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Die Lust des Streichens


 
 

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Sachsen-Anhalt macht Theater

Die Kulturszene in Sachsen Anhalt macht Theater – und dies zum wiederholten Male, mit Recht und aus schlechtem Grund. Landesweit gehen Theater- und Kulturfreunde auf die Straße, Halles Geschäftsführer Siska sieht sein Haus – schon wieder – vor der Insolvenz und spricht unverblümt von „Sterbehilfe“, in Dessau muss Generalintendant André Bücker mit offenen Verträgen leben. Am 21.5.2013 kommt es unter dem Motto 5vor12 landesweit zu einer Protestaktion, an der sich viele tausend Kulturliebhaber in ganz Sachsen-Anhalt beteiligen. Auf der gemeinsamen Abschlussveranstaltung in Halle/Saale sind die großen Theater alle vertreten, von den Bühnen Halle, dem anhaltischen Theater in Dessau, dem Theater Magdeburg bis zum Theater der Altmark Stendal. Der Zorn, die Enttäuschung, die Empörung sind landesweit, sehr verständlich und berechtigt.

Dachte Anfang 2013 die Kulturwelt noch, die Häuser könnten sich endlich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren, nachdem der von der Landesregierung für Sachsen-Anhalt eingesetzte Kulturkonvent, eine überparteiliche Expertengruppe‚ seine Empfehlungen vorgelegt hatte, sehen sie sich ein weiteres Mal getäuscht. Aus den Gängen des Landtages dringen Gerüchte, wonach die vom Kulturkonvent vorgeschlagenen landesweiten jährlichen Fördermittel von 85 auf 75 Millionen gekürzt werden sollen. Viele Kulturschaffende betrachten diese Überlegungen der Landesregierung als kulturellen Kahlschlag auf ganzer Linie. Sie würden für Halle einen Fehlbetrag von mehr als drei Millionen Euro im derzeitigen Haushalt bedeuten. Die von einigen Kulturpolitikern laut gedachten Vorschläge, die kommunalen Zuschüsse oder bestimmte Steuern anzuheben, sind fern jeder Realität.

Nur das ist die eine Seite! Die Betrachtung der anderen, der politischen Seite, hält auch einige Überraschungen bereit: Der Kulturkonvent übergibt am 28. Februar 2013 seine sorgfältige Bestandsaufnahme, begonnen im Oktober 2011 und fern jeder Parteipolitik, und seine Empfehlungen dem Landtagspräsidenten.

In ihr finden sich unter anderem folgende bemerkenswerte Zahlen: Die Zuschüsse für die Theater- und Orchesterförderung betragen im Bund 13 Euro pro Einwohner, in Sachsen-Anhalt 16 Euro. Das liegt damit über dem Bundesdurchschnitt. Der Anteil dieser Förderung am Kulturetat lag in den vergangenen zehn Jahren immer über 30 Prozent und erreicht im Jahr 2013 mit 43 Prozent seinen bisher höchsten Anteil, er ist der größte Einzelposten im Kulturetat. Sollte der Kulturetat wie geplant gekürzt, die Theater- und Orchesterförderung auf derzeitigem Niveau beibehalten werden, bedeutet das eine Kürzung in allen anderen Kultursektoren. André Bücker, Generalintendant in Dessau, bringt es auf den Punkt: „Niemand wird vom Tod des anderen im Kulturbereich profitieren.“

Der Kulturkonvent empfiehlt, wohlmeinend und aus Sicht der Häuser dringend erforderlich, die Orchester- und Theaterförderung zu erhöhen, unter der Voraussetzung, dass der Kulturetat auf 100 Millionen Euro erhöht wird. Die derzeitige Debatte deutet an, wie weit auch diese Empfehlung von der politischen Realität entfernt ist.

Die Kommission nimmt auch die Kulturträger in die Pflicht, von denen sie Strukturentscheidungen erwartet, „die ab 2019 auch zukünftig tragfähige Theater- und Orchesterstrukturen sichern“. Hiervon ist in der Debatte nichts zu hören. Lediglich Bücker spricht in seinem kurzen Statement in Dessau von der Notwendigkeit eines Zusammengehens von Kultur, Bildung und Wissenschaft, für die es jetzt Ansätze gäbe. Das wäre tatsächlich eine neue, stärkere Phalanx im Verteilungskampf um den Landesetat. In einem Theaterblog des Halle Zentrum gehen zwar viele Blogger auf Steuersätze, Haushaltslöcher und Eintrittspreise ein, kaum einer scheint aber die direkten Sparauflagen für die Theater und den realen Engpass der Landespolitik wahrzunehmen. Das ist überraschend.

Die augenblickliche Sorge und Erregung um Theaterschließungen und Etatkürzungen in Sachsen-Anhalt signalisiert, dass diese kulturpolitische Auseinandersetzung erst begonnen hat. Ob sie ein erster bitterer Vorgeschmack auf Auseinandersetzungen in anderen Bundesländern ist?

Horst Dichanz

 


Die Menschen in Sachsen-Anhalt
gehen für die Kultur auf die Straße
– bei allen schlechten Nachrichten ein
wunderbares Signal.


Der 2013 eingesetzte Kulturkonvent
erfüllte die Menschen mit Hoffnung,
die sich jetzt nicht erfüllt.


André Bücker, Generalintendant des
Theaters in Dessau, ruft zur
landesweiten Solidarität auf.
Einzelinteressen schaden jetzt nur.


Der Flächenbrand kommt näher. Die
Menschen sind nicht bereit, sich die
Kultur nehmen zu lassen. Auch und
schon gar nicht von Politikern, in
Sachsen-Anhalt nicht und auch nicht
in anderen Bundesländern.

Fotos: Opernnetz