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So wird gefeiert


 
 

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Auf die Mischung kommt es an

Einhundert Jahre wird das Theater Duisburg alt. Zum Auftakt der Feierlichkeiten hat das Theater die Duisburger auf den Opernplatz zu einem Open-air-Konzert eingeladen. Eine Melange aus Oper, Musical und Filmmusik, die die Generalmusikdirektoren Giordano Bellincampi und Axel Kober zusammengestellt haben, sorgt für einen gelungenen Start.

Pünktlich hat sich der Sommer noch einmal zum heutigen Festtag zurückgemeldet. Lauschig warm liegt der Duisburger Opernplatz im Schatten. Letzte Lichtreflexe der untergehenden Sonne spiegeln sich in den Fensterscheiben. Auf dem Platz herrscht reges Treiben. Schon seit dem Nachmittag lockt das Vorprogramm Schaulustige an die Bühne, die vor dem Haupteingang des Duisburger Theaters aufgebaut ist. Zu beiden Seiten der Bühne sind überdimensionale Monitore aufgestellt, auf denen vorerst verschiedene Einspieler gezeigt werden. Vor der Bühne Sitzreihen, die bis zur ersten Wiese reichen. Nach der zweiten Wiese eine Art Catering-Bereich. Die Terrassen der Lokale im seitlich gelegenen City-Palais mit seiner abstoßenden, menschenfeindlichen Architektur sind längst von den Besuchern in Beschlag genommen.

Vor hundert Jahren sah es hier noch anders aus. Damals hieß der Platz noch König-Heinrich-Platz. Ein Gebäudeensemble aus Landgericht, Tonhalle und offiziell seit dem 7. November nach anderthalbjähriger Bauzeit auch das Theater friedete eine parkähnliche Anlage ein. Dass das Theater überhaupt gebaut werden konnte, lag nicht in der Vision eines Kulturpolitikers, sondern eher daran, dass die Duisburger Bürgerinnen und Bürger die Bausumme von drei Millionen Goldmark aufbrachten. Damit dürfte wohl schon zu jener Zeit das Gerücht eines kulturfernen Ruhrgebiets ad absurdum geführt sein.

Wir schreiben den 22. Dezember 1942. Es ist später Nachmittag. Soeben ist die Tannhäuser-Aufführung zu Ende gegangen. Die Besucherinnen und Besucher befinden sich auf dem Heimweg, als ein weiterer Bombenangriff auf Duisburg beginnt. Das Theater wird getroffen und fast vollkommen zerstört. Erst 1950 ist das Gebäude wieder hergerichtet und kann erneut in Betrieb genommen werden. Glücklicherweise bleibt die eindrucksvolle Fassade erhalten.

Von den Wechselfällen der Geschichte ist am heutigen Abend nicht die Rede. 6.000 Besucherinnen und Besucher haben sich nach offiziellen Angaben bei freiem Eintritt auf dem Opernplatz versammelt. Absperrgitter regeln Laufwege, ein Großaufgebot an privaten Sicherheitskräften achtet auf den ordnungsgemäßen Ablauf. Es ist die erste Großveranstaltung seit der verhängnisvollen Love-Parade. Trotzdem ist die Stimmung entspannt. Auch von den zurückliegenden Querelen, die die drohende Auflösung der so genannten Opernehe bewirkt hat, bleibt heute Abend nur die Erinnerung an die gezeigte Solidarität der Duisburger mit ihrem Theater, die Oberbürgermeister Sören Link bei seiner Eröffnungsansprache ins Gedächtnis ruft.

Auf der Bühne geht es, um es freundlich auszudrücken, funktional zu. Dicht gedrängt sitzen die Duisburger Philharmoniker. Hinter ihnen Platz für einen gut aufgelegten Chor und Extrachor der Deutschen Oper am Rhein. Vorne an der Rampe bleibt nur ein schmaler Steg für Sänger und Gäste. So konzentrieren sich die Besucher immer wieder auf das Geschehen, das auf den Monitoren gezeigt wird. Michael Pötters begeistert mit einer wunderbaren Bildregie. Er hat eindeutig Ahnung vom Geschehen auf der Bühne, so dass er mit drei Kameras eine gekonnte Mischung aus Großaufnahmen, Halbtotalen und Totalen abliefert, die im Ergebnis besser ist als manche Fernsehaufzeichnung dieser Tage. Trotz einer ausgesprochen mittelmäßigen Ausleuchtung, die die Akteure an der Rampe oft genug im Halbschatten erscheinen lässt, entstehen so auf den Monitoren eindrucksvolle Bilder. Auch Kornelia Bittmann wird so ins rechte Licht gerückt. Ihre Moderation ist hinreißend. Flüssig, selbstsicher, pointiert und sachkundig führt sie das Publikum durch das Programm, bindet die Interviews der beiden Dirigenten, Giordano Bellincampi und Axel Kober, mit intelligenten Fragen ein und vermag ganz nebenbei noch einen Fluss in das Programm zu bringen, der dem Tempo der Musik entspricht.

Das Klassik Open Air – so fantasievoll haben die Verantwortlichen das Jubiläumskonzert anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Duisburger Theaters genannt – zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Mischung fernab der üblichen „Top Ten von Opernarien“ aus. Bellincampi eröffnet schwungvoll mit der Ouvertüre von Bernsteins Candide. Um gleich mit Ausschnitten aus Leoncavallos Pagliacci und Mascagnis Cavalleria Rusticana nachzulegen. Bellincampi ist seit dieser Spielzeit Generalmusikdirektor der Duisburger Symphoniker – und schon ist da eine Verbundenheit zu spüren, die eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte dieses Orchesters nach der Ära Darlington verspricht. Axel Kober, den in der vergangenen Woche der Ruf für ein Dirigat in Bayreuth erreichte, begeistert das Publikum mit der Ouvertüre aus Korngolds The Sea Hawk und mit der Filmmusik von Independence Day. Da darf es schon mal ein zusätzlicher Kunstschlenker mit dem Taktstock sein, Hauptsache, die Show stimmt. Aber das geht in Ordnung. Das Publikum mag das. Und der Habitus unterstreicht das hohe Tempo, das an diesem Abend durchgehalten wird. Der „italienisch-dänische Duisburger“, wie Bellincampi sich selbst im Interview bezeichnet, löst Kober noch einmal mit Ausschnitten aus Gershwins Porgy and Bess ab, ehe der mit dem Triumphmarsch der Aida Furore macht und nach den standing ovations locker zwei James-Bond-Melodien absolviert. Solche Programmvielfalt kann die Duisburger Symphoniker wahrlich nicht überfordern – ganz im Gegenteil. Die Musiker gehen jedes Tempo mit und lassen sich auch mit „Populärem“ nicht aus der Reserve locken. Selbst dann nicht, wenn Bülent Akşen das Duisburglied anstimmt und das begeisterte Publikum zum Mitmachen animiert. Auf ihr Orchester können die Duisburger gar nicht stolz genug sein.

Auch bei den SängerInnen verlässt die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg (DOR) endlich einmal eingetretene Pfade – mit Erfolg. Präsentiert wird Brigitta Kele, Neuzugang in dieser Spielzeit aus Paris. Es wird nicht lange dauern, wenn nicht schon längst geschehen, ehe jemand die platte Assoziation der „Goldenen Kele“ finden wird. Die bildhübsche rumänische Sopranistin wird an der DOR großartige Erfolge feiern. So viel steht spätestens nach ihrem Auftritt auf der Open-Air-Bühne fest. James Bobby gehört zu den Überraschungserfolgen im Ensemble der DOR. Sein I got plenty o’nuttin begeistert das Publikum. Ebenso wie die faszinierende Stimme von Florian Simson. Wenn der Tenor im klassischen Repertoire so einschlägt wie mit seinem It ain’t necessarily so aus Porgy and Bess, wird die DOR erneut mit ihren SängerInnen Geschichte schreiben.

Während Bellincampi seine Symphoniker ein letztes Mal aufspielen lässt, na gut, ein wenig plakativ, ein wenig laut, aber was macht das nach diesem Abend schon, erhellt ein kleines, aber feines Feuerwerk den Hintergrund des Theaters, das auch nach hundert Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Dass es sich um ein Theater für die Duisburger handelt, ist übrigens eine Mär. Spätestens an der Ausfahrt des Parkhauses stellt sich heraus, dass es ein Theater für das ganze Ruhrgebiet ist. Und das ist gut so.

Michael S. Zerban, 9.9.2012

 


Das Video des Theaters Duisburg gibt
einen schönen Überblick über die
Geschichte des Bauwerks.


Wo Schilller draufsteht, muss Theater
drin sein.


6.000 Gäste feiern begeistert mit.


Giordano Bellincampi ist bei den
Duisburger Philharmoniker
angekommen. Nach diesem Abend
auch bei den Duisburgern.


Brigitta Kele ist neu im Ensemble der
DOR. Unter anderem als Mimi und
Nedda wird sie die Düsseldorfer und
Duisburger begeistern.


Axel Kober lässt sich ein paar Show-
Einlagen nicht nehmen. Das Publikum
gibt ihm Recht.


Zu den Klängen der Duisburger
Symphoniker steigt im Hintergrund
des Theaters das Feuerwerk auf.

Fotos: Opernnetz