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Exklusiver Songabend


 
 

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Sponsorenglück

In Polen ist man schon weiter. Da hängen links und rechts der Bühne große Plakate, die auf die Sponsoren hinweisen. In Deutschland geht man andere Wege. Da werden die Sponsoren mit Sängerleistungen im eigenen Haus bedacht. Das ist legitim. Kennen wir seit dem Mittelalter, als der König zur persönlichen Unterhaltung Schauspielgruppen zu Hofe lud.

Der Kö-Bogen in Düsseldorf ist umstritten. Ursprünglich sollte damit die Achse zwischen Königsallee und Hofgarten geschlossen werden. Stattdessen ist ein Riegel zwischen die beiden Anlagen geschoben worden, der dazu noch die Dekadenz der Landeshauptstadt zu unterstreichen scheint. Eine weitere shopping mall für die Besserverdienenden ist da entstanden; unter anderem hat eine Kaufhauskette Quartier bezogen, die „die schönen Dinge des Lebens“ anbietet. Darunter versteht der Betreiber Markenartikel im hohen Preissegment. Dieses Kaufhaus ist auf die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg zugekommen und hat sich als Sponsor angedient.

Im Gegenzug lädt die Oper Gäste zu einer Veranstaltung im Kaufhaus ein. CrossOper exklusiv nennt sich der Abend, an dem die überwiegend älteren Gäste am Rande der Damenoberbekleidung auf Plastikstühlen vor einem Podest Platz nehmen, auf dem ein Flügel, ein Schlagzeug, ein E-Bass, ein elektronisch verstärkter Bass und Mikrofone zu sehen sind. Ziemlich viel Technik für einen Opernabend. Das Kaufhaus hat sich überdies nicht lumpen lassen und eine Beleuchtungsfirma angeheuert, die mit kleinen Effekten und vielen Farben absolut angemessene Arbeit leistet. Der Aufwand an Technik wird nicht die einzige Überraschung des Abends bleiben. Drei Musiker nehmen ihre Plätze ein: Ville Enckelmann am Klavier ist hauptberuflich Repetitor an der Rheinoper, René Lozynski an den Bässen verdient sein Geld ansonsten als Orchesterinspektor und Ralf Zartmann am Schlagzeug ist freiberuflicher Schlagwerker. Gemeinsam haben sie sich den etwas sperrigen Namen trio crossOper circle of friends gegeben. Während die drei sich sortieren, verkündet Christoph Meyer, Intendant der Deutschen Oper am Rhein, dem Publikum gute Nachrichten für Düsseldorf. Luiza Fatyol, seit 2011 als Sopranistin Mitglied des Opernstudios, wird zur kommenden Spielzeit ins Ensemble der Rheinoper übernommen. Da weiß man nicht, wem man mehr gratulieren darf. Dass Fatyol ebenfalls erst in diesem Moment, also kurz vor ihrem Auftritt, von der Entscheidung erfährt, darf man getrost als kleinen Stresstest bezeichnen. Das Publikum jedenfalls applaudiert ausgiebig.

Dann kann das etwa einstündige Konzert beginnen. Leichte Arienkost im Konsumtempel? Weit gefehlt. Zum Auftakt präsentiert die Band ein eigenes Arrangement von Michael Jacksons Beat it. Das ist grooviger Jazz mit dem Bass als Lead-Instrument. Lozinsky gibt auch gleich ein starkes Solo zum Besten, um schon mal auf das folgende Programm einzustimmen. Witzig, weil selten zu sehen: Der Schlagwerker spielt nach Noten. Was dem Stück in dem Fall nichts nimmt. Dann heißt es Bühne frei für den ersten Solisten. Bassbariton Günes Gürle ist seit Jahren im Ensemble der Rheinoper und dort gern mal für die „schwarzen“ Stimmen zuständig. Eben noch begeisterte er in der Familienoper Vom Mädchen, das nicht schlafen wollte. Heute Abend präsentiert er sich bewusst als locker-leicht verschmitzter Entertainer, der mit samtigem Bass den Evergreen Everybody loves somebody intoniert. Der Song wurde bereits 1947 komponiert, berühmt wurde er, als Dean Martin damit die Frauenherzen höher schlagen ließ. Dass Gürle den Text ablesen muss, ist hier noch kein Problem. Ärgerlich wird es bei Nel blu dipinto di blu, besser bekannt als Volare. Hier verschenkt Gürle mit seiner schönen Stimme viel Potenzial. Aber auch er kann dem Welthit nichts anhaben, und so singt das Publikum mit, wie es sich seit 1958 gehört, als das Lied auf dem San-Remo-Festival in Italien vorgestellt wurde und den weltberühmten Wettbewerb gewann. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein, wie professionell das denn eigentlich ist, zumal der Text von Volare durchaus überschaubar ist. Bei Fly me to the moon aus dem Jahr 1954, das die meisten wohl in der zehn Jahre jüngeren Fassung von Frank Sinatra kennen, klappt es mit dem Ablesen schon besser, und so kassiert Gürle zu Recht Bravo-Rufe. Die ersten Bravo-Rufe des Abends erntet allerdings Luiza Fatyol mit Maledetta primavera, dem verfluchten Frühling, der in San Remo 1981 bei seiner Vorstellung lediglich auf Platz zwei kam, später aber ebenfalls ein Welthit wurde. Fatyol singt eine eigene Version, die schlicht unter die Haut geht. Ihre Bühnenpräsenz zeigt eine ungezwungene Laszivität, die die einer Bar-Sängerin um ein Vielfaches toppt. Das gelingt ihr schon beim ersten Auftritt mit Sway, der Cover-Version eines Mambos von 1953, mit dem Dean Martin große Erfolge feierte. Martin hätte allerdings nach der Interpretation von Fatyol den Song nicht mehr gesungen. Bei Fever, dem Abschluss-Song des Abends, hat man schon erotischere Fassungen gehört, obwohl die berühmteste vermutlich immer noch die von Elvis Presley ist; trotzdem braucht sich die Sopranistin mit ihrer Version nicht zu verstecken. Am beeindruckendsten ist allerdings die Bandbreite, mit der Fatyol ihre Stimme präsentiert. Das geht von der sauber gesungenen Höhe bis zum Alt, von der attraktiven Sängerin geradezu spielerisch intoniert. Die Rumänin muss sich für die Zukunft ernsthaft überlegen, ob ihr die Oper reicht, oder ob sie es mit ihrer brasilianischen Kollegin Cristiane Roncaglio hält, die sich mit CDs brasilianischer Pop-Kultur ein zweites Standbein aufbaut.

Mehr Selbstbewusstsein schadet nicht

Florian Simson, seit 2009 im Ensemble der Rheinoper, ist eindeutig textsicher und kann seinen Tenor zum Beispiel in Beyond the sea oder I got rhythm wunderbar ausspielen, hadert aber noch ein wenig mit der Bühne. Insofern möchte man ihm eigentlich mehr solcher Auftritte wünschen, weil er Charisma hat und mit ein wenig mehr Übung sicher einen wunderbaren Entertainer abgibt. Wenn es um Tonight aus der West Side Story geht, das er mit Elisabeth Selle sehr gefühlvoll und stimmstark präsentiert, fragt man sich mehr als einmal, warum die Sänger Mikrofone benutzen müssen. Vielleicht, weil es besser aussieht…

Selle, seit vielen Jahren Ensemble-Mitglied, ist ebenfalls zuletzt im Mädchen, das nicht schlafen wollte, positiv aufgefallen. Trotz etlicher Einsätze blieb ihr Name bislang eher im Hintergrund. Das ist schade. Im Kaufhaus wird klar, warum: Sie hat eine dieser interessanten Stimmen, die ganz Besonderes bieten, aber für das Übliche schwer zu besetzen sind. Mit ihrem Ich gehöre nur mir und Die Kleptomanin an diesem Abend setzt sie Kontrapunkte, die umso mehr gefallen.

Zugegeben, es kommt nicht so oft vor, dass Opernsängerinnen und -sänger in die Verlegenheit kommen, dass eine Zugabe gefordert wird. Wenn sie sich allerdings auf einen solchen Abend einlassen, darf man vielleicht doch so viel Professionalität erwarten, dass sie mit einer Zugabe rechnen. Stattdessen wird erst diskutiert, wie man mit einer solchen Forderung umgeht. Gut, dass die Band einspringen kann, wenn gar eine zweite Zugabe gefordert ist. Und so endet der Abend mit einem kräftigen Tequila.

Pflichtpunkt: Wiederholung

Möglicherweise wäre ein Programmheft im Vorfeld doch hilfreich gewesen, um das Publikum nicht ganz so sehr mit einem ungewöhnlichen Programm zu überraschen. So geht das große Kompliment eindeutig an das Publikum, das sich sehr schnell auf die veränderte Situation einstellt. Und größten Gefallen daran findet. Christoph Meyer darf an diesem Abend beim Abschied viel Dank einstreichen, nachdem das Publikum sehr enthusiastisch mitgegangen ist und ganz offensichtlich viel Spaß an den Evergreens hat. Das Konzept des Abends stimmt, und vielleicht gelingt es der Rheinoper ja noch, es einem größeren Publikum vorzustellen.

Michael S. Zerban

 


Gruppenbild mit Damen: Nach einem
erfolgreichen Abend lassen sich
Intendant Christoph Meyer und
Geschäftsführer Andreas Rebbelmund
gern mit den Akteuren fotografieren.


Auch das zweite Volare des Abends
lässt Reserven offen. V.l.n.r.: Luiza
Fatyol, Florian Simons, Elisabeth Selle
und Günes Gürle.


Renè Lozynski, eigentlich Orchester-
Inspektor bei der Rheinoper, macht
am Bass eine richtig gute Figur.


Eine zweite Zugabe? Das ist das
Opernpersonal überfordert. Die Band
rettet mit dem Jazz-Song Tequila.

Fotos: Paul Esser