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Rap in der Oper


 
 

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Kulturbegegnung im Weichspülgang

In Duisburg soll eine Tosca gerappt werden. Eine Ankündigung, die klingt, als wolle die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg radikal neue Wege gehen. Herausgekommen ist dabei eine Vorführung junger Leute als Alibi-Veranstaltung. Generalintendant Christoph Meyer will das Projekt fortsetzen.

Wollten wir nicht Schlösser bauen?“ So endet ein Rap-Song der Kultur-Schocker Duisburg. Das sind elf junge Leute, die sich an einem von fünf Pilot-Projekten an fünf Theaterstandorten in Nordrhein-Westfalen beteiligen. Verantwortet werden die Projekte vom Aktuellen Forum NRW, einem freien Träger der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, dem Familienministerium des Landes und einer Medienberatung. Beantwortet werden soll die Frage, ob „wieder mehr junge Menschen für die gesellschaftlichen und politischen Inhalte von Oper und Theater interessiert und zur Bearbeitung der Themen gewonnen werden können“. Die Gruppe aus Duisburg hat sich dazu eine Inszenierung der Tosca von Dietrich W. Hilsdorf vorgenommen, die seit zehn Jahren im Repertoire ist und im September im Theater Duisburg wieder aufgenommen wurde. Nach Besuchen der ersten Vorstellungen begannen die Rapper, Hip-Hopper und Breakdancer, ihre Schlösser zu bauen.

In Workshops entwickelten die jungen Leute zu „ihrer Musik“ Texte, die sie aus der Tosca ableiteten. Auf diese Weise entstanden drei Songs, die sich mit den Inhalten dieser italienischen Oper auseinandersetzen. In dem Song Vertrauen nervt Cavaradossi die Eifersucht seiner Tosca. Bei Nacht handelt von der Vision einer erfolgreichen Flucht Cavaradossis und seiner Geliebten aus den Fängen des Polizeichefs Scarpia. Stasera sei come prinicipessa del mi amore heißt es ziemlich poetisch im Refrain, und das ist so anrührend, dass das Lied das Zeug zum Hit hat. Was geht Cavaradossi in dem Moment durch den Kopf, in dem seine Mörder die Abzüge durchdrücken? Vielleicht ist es wirklich Der letzte KussL’ultimo bacio di te – der ihn auf seine letzte Reise begleitet. Die Jungs haben ihre Aufgabe absolut brillant gelöst. Songs, die die intensive Auseinandersetzung mit der Oper erkennen lassen, ohne sich ihr anzubiedern, stehen für Themen, die über den Tag hinausreichen. Texte, die zeigen, dass diese Form der Musik nicht zwingend mit Schmuddel und Endzeitstimmung in Zusammenhang steht, sondern Bestand im Kanon anderer Musikformen haben kann. Christoph Meyer, Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg (DOR), ist begeistert, als er die Songs hört. Schnell ist der Entschluss gefasst: Die Kultur-Schocker müssen auf die Opernbühne. Die Tosca wird gerappt. So oder ähnlich geht es durch die Medien. Ziemlich cool kann das sein, wenn sich die Kulturen mischen und – vielleicht – zu einer neuen Form finden. Doch wie immer, wenn man große Ideen zu lange weichspült, verlieren sie ihre innere Stärke.

Eher Gimmick als Gala

Statt der Rapper, die ihren Letzten Kuss neben dem sterbenden Cavaradossi „performen“, eingetaucht in kühles, unwirkliches Licht von einer anderen Welt; statt eines ergänzenden Vertrauen direkt im Anschluss an die Eifersuchtsszene Toscas, übt die DOR sich in politischer Korrektheit. Die Kultur-Schocker werden zu einer Sonntagnachmittagvorstellung eingeladen. Der erste Song wird gleich mal in die Einführung im Opernfoyer gepackt. Während die Nichtwissenden unten gelangweilt auf den Beginn der Oper warten, bringen die Rapper Vertrauen auf die kleine Bühne im Foyer. Zu Aufführungsbeginn gibt es eine Ansage, dass man den jungen Leuten Gelegenheit gebe, das Ergebnis ihrer Arbeit auf der Opernbühne zu präsentieren. Aber, keine Angst, die Vorstellung wird in keiner Weise beeinträchtigt! Na, da kann das Publikum ja aufatmen. Der Vorhang öffnet sich. Die Kultur-Schocker präsentieren im Bühnenbild der Tosca Bei Nacht. Unter das überwiegend hochbetagte Publikum an diesem Nachmittag haben sich etliche junge Leute gemischt, die sich den Spaß nicht entgehen lassen wollen. Sie sind es auch, die im Rhythmus mitklatschen. Die Älteren halten die Hände fest auf den Knien. Wer allerdings glaubt, das sei ablehnende oder teilnahmslose Haltung, der irrt. „Wenn ich mitgeklatscht hätte, hätte ich den Text nicht mehr gehört. Und den wollte ich mir nicht entgehen lassen“, erklärt ein Besucher in der Pause. Nach dem Song, den die jungen Männer hochprofessionell vortragen, fällt der Vorhang wieder. Die Aufführung der Tosca kann, unbeschadet von allen äußeren Einflüssen, beginnen.

Wenn es gefällt

Das Bühnenbild ist in die Jahre gekommen, und das sieht man ihm auch an. Die Sänger sind weit von einer Höchstform entfernt, und dem Dirigenten gelingt es nicht, die schwierige, aber gerade so notwendige Balance in der Lautstärke zwischen Graben und Bühne zu halten. Da freut man sich geradezu auf den nächsten Auftritt der Rapper. Und so werden sie vom Publikum mit herzlichem Applaus empfangen. An den Letzten Kuss schließt sich eine Breakdance-Nummer an, die auf Fußgängerzonen-Niveau bleibt und auch keinen rechten Bezug zum Thema zeigen kann. Aber das Publikum zeigt sich begeistert von der Akrobatik. Nach dieser erfrischenden Pause geht es dann mit der Tosca auch in gehobener Form weiter, und so ist es das Publikum am Ende des Tages auch zufrieden.

Die DOR hat eine Chance vertan. Von dem großen, künstlerischen Experiment, das es hätte werden können, ist ein Gimmick geblieben, von dem einige Besucher äußerten, es sei nett gewesen, dabei zu sein, aber immer brauche man das jetzt nicht. Intendant Meyer hat geäußert, dass er eine weitere Zusammenarbeit mit den Kultur-Schockern in Erwägung ziehe. Damit hätte die DOR einen neuen Anlauf – und die Gelegenheit, etwas künstlerisch Großes zu schaffen: Die Symbiose zweier Kulturen.

Michael S. Zerban, 17.11.2012

 


Im Foyer gibt es erste Eindrücke vom
professionellen Auftritt der Rapper.


Das Bühnenbild zum ersten Akt ist
Hintergrund für Bei Nacht.


Hier kann auch die Madonna mal als
prinicipessa angeschmachtet werden.


Vor der Engelsburg begeistern die
jungen Künstler mit L'ultima bacio di te.


Beim Breakdance ist das Publikum
von der Akrobatik begeistert.

Fotos: Sascha Kreklau