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Lampenfieber ganz oben

Beim Gesangswettbewerb Neue Stimmen finden derzeit die Vorauswahlen an 22 Orten weltweit statt. So auch in Düsseldorf an der Rheinoper. Die Kandidaten hier sind vermutlich genau so aufgeregt wie auf der ganzen Welt.

Der Andrang zum Gesangswettbewerb Neue Stimmen dieses Jahr war so enorm, dass die Bewerbungsfrist verlängert werden musste. Insgesamt gingen fast anderthalb Tausend Anmeldungen ein. Die Vorauswahlen finden derzeit in 22 Orten weltweit statt. Mit dabei: Brian Dickie, ehemaliger Leiter des Chicago Opera Theater, besucht in seiner Funktion als Juror und Leiter der Vorauswahlen, alle Vorsingen, um die hohe Qualität des Wettbewerbs zu sichern. Auch an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf sucht er zusammen mit Intendant Christoph Meyer nach jungen Talenten. Unterstützt werden sie durch Ines Koring, Projektmanagerin des Wettbewerbs bei der Bertelsmann Stiftung. Düsseldorf ist eine von drei Städten in Deutschland, wo Sängerinnen und Sänger vor die Jury treten, in der Hoffnung, das Finale in Gütersloh zu erreichen.

Spätestens jetzt lernt jeder Sänger, der zum Vorsingen antritt, dass der Weg nach ganz oben beschwerlich ist. Schon der Probenraum liegt im sechsten Stock. Oben angekommen, werden die Sängerinnen und Sänger von Mitarbeiterinnen der Bertelsmann-Stiftung eingewiesen. Ein langer Flur birgt neben Stühlen zum Warten, Toiletten und Räumen zum Einsingen schließlich den Saal mit herrlicher Aussicht auf Düsseldorf, wo es ernst wird. Sechs Gruppen mit jeweils neun bis zehn Sängern sind am ersten Nachmittag eingeplant. Kurzfristige Änderungen gibt es immer: Einige melden sich krankheitsbedingt ab, anderen macht die Deutsche Bahn einen Strich durch die Rechnung. Eine Sopranistin kommt mit anderthalb Stunden Verspätung in Düsseldorf an und darf in einer späteren Gruppe vorsingen. Eine andere Sängerin, die an diesem Nachmittag vor die Jury tritt, ist Engjellushe Duka. Die albanische Studentin an der Folkwang Hochschule in Essen hat bereits vor zwei Jahren teilgenommen und nur um einen Punkt den Einzug in die Finalwoche verpasst. Für den lyrischen Sopran ist ganz klar, warum sie in diesem Jahr einen neuerlichen Versuch startet: „Ich will überprüfen, ob ich mich weiterentwickelt habe, weil immer auf der Suche bin, was ich verbessern kann.“ Vor der Jury singt sie mit langem Atem ihre Wunscharie Zeffiretti lusingheri aus Idomeneo vor und verwandelt sich anschließend auf Weisung von Dickie mit dem Czárdás Klänge der Heimat in die Rosalinde aus der Fledermaus. Die beiden Juroren folgen hochkonzentriert dem Wunschkonzert der Arien. Schnell bemerkt der Hörer, wie sehr sich die Teilnehmer in Kampf gegen die Nervosität, um ihre Techniken bemühen. Trotzdem sind qualitativ deutliche Unterschiede zu hören. Aus der Sängerschar ragt der Bariton Bogdan Baciu heraus, der mit einem mitreißendem Eri tu aus dem Maskenball einen blendenden Eindruck hinterlässt und sich schon mal für Gütersloh empfiehlt.

Neue Preisträgerstruktur

Erfahrungsgemäß werden maximal zwei oder drei Sänger die Finalwoche erreichen. Für Ines Koring, die Projektmanagerin des Wettbewerbs ist besonders das Finalkonzert spannend, denn zum ersten Mal wird die Jury mit einer neuen Preisträgerstruktur die Sieger ehren. Anstatt wie bisher nur eine Neue Stimme als Gewinner neben fünf weiteren Preisträgern auf den Plätzen zwei bis sechs zu prämieren, werden in diesem Jahr jeweils die ersten drei der Männer und der Frauen die Preisträger sein – und so wird es eine weibliche und eine männliche Neue Stimme geben. Für Koring liegen die Vorteile des Systems auf der Hand: „Schon in der Vergangenheit ist uns aufgefallen, dass vor allem diejenigen, die einen ersten, zweiten oder auch dritten Platz gewonnen haben, ihre Platzierung im Finalkonzert in ihren künstlerischen Lebenslauf aufgenommen haben. Dadurch, dass es nun zweimal den ersten bis dritten Platz gibt, werden auch diese besser wahrgenommen.“ Auch die Konkurrenz innerhalb der Stimmlagen ist nun deutlich höher und macht auch die Arbeit für die Jury nicht einfacher. „Wenn man unter den ersten drei Frauen zum Beispiel drei Sopran-Stimmen hat, wird die Jury sehr genau hinhören müssen, welcher Sängerin man welchen Platz zuweist.“ Nur noch das Procedere der Preisträgervorstellung müsse geklärt werden, da es sich gegenüber früher leicht verändern wird. Glücklich ist die Projektmanagerin, dass sowohl Schirmherrin und Stiftungspräsidentin Liz Mohn als auch Jury-Vorsitzender Dominique Meyer, Intendant der Wiener Staatsoper, dieser Veränderung so offen gegenüber stehen. „Es ist ein Testlauf, und im Oktober werden wir sehen, wie die Veränderungen bei den Sängern, bei der Jury und beim Publikum angekommen werden. Dann werden wir uns wieder zusammensetzen und evaluieren, ob das der weitere Weg der Neue Stimmen ist.“

Große Logistik

Neu ist diese Preisträgerstruktur freilich nicht. Auch beim Wettbewerb Operalia, ursprünglich von Placido Domingo ins Leben gerufen, wird auf diese Weise prämiert. Ines Koring hat keine Sorge, dass sich die beiden Wettbewerbe zu sehr ähneln. „Allein durch diese aufwändigen, kostenintensiven und selbst organisierten Vorauswahlen heben wir uns von allen anderen internationalen Gesangswettbewerben ab.“ Auch die intensive Betreuung der Sänger sowie die weitere Zusammenarbeit mit den Finalisten nennt sie als bedeutendes Merkmal für den Wettbewerb. Ebenso zufrieden ist sie mit der Jury des Wettbewerbs und räumt mit einem Vorurteil auf: „Natürlich dürfen auch Schüler unserer beiden Gesangsprofessoren in der Jury, Siegfried Jerusalem und Francesco Francisco Araíza , am Wettbewerb teilnehmen. Es versteht sich aber von selbst, dass sie im Falle ihres Schülers nicht mit bewerten.“ Somit kann man eine unvoreingenommene Jury in Gütersloh erwarten, die im Oktober die Neuen Stimmen beurteilen wird. Bis dahin ist noch viel zu tun. Allein die Logistik, alle Sänger nach Gütersloh zu bringen, ist ungemein aufwändig. Natürlich ginge das in Metropolen wie Berlin einfacher, doch es gibt einen guten Grund für den Standort Gütersloh. „Liz Mohn hat mit viel Geschick und Mühe eine Kulturszene in und um Gütersloh aufgebaut. Daher wäre es das falsche Signal, das Finale des Wettbewerbs hier wegzunehmen“, begründet Koring. Außerdem mache vor Ort der Sitz der Bertelsmann-Stiftung auch einiges wieder wett. „Es ist ein Riesen-Apparat, der zu steuern ist, aber zum Glück haben wir ja Kollegen und Mitarbeiter, die alles geben und mit vollem Herzen hinter diesem Projekt stehen.“ Unvorhergesehene Ereignisse machen die Aufgabe nicht leichter: Die Jahrhundertflut in Deutschland trifft Jury-Mitglieder und Sänger gleichermaßen. Ebenso ein Streik, der Rom lahmlegt. Der Wettbewerb wird nach der letzten Vorauswahl Anfang August in Mexico-Stadt in seine heiße Phase eintreten und bis zum Finalkonzert im Oktober dauern. Vielleicht findet sich unter den glücklichen Finalisten auch ein Teilnehmer aus Düsseldorf wieder.

Christoph Broermann, 20.6.2013

 


Im sechsten Stock der Rheinoper in
Düsseldorf findet die Vorauswahl für
die Neuen Sitmmen statt. Für den
Ausblick hat hier niemand rechten
Sinn.


Ein karger Flur vor dem Probensaal
muss das Lampenfieber der Sänger
aushalten
.


Der Probensaal in der Rheinoper
beeindruckt durch Größe und gute
akustische Bedingungen.


Brian Dickie, Ines Koring und
Christoph Meyer sitzen den
Vorauswahlen vor und versuchen,
für die Sänger eine angenehme
Atmosphäre zu schaffen, sofern das
überhaupt möglich ist.


Das Ziel aller Wünsche: In der
Stadthalle von Gütersloh findet das
Finale des Gesangswettbewerbs Neue
Stimmen auch in diesem Jahr wieder
statt.