit kurzen Unterbrechungen folgen Szenen aus einem von Chris Seidel verfassten Stück Kater Moshe.  Sophie Schwerthöffer, 12 Jahre, und Lara Behling, 18 Jahre, treffen sich in einer Duettszene. Dann tragen Berkay Bolat, 10 Jahre, und Emine Maskar, 11 Jahre, gemeinsam das Lied Where is love? aus dem Musical Oliver vor. Auch wenn die beiden Solisten für den Text des Songs noch etwas jung sein dürften, reiben sich die Zuhörer ungläubig die Augen: Woher nehmen diese beiden Grünschnäbel ihren Mut, ihre gesangliche Sicherheit, ihre schon erkennbare Ausstrahlung? Berkay, dessen Migrationshintergrund unübersehbar ist, strahlt eine Selbstverständlichkeit und Ruhe in seiner Rolle aus, die wirklich unglaublich ist. Emine ist ihm eine ebenbürtige Partnerin.

Der „Star“ dieser Probe ist aber zweifellos die zwölfjährige Sophie Schwerthöffer. Zunächst mehr an Tanz und Schauspielerei interessiert, wendet sie sich erst später dem Gesang zu und zeigt nach kurzer Zeit Fähigkeiten,  die  Musiklehrer und Experten überraschen. Wer seine Augen schließt, glaubt von der Bühne eine zwar junge, aber technisch hochversierte Sopranstimme mit erstaunlichem Volumen zu hören. So ist es auch kaum noch eine Überraschung, als die Vertreterin des Vorstandes der Opera School, Beate Rafalski, dem Jungtalent Sophie Schwerthöffer ein Stipendium in der Höhe von 3000 Euro für ihre Musikausbildung überreicht.

Im zweiten Teil des Abends beeindruckt Lara Behling, wie Sophie Preisträgerin des Wettbewerbs Jugend musiziert 2012 mit einer bunten Mischung von Songs aus Cabarat, Marie Antoinette und Spamelot. Ihre Stimme ist schon ausgereifter, ihr Spiel schon reifer, ihr Auftritt macht Staunen. Die SolosängerInnen  werden begleitet von einem rund 20-stimmigen gemischten Chor, in dem Jugendliche frisch und unbekümmert und weitgehend rhythmussicher die Songs begleiten. Dass zahlreiche Mitwirkende aus so genannten Problemstadtteilen kommen und selten ein musiknahes Elternhaus haben, überrascht angesichts der Leistungen um so mehr und zeigt, welche motivierende Kraft in künstlerischer Förderung allgemein und in musikalischer Ausbildung im Besonderen steckt!

Neben Chris Seidler arbeitet der Essener Schauspieler Rezo Tschchikwischwili  mit den Jugendlichen und verrät ihnen vor allem erste schauspielerische Tipps. Die Ustinov Opera School in Gelsenkirchen ist ein Projekt der Opera School. In mehreren Projekten vermittelt sie vor allem  Grundschulkindern eine kindgerechte „Grundschulung“ im Bereich des Musiktheaters mit Schwerpunkten in Gesang, Schauspiel und Bewegung. Sie wird durch öffentliche Gelder, durch die Sir Peter Ustinov Stiftung und durch private Spenden unterstützt. Im Kontext der augenblicklich teils heftig geführten kulturpolitischen Auseinandersetzungen etwa über die Finanzierung der Theater ist sie ein Beispiel für ein gelungenes Finanzierungsmodell einer wichtigen kulturerzieherischen Initiative. Hier treten nicht die schöpferischen Kulturschaffenden mit offener Hand einer kulturfernen Fraktion von Politikern fordernd gegenüber, sondern wenden ihre Kreativität auch auf den Bereich der eigenen Finanzierung an und zeigen damit ihre Produktivität.

Horst Dichanz, 29.6.2012

 


Auf der Bühne fühlen sie sich sicher
und zeigen gern ihr Können - die
Kinder der Opera School.


Berkay Bolat und Emine Maskar
begeistern mit ihrem Liedvortrag.


Schauspieler Rezo Tschchikwischwili ist
nicht nur für Spaß zu haben, sondern
hat für die Kinder auch wichtige Tipps.


Preisverleihung an die
"Nachwuchsstars" Lara Behling
und Sophie Schwerthöffer.


Sophie Schwerthöffer, 12, überzeugt
mit Stimme und Natürlichkeit das
Publikum.

Fotos: Opernnetz