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Im Kino


 
 

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Schikaneder trifft Mozart

Das Libretto zur Zauberflöte machte Emanuel Schikaneder berühmt. Jetzt ist er selbst Gegenstand eines Drehbuchs. Im Sommer der Gaukler haben Marcus H. Rosenmüller und sein Team dem Freigeist ein Denkmal der besonderen Art gesetzt.

Die Lage ist im Sommer 1780 ernst, aber – für Optimisten – nicht hoffnungslos. Emanuel Schikaneder strandet mit seiner Schauspieltruppe in einem Bergdorf nahe der österreichischen Grenze, nachdem ihm die Stadt Salzburg keine Spielgenehmigung erteilt hat. Während das Ensemble auf die Erlaubnis wartet, wird die Situation bedrohlicher. Den Schauspielern gehen die Mittel aus, und der Wirt, bei dem sie untergekommen sind, will sein Geld. Schließlich muss Schikaneder fliehen – und trifft auf Wolfgang Amadeus Mozart, der gerade in seiner Kutsche von Paris nach Salzburg in Begleitung zweier Damen unterwegs ist. Die Begegnung beendet Schikaneders Pechsträhne, und es kommt zu einer Ungeheuerlichkeit – eine Aufführung für die Bevölkerung des Bergdorfes. Ende des 18. Jahrhunderts gehört es zu den Privilegien der Reichen, sich selber eine Inszenierung zu gönnen, oft im hauseigenen Theater. Im Dorf verschieben sich die Realitätsebenen. Was auf der Bühne stattfindet, wird für bare Münze genommen.

Der Plot bietet jede Menge Anlass zu Turbulenzen und Spaß. Gut aufgelegte Schauspieler wie Max Thun als Schikaneder, Marie Luise Potthof in der Rolle seiner Ehefrau und Florian Teichtmeister, der einen poppigen Mozart gibt, treiben die Handlung voran, ohne in die Comedy abzurutschen. Barocke Kostüme wirken vor der Gebirgskulisse exotisch und unterstreichen die Fremdheit der Schauspieler in einer kargen Welt, die von Aufbruch und Rebellion gezeichnet ist. Wenn im Verlauf der Aufführung, pardon, des Films, die Erzählebenen sich immer wieder verschieben, ohne dass die Handlung unverständlich wird, wenn die Genres wechseln, entsteht eine Abhandlung über Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung, wie man sie mit diesem Fantasiereichtum wohl selten im Kino findet. Fernab vom Popcorn-Kino, jenseits aller Heimatfilm-Klischees erklärt Rosenmüller den Optimismus zum berechtigten Lebensprinzip, ohne die Darsteller in einer zuckersüßen Melange versinken zu lassen.

Der Sommer der Gaukler zeigt, dass der deutsche Film durchaus Eigenständigkeit besitzt und gerade deshalb viel mehr zu bieten hat als amerikanische Einheitsware. Rosenmüller fabuliert mit Fantasie, Witz, Leichtigkeit und Charme, entwickelt auf der Grundlage des intelligenten Drehbuchs von Robert Hültner und Klaus Wolfertstetter starke, eingängige Charaktere, bei denen es Spaß macht, ihnen 110 Minuten lang zu folgen. Wer sich ab dem 22. Dezember 2011, dann startet der Film bundesweit in den Kinos, nicht von dem unsäglichen Plakat abschrecken lässt, wird im Kino einen sehr vergnüglichen Abend erleben, der durchaus anschließend bei einem Gläschen Wein mit ein paar philosophischen Gedanken über die Welt heute und damals ausklingen kann.

Michael S. Zerban, 18.12.2011

Fotos: if...cinema