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Solidarität macht Mut


 
 

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Dies Irae in Duisburg

Gleich vier Veranstalter haben zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, für die die Deutsche Oper am Rhein das Theater Duisburg zur Verfügung gestellt hat. Ein Abend der Solidarität, der vor allem der Jugend zeigt, wie wertvoll intelligenter Widerstand ist.

Bis in die Ränge besetzt ist das Duisburger Theater, in das gleich vier Veranstalter zu einer Informationsveranstaltung über die finanziellen Nöte der Oper und der Philharmonie, die kulturpolitischen Absichten der Stadtverwaltung und die Haltung des Rates hierzu eingeladen haben. Mit großem künstlerischen Aufgebot und prominenten politischen Gästen versuchen der Freundeskreis der Deutschen Oper am Rhein, die Ballettfreunde, die Gesellschaft der Freunde der Duisburger Philharmoniker und der Verein proDuisburg öffentlichkeitswirksam über die akute Gefährdung der Theaterehe Düsseldorf-Duisburg zu informieren und politisch-kulturelle Unterstützer für ihre Fortsetzung zu gewinnen. Die gibt es reichlich. Bereits das Eingangsvideo mit Sympathieadressen zahlreicher Prominenter deutet die Breite der Unterstützung an.

Mit einem fetzigen Chor gibt ein Duisburger Schülerchor und das Trio CrossOper im Song Bildung ist Zukunft  die Überschrift für diesen Abend. Doris König, Vorsitzende der Freunde der Duisburger Philharmoniker, und Hermann Kewitz, Vorsitzender von proDuisburg, skizzieren knapp die politische Situation um die „bewährte Kooperation Düsseldorf-Duisburg“ und fordern eine Fortsetzung ohne Einschränkungen. In einer ob ihrer Absurdität beklemmenden Bearbeitung und Kommentierung von Schuberts Unvollendeten stellt der Cellist der Philharmoniker Friedmann Dressler eine effektivierte Bearbeitung der Schubertschen Partitur vor, die das Orchester unter Leitung des populären Bellincampi zum Klingen bringt. Wenn dann die bei Schubert vorgesehenen 18 Violinen „wegen Doppel- und Dreifacharbeit“ auf eine minimiert werden oder  „das Spielen von Sechzehntel-Noten“ auf- oder abgerundet werden soll, lässt sich ohne Mühe, aber mit Sparwillen die üblicherweise rund 24 Minuten dauernde Schubertversion auf 4 Minuten deutlich effektiviert verkürzen – ein herrlich erfrischender, gleichzeitig desillusionierender und schmerzender Kommentar zu den Folgen eines „phantasielosen Streichkonzerts“ und den Grenzen des Effektivitätsdenkens in der Kunst.

Von dem mit acht Personen aus der Kulturszene reichlich besetzten und von Stefan Keim sachkundig und zielsicher geführten Podium hat es der Düsseldorfer Kulturdezernent Janssen besonders schwer. Viele Zuhörer können mit seinem Grundbekenntnis zu einem Kulturhaushalt von mindestens fünf Prozent des Stadtetats einerseits und seinen Erläuterungen der von ihm zu exekutierenden Kürzungsauflage von zwanzig Prozent nichts anfangen und werfen ihm Heuchelei und Scheinheiligkeit vor. In seiner Moderation weist Keim auf den Widerspruch hin, dass für  viele Gemeinden in  der Lokal- und Regionalpolitik das hohe Lied der Kooperation gesungen wird, die helfen kann, Finanzen zu sparen und gemeinsame Ressourcen zu schaffen. In Duisburg dagegen soll eine über 60 Jahre bestehende und bewährte Kooperation wegen kurzfristiger Engpässe gekündigt werden. Alle Vertreter auf dem Podium sprechen sich uneingeschränkt für die Fortsetzung der Kooperation zwischen Duisburg und Düsseldorf aus.

Die Bedeutung von Oper und Philharmonie spielt für das Ansehen und die Attraktivität der gebeutelten Stadt Duisburg eine große Rolle. Mehrere Besucher unterstreichen im Gespräch einen in der öffentlichen Diskussion selten artikulierten Aspekt:

Neben den repräsentativen und öffentlich wahr genommenen Aufführungen in den beiden Theatern haben die Duisburger eine erstaunliche Verästelung ihrer Arbeit erreicht, die weit über die Programme im Haupthaus hinausreicht. Bei einer Schmälerung des Theater- und Konzertangebotes fürchten sie den Verlust der vielen Anregungen und Bildungsaktivitäten, die in die Schulen, zu Privatmusiklehrern und von diesen bis in die einzelnen Familien reichen und dort ein frühes Musikinteresse und ein buntes Musikleben anstoßen, das Jahre später seine Früchte bringt. Außer den in Orchester und Chor mitwirkenden Kindern und Jugendlichen bestätigt dies eindrucksvoll die erstaunliche Biographie des in Duisburg geborenen populären Violinisten Frank Peter Zimmermann. Sichtlich bewegt und authentisch erzählt er von seinen frühen Begegnungen mit der Musikszene in Duisburg, die ihm die Chancen bot, sich zu einem internationalen Violinstar hochzuarbeiten.

Mit Mozarts Dies irae aus seinem Requiem fassen der Chor und zahlreiche Solisten der Oper am Rhein Podium und Statements kraftvoll zusammen und beschließen diesen sehr gut besuchten Abend mit dem angemessenen Ruf „Gente! Gente! All´armi, all´armi!“.

Viele Besucher gehen von diesem facettenreichen Abend begeistert und optimistisch nach Hause. Jedoch - die entscheidenden Abstimmungen stehen noch bevor. Gewicht der Argumente, Authentizität und Originalität sind leider nicht die Münzen, mit denen in der Politik gehandelt wird. Keim kann in seiner Abmoderation nun schon von 35.000 Unterschriften in den Unterstützerlisten berichten. Auch wenn der Abend als kulturpolitische Veranstaltung ein voller Erfolg ist, bleibt sein kulturpolitisches Gewicht ungewiss.

Nach der gemeinsamen Sitzung der Kulturausschüsse beider Städte am 5. Juni warten alle Betroffenen gespannt auf die vermutlich entscheidende Sitzung am 25. Juni 2012 im Duisburger Rathaus.

Horst Dichanz, 31.5.2012

 


Zahlreiche Briefe und Zeichnungen der
Solidarität hingen im Foyer während
der Veranstaltung aus. Es zählt: nicht
das Deutsch, sondern das Herz.


Der Duisburger Kulturdezernent
Janssen versteckt sich nicht, sondern
versucht auf dem Podium, seine
schwierige Position zu verdeutlichen.


Der Duisburger Schülerchor, eigens für
diesen Abend einstudiert, schmetterte
Bildung ist Zukunft.


Auch die Solisten der Deutschen Oper
am Rhein zeigen sich mit Duisburg
solidarisch. Das kommt beim Publikum
gut an.


Bis in die Ränge ist das Theater an
diesem Abend gefüllt. Die Besucher
fühlen sich nach der Veranstaltung
bestärkt, obwohl die eigentlichen
Entscheidungen noch anstehen.

Fotos: Opernnetz