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Gut aufgestellt


 
 

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Am Ende einer großen Woche

Das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein ließ sich eine Woche lang im Meisterkurs von Helen Donath verzaubern. Den Erfolg zeigten die sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Abschlusskonzert in der Kunsthalle Düsseldorf.

Für die erste Meisterklasse der Spielzeit 2012/13 hat die Deutsche Oper am Rhein niemand Geringeren als die Kammersängerin Helen Donath verpflichtet. Die gebürtige Amerikanerin begeistert seit 1962 die Welt mit ihrem lyrischen Sopran. Noch im vergangenen Jahr begeisterte sie als Ms Grose in The Turn of the Screw in Köln das Publikum. Seit vier Jahren erst widmet sich Donath auch der Ausbildung des sängerischen Nachwuchses in Form von Meisterkursen, Vorlesungen und Einzelübungen. „Ich schaue mir an, was die jungen Leute können, und gebe Tipps, wie sie ihre Stimme schonen und vergrößern können. Vorschreiben will ich ihnen nichts“, gibt Helen Donath das Ziel der Woche für ihre Schützlinge an der Deutschen Oper am Rhein vor. Gleich zu Beginn des Kurses wird klar: Sie ist eine Meisterin der Technik. Nicht ums Gefühl, um die große Geste geht es. „Wenn die Technik stimmt, kommt der Rest von selbst“, erklärt die überaus charmante und humorvolle Sängerin.

Mechthild Hoersch, Künstlerische Leiterin des Opernstudios, hat den Saal in der Kunsthalle Düsseldorf schlicht, aber sorgfältig einrichten lassen. Die Stuhlreihen sind bis auf den letzten Platz gefüllt. Vor den Bildern der Kunsthalle begleitet Christian Dammann im Scheinwerferlicht die Teilnehmer des Opernstudios wie stets sparsam und konzentriert. Intendant Christoph Meyer leitet mit einer erfreulich kurzen Eröffnungsrede ein, Helen Donath findet ein paar hinreißende Worte des Willkommens, dann haben die Absolventen der Meisterklasse das Wort. Sie alle haben in jungen Jahren schon Lebensläufe wie die Tagebücher eines Handlungsreisenden. Nach dem Studium zahlreiche Engagements, Meisterkurse, Reisen, und viele von ihnen haben schon erste Preise und Stipendien eingeheimst. Trotzdem: Das Konzert nach einem Meisterkurs ist etwas Besonderes. Helen Donath hat in der letzten Reihe Platz genommen. Sie will nicht, erzählt sie, dass die Sängerinnen und Sänger für sie, sondern für sich selbst singen. Anders als im Programm angegeben, eröffnet der Bass Felix Rathgeber den Reigen. Seine Stimme ist von angenehmer Wärme, weich und rund, noch differenziert in der Tiefe. Hier reift ein ganz Großer heran. Rathgeber gehört neben Aïscha Tümmler und Paul-Stefan Onaga zu den Neuzugängen dieser Spielzeit im Opernstudio. Mit Aus dem Flusse bringt er das Publikum in Stimmung, schafft einen weiteren Höhepunkt des Abends mit der Arie des Rocco aus FidelioHat man nicht auch Gold beineben – und lässt es am nötigen Schalk nicht fehlen. Bei den Damen eröffnet Maria Kataeva mit der Arie des Cherubino Non so più cosa non, cosa faccio aus Le Nozze di Figaro, und sie beschließt den Abend mit einem wirklichen Highlight, wenn sie temperamentvoll das Publikum mit Près des remparts de Séville aus Carmen begeistert. Seit ihrem ersten Tag im Opernstudio vor einem Jahr gab sie Anlass zur Hoffnung, inzwischen hat sie viel an Selbstbewusstsein gewonnen. Heute Abend hat sie an ihrem Gesang einfach Spaß, geht aus sich raus – und dann gerät ihr Vortrag von sehr beachtenswert zu einfach großartig. Ganz ähnlich wie bei Luiza Fatyol, die Rezitativ und Arie der Susanna Giunse alfin il momento … Deh vieni, non tardar aus Le Nozze di Figaro mit üblich verhaltener Geste und ein wenig künstlich klingend vorträgt. Das kennen wir so. Bei der Arie der Musetta Quando me’n vo soletta aus La Bohème reißt sie sich plötzlich vom Flügel los, traut sich zwischen die Zuschauerreihen und entwickelt Temperament, begeistert entfesselt das Publikum. Ein ganz großer Moment. Wie hat Helen Donath gesagt? „Jetzt könnt ihr singen. Wenn ihr es strömen lasst, lernt ihr zu fliegen.“

Ihren Einstand gibt an diesem Abend Aïscha Tümmler mit Batti, batti, o bel Masetto, der Arie der Zerlina aus Don Giovanni und der Arie des Ännchen Kommt ein schlanker Bursch gegangen aus Der Freischütz. Ihr Gesang frei, hell und kräftig in den Höhen; es irritiert die Mimik, die ein bisschen an das spitzbübische Lächeln einer Operettendiva erinnert. Bedeutend weniger Mimik gibt es bei Attila Fodre, der die Canzonetta des Don Giovanni Deh vieni alla finestra und später Come paride vezzoso, die Arie des Belcore in L’elisir d’amore zum Besten gibt. Letzteres „mit Schmelz und Schmackes“, erklingt sein Bariton voll, rund und differenziert – allein, das letzte Feuer fehlt. „Ihr müsst brennen“, hat die Donath ihren Schützlingen zugerufen.

Und damit wohl am ehesten noch Jessica Stavros inspiriert, die ihren Sopran in Tu che la vanità, der Arie der Elisabeth aus Don Carlos, mehr noch aber in der Ballade der Senta aus dem Fliegenden Holländer in dramatische Höhen treibt, auch wenn er da noch ein wenig metallisch-scharf klingt. Das Dramatische liegt ihr, daran hat sie Spaß, vor allem im Ausdruck, und es gelingt ihr auf diesem doch schon hohen Niveau, das Publikum zu fesseln und mitzunehmen. Ein großer Abend für die Stavros, ganz sicher. Eine angenehme Überraschung ist auch Tenor Paul-Stefan Onaga, der aus der „Kaderschmiede“ von Intendant Meyer stammt, von der Hochschule für Musik Gheorghe Dima in Rumänien. Onaga liegt das Italienische, wie er einwandfrei mit der Arie des Nemorino Una furtiva lagrima aus L’elisir d’amore und ganz wunderbar mit der Arie des Herzog Questa e quella in Rigoletto beweist. Der Jungtenor singt heute schon mit einer Reife, die für die Zukunft nur das Beste hoffen lässt.

Das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein ist in der aktuellen Spielzeit bestens aufgestellt. Und es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Karrieren der Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiter entwickeln. Das Publikum ist hingerissen und dankt mit Bravo-Rufen und intensivem Applaus. Ein rundherum gelungener Abend. Zu dessen Erfolg sicher auch Helen Donath beigetragen hat, die sich bei ihren Schützlingen mit Küsschen und Umarmungen bedankt. Natürlich, so ist sie, die Kammersängerin.

Michael S. Zerban, 4.11.2012

 


Maria Kataeva geht bei Près des
remparts de Séville
aus sich heraus
und zeigt damit, was sie wirklich drauf
hat. Am Klavier in bewährter Form:
Christian Dammann.


Reife Leistung, zu der jetzt noch das
Feuer kommen muss: Attila Fodre
überzeugt mit schönem Gesang.


Felix Rathgeber, neues Mitglied im
Opernstudio, überrascht das Publikum
mit einem wunderbaren Bass.


Ihr Drama heißt Wagner. Mit der
Ballade der Senta überzeugt Jessica
Stavros das Publikum.


Die keck hochgezogene Augenbraue
irritiert etwas. Trotzdem hat Aïscha
Tümmler mit ihrem Einstand schon
jetzt die Sympathien auf ihrer Seite.


Paul-Stefan Onaga spürt an diesem
Abend Demut vor seinem Beruf. Und
das macht ihn richtig gut.


Luiza Fatyol, die sich derzeit in der
Salome auf der großen Bühne in
Zurückhaltung und Demut üben muss,
stürmt in die Zuschauerreihen und
entfesselt sich selbst.

Fotos: Opernnetz