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Die Gunst des Publikums

Was muss das Opernhaus der Gegenwart leisten, um ohne Preisgabe der künstlerischen Eigenständigkeit auf die Bedürfnisse des Publikums einzugehen? Opernnetz hat sich exemplarisch im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier umgeschaut. Hier stehen die Zeichen auf Zukunft.

Die Akzeptanz unserer Publikationen haben sich immer mehr Richtung Internet verschoben", erklärt Christoph Nagler, Pressesprecher des Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR). Im Haus hat man die Erfahrung gemacht, dass immer weniger gedruckte Exemplare des Spielzeitheftes mitgenommen werden. Informationen über das MiR beschaffen sich mehr und mehr Opernfreunde via Internet. Nach Wuppertal, Erfurt und Nordhausen bietet nun auch Gelsenkirchen Applikationen für moderne Mobiltelefone, die so genannten Smartphones, an. Mithilfe eines Anwendungsprogramms können Informationen über das Haus direkt über das Mobiltelefon abgerufen werden. So steht dem Benutzer der komplette Spielplan genauso zur Verfügung wie Informationen zu den einzelnen Stücken. Wer sich unterwegs ein Video zu einer Produktion des MiR anschauen will, kann das ebenfalls tun. Vorstellungen, die man über die App gefunden hat, lassen sich in den eigenen Terminplan ablegen und Freunden mitteilen. Zudem kann man den Newsletter des Hauses abonnieren. Tonbeispiele sind noch nicht verfügbar, seien aber nach Angaben des MiR in Planung. Analog zum gegenwärtigen Internetauftritt des MiR erklingen dann je nach Produktion ganze Arien oder kleinere Ausschnitte. Nagler schätzt, "dass der Trend sich fortsetzen und in fünf Jahren die Hälfte der Häuser in Deutschland über so etwas verfügen wird."

Nicht nur mit dieser technischen Neuerung geht das MiR neue Wege. Auch über das Theaterabonnement hat man sich Gedanken gemacht. Viele Abonnenten schätzen es, über Jahre hinweg denselben Theaterbesuchern während der Vorstellungen zu begegnen. Daran ist nicht zwangsläufig jeder Besucher interessiert; Individualität entspricht dem Zeitgeist. So hat das Haus die so genannten "MiR-Pluspunkte" eingeführt. Was dem Namen nach wie ein Punktesystem aus dem Supermarkt klingt, ist eher als eine flexible Alternative zum klassischen Abonnement zu verstehen. Mit dem Erwerb der Punkte kann der Käufer das Einlösen individuell ausrichten. Welche im Spielplan stehenden Stücke möchte ich sehen? Will ich bei jedem Besuch denselben Platz einnehmen? Will ich einige Inszenierungen häufiger sehen? Muss es unbedingt die Premiere sein, die ich besuche? Mit diesem Service geht das Haus auf konkrete Publikumswünsche ein. "Ich glaube, wir sind das erste Haus, das so etwas eingeführt hat", meint Dieter Kükenhöner, Geschäftsführer des Theaters, der die Idee zu den "MiR-Pluspunkten" hatte. Dieses Punktesystem löst die gängigen Abos allerdings nicht ab, sondern dient als Ergänzung.

Dass sich das MiR Gedanken um sein Publikum macht, zahlt sich aus. Nach einem halben Jahr Zwischenbilanz kann das Haus mit der Resonanz auf sein Programm, das neben populären Opern wie La Traviata oder La Bohème auch eher Unbekanntes wie Isaac Albeniz' Merlin auf den Spielplan gesetzt hat, zufrieden sein. Gut drei Viertel beträgt die Auslastung in der Sparte Oper. Die populären Genres Musical und Operette erreichen eine fast 90-prozentige Auslastung. Beim Ballett, das allerdings ein spezielles Publikum anspricht, ist es mehr als die Hälfte. "Es gibt keine Produktion, wo wir denken: Ohje, ohje! Wir spielen vor leeren Rängen", erzählt Michael Schulz, Generalintendant des MiR. Schulz verweist dabei insbesondere auf Merlin, ein vermeintliches Kassengift, denn die Oper, die vor ihrer Gelsenkirchener Premiere weltweit nur ein einziges Mal auf die Bühne gebracht worden ist, liegt in der Gelsenkirchener Publikumsgunst sogar über dem Schnitt. Erfreulich für ein Haus, das immerhin in unmittelbarer Nähe zu Schwergewichten wie dem Aalto-Theater in Essen oder zur Deutschen Oper in Düsseldorf/Duisburg um die Gunst des Publikums buhlt.

Sascha Ruczinski, 8.3.2012


Michael Schulz, Generalintendant des Musiktheaters im Revier, glänzt mit
ungewöhnlichen Aufführungen.


Dieter Kükenhöner, Geschäftsführer
des Theaters, hat sich die MiR-
Pluspunkte einfallen lassen.


Christoph Nagler, Pressereferent des
Hauses, setzt auf Apps.

Fotos: Pedro Malinowski