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NEWS 

Opernfestival in Polen


 

Erfolgreich und einzigartig

Maciej Figas, Intendant und GMD, spricht zuversichtlich über die Opera Nova in Bydgoszcz (5'57).

 

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Stadt im Aufbruch

Bydgoszcz, das kennen die älteren Deutschen noch als Bromberg. Im ehemaligen Westpreußen gelegen, kam die Stadt 1920 zu Polen. Heute ist Bromberg eine der größten polnischen Städte, bedeutendes Industrie- und Handelszentrum sowie Universitätsstadt. Bydgoszcz ist wohl den wenigsten als Opernmetropole bekannt. Aber hier findet in der ersten Maihälfte eines jeden Jahres das einzige Opernfestival in Polen statt. Und einen internationalen Anspruch gibt es auch. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall.

Polen ist ein ganz besonderes Land. Kaum ein Land in Europa wurde so oft geteilt, in kaum einem anderen Land Europas haben die Menschen so zu leiden und für ihr Glück zu kämpfen gelernt, wie in Polen. Vielleicht deshalb lieben sie zwei Dinge  ganz besonders: Die Heimat und die Freiheit. In Bydgoszcz lieben die Menschen noch mehr: Ihre Stadt und ihre Oper. Die Stadt erwacht gerade langsam aus dunklen Zeiten. An allen Ecken und Enden beginnt sie zu blühen, auch wenn das Grau und die Bausünden der Vergangenheit noch sehr das Stadtbild prägen. Aber das ist das Gefühl, das der Besucher der Stadt sofort bekommt: Hier hat der Bewusstseinswandel eingesetzt. Alte, verbrauchte Jugendstilhäuser warten schier darauf, saniert zu werden, warten, so verkünden es die Schilder, auf die neuen Investoren, die bereit sind, die einst blühende Stadt wieder zum Leuchten zu bringen. Die Hoffnung ist sicher, dass nicht nur Banken und Großkonzerne dafür sorgen, dass die Stadt in Zukunft aussieht, wie andere Großstädte auch, sondern dass es Investoren gibt, die interessiert daran sind, das Gesicht der Stadt zu erhalten. Aber wer in Bydgoszcz wohnt, hat noch eine weitere Liebe, und die heißt Opera Nowa und liegt an der Brda, durch eine Brücke mit dem Museumsviertel verbunden, eine Straße vom Stadtzentrum entfernt. Für diese Oper haben die Bewohner der Stadt vor nunmehr zwanzig Jahren zu kämpfen begonnen.

So entstand in Polen das erste und bis heute einzige Opernfestival – aus der Not geboren, mit viel Solidarität unterstützt und heute eine der wichtigsten Veranstaltungen in dem Land mit seinen gerade mal elf Opern. 800 Plätze gilt es pro Aufführung zu besetzen. Und bei den Hauptveranstaltungen sind regelmäßig 700 bis 800 Karten vergeben. Das ist bei der hohen Qualität der Aufführungen nicht unbedingt ungewöhnlich. Ungewöhnlich wird es, wenn der Abend beginnt. Dann versammeln sich Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Sie haben sich fein gemacht, ohne allzu traditionell daherzukommen. Die Damen von 14 bis 80 elegant-modern, die Jungs betont lässig, aber herausgeputzt, die Herren oft im dunklen Anzug, aber genau so oft ohne Krawatte. Die Jugendlichen erscheinen bevorzugt als Pärchen, wobei schnell klar ist, wer in die Oper wollte und wer die gute Miene macht. Aber gerne auch in Grüppchen von sechs bis acht Personen. Sie alle sind gekommen, um ein Ereignis zu feiern. Deshalb wird hier auch kaum eine Aufführung ohne Pause stattfinden. Weil sonst das Foyer – ein schöner Wintergarten mit zwei Bars  – und vor allem die Terrasse ungenutzt blieben. Und das will nun wirklich keiner. Hier ist Zeit zu schlendern, Bekannte zu treffen und sich das Leben bei zivilen Preisen gut gehen zu lassen.

Ganz entspannt im Hier und Jetzt geht es nach der Pause ins demokratisch gebaute Theater zurück. Hier bemüht sich die Festivalleitung unter Generalmusikdirektor und Intendant Maciej Figas, abwechslungsreiche Höhepunkte zu schaffen. In der Regel wird ein besonderer Regisseur eingeladen, ein Stück für die Oper zu inszenieren, eine oder mehrere Inszenierungen werden aus anderen Ländern eingekauft. Ansonsten soll das gesamte Spektrum des Musiktheaters inklusive Ballett und Musical vom durchweg jungen und talentierten Ensemble abgebildet werden. Zwischen diesen Höhepunkten gibt es Veranstaltungen von beispielsweise Musikhochschulen aus ganz Polen, Konzerte von der Musikakademie; da verbirgt sich so manche Perle, die es im kleinen Saal zu entdecken gilt. Das gefällt den Menschen in Bydgoszcz. Und so findet das Festival zahlreiche Förderer aus der Stadt, die auch ganz ungeniert im Zuschauerraum präsentiert werden. Eigentlich: Warum auch nicht? Zwei Plakate an den Seitenwänden werden wohlwollend zur Kenntnis genommen – schließlich kennt man die Förderer ja – ehe man sich auf das Geschehen auf der Bühne konzentriert. Da ist die Durchsage im Kinosound nerviger, die auf Handy- und Fotografierverbot hinweist und mit Harfenklängen abschließt. Aber die Zeit braucht das Publikum, um noch Sitzplätze zu finden, die günstiger scheinen.

Nach der Vorstellung, wenn in deutschen Spielstätten heftiger Applaus die Schauspieler, Sängerinnen, Statisten und Choristen blitzartig zur Applausordnung auf die Bühne treibt, zeigen die Polen, wenn man das Bild überspitzen möchte, wie sie ihr Land nach vorne bringen wollen. Rhythmisches Klatschen wird beharrlich, bis sich der Vorhang wieder hebt.

Beharrlichkeit als Tugend wird auch dazu führen, dass im kommenden Jahr das 20-jährige Jubiläum des Festivals gefeiert werden darf. Wie jedes Jahr in der ersten Maihälfte. Wie groß die Feier werden wird, hängt von den Sponsoren ab. Bis zur sprichwörtlich letzten Sekunde werden sie angesprochen, um so viele Höhepunkte als irgend möglich anbieten zu können. Das ist für die Festivalleitung oft mühsam, und sicher könnte man die Zeit ja auch künstlerisch wertvoll nutzen, aber es gehört mit dazu, den Bürgerinnen und Bürgern von Bydgoszcz das Beste zu bieten, was geht. Und so ist die Zeit der Sponsorensuche dann doch gut investiert.

Die Opera Nowa erhebt nicht den Anspruch, einen Placido Domingo oder eine Anna Netrebko nach Bydgoszcz zu holen. Das wäre großkopfert und würde in der Stadt nicht gut ankommen. Aber seitdem auch die Stadt wieder zu leben beginnt, zahlreiche Straßencafés entstanden sind, ein Museumsviertel die Nachbarschaft der Oper schmückt, das Musikerviertel mit Theater, Philharmonie, Gymnasium, Universität und Skulpturenpark wieder ein echter Hingucker ist, können die Verantwortlichen sich auch vorstellen, Gäste von außerhalb zu empfangen, sich also der Welt, mindestens der Kulturwelt zu öffnen, um zu zeigen, wie man ein aufwändiges, abwechslungsreiches und doch recht intimes Festival mitten in Polen auf die Beine stellt. Die Zeit ist reif.

Michael S. Zerban, 1.5.2012


Seit 2006 hat die Oper von Bromberg
eine neue Spielstätte - die Opera
Nova. Hier findet alljährlich das einzige
Opernfestival Polens statt.


In der unmittelbaren Umgebung der
Oper findet sich eine neue Parkanlage
mit einigen Museen.


Die Brücke über die Brda wird in naher
Zukunft durch eine historische
Rekonstruktion ersetzt. Der Seiltänzer
balanciert seit dem EU-Beitritt Polens
über dem Fluss.


Bromberg bietet ein vielfältiges
kulturelles Angebot.


Das Bromberger Stadtbild wird vom
Jugendstil geprägt. In jüngeren Jahren
ist ein Stilmix entstanden, der nicht
immer zum Vorteil der Stadt gerät.