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Filmkonzert


 
 

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Nibelungen einmal anders

Filmkonzerte liegen voll im Trend. Eine neue Herausforderung für Komponisten, Dirigenten und Orchester. Helmut Imig hat sich auf das "neue Fach" spezialisiert und eine Menge Spaß daran.

Die Verbindung des Nibelungen-Themas mit Musik löst sicher bei vielen Menschen die unmittelbare Assoziation Richard Wagner aus. Doch es gibt noch mehr Facetten. Fritz Langs monumentaler Stummfilm aus den 1920er Jahren ist durch den von Lang selbst damit beauftragten Komponisten Gottfried Huppertz mit Musik unterlegt worden. Spätestens die Rekonstruktion der Originalfassung des Films, die im vergangenen Jahr erstmalig in der Deutschen Oper Berlin gezeigt wurde, hat großes Interesse daran ausgelöst – und nicht nur an diesem Stummfilm.

Live mit Orchester begleitete Stummfilme nehmen in den Spielplänen von Konzerthäusern und Theatern eine kontinuierlich wachsende Bedeutung ein. Die Filme Fritz Langs erleben dabei einen besonderen Boom. Sowohl Metropolis von 1927 – auch dieser Film kam 2010 in einer restaurierten Fassung heraus – und Die Nibelungen von 1924 sind inzwischen regelmäßig zu erleben. Aber auch der Silhouetten-Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed von Lotte Reininger aus dem Jahr 1926 kommt – als eine Art früher Form des späteren Zeichentrick- und heutigen Animationsfilms – wieder zur Aufführung. Damit sind nur einige prominente Titel erwähnt. Begleitend zu den Filmvorführungen erklingt entweder die originale Filmmusik, wie etwa die von Gottfried Huppertz geschaffenen Musiken zu Fritz Langs Werken. Immer wieder fühlen sich Komponisten aber auch dazu inspiriert, durch neue Filmmusik den Bildern vergangener Zeiten Klänge von heute entgegen zu setzen, wie es zum Beispiel dem 1958 geborenen Argentinier Martin Matalon mit seiner Musik zu Metropolis nachhaltig gelungen ist.

In Anbetracht der Fülle der Veranstaltungen drängt sich die Frage auf, was den besonderen Reiz an diesen Projekten ausmacht und warum sich gerade und immer wieder Dirigenten, die erfahrene Operndirigenten sind, mit diesem Thema beschäftigen. Ist es nur die Tatsache, dass viele Stummfilmmusiken vordergründig opernhaften Charakter haben oder führt das ganze sogar so weit, dass Aufführungen zumindest bestimmter Stummfilme mit ihrer originalen oder auch mit neu geschriebener Musik Charakteristika eines musiktheatralen Ereignisses haben?

Zu den derzeit eifrigsten deutschen Dirigenten, die sich verstärkt um Filmkonzerte kümmern, gehört Helmut Imig. Er begann seine Karriere als Korrepetitor und Kapellmeister an verschiedenen Opernbühnen und widmet sich seit den 80er Jahren verstärkt außergewöhnlichen bis experimentellen Konzertprojekten und hat dabei seine große Liebe zum live begleiteten Stummfilm entdeckt. Mit Metropolis steht kommendes Jahr eine Reihe von Konzerten mit der Neuen Philharmonie Westfalen an, mit dem Staatsorchester Braunschweig führte er diesen Film bereits auf, dazu kam jetzt Die Nibelungen. Im Rahmen des 25. Internationalen Filmfestes Braunschweig standen am Abend des 11. November in der Stadthalle beide Teile des monumentalen Films – Siegfried und Kriemhilds Rache – auf dem Programm. Für den Dirigenten und das Orchester, aber auch für die Zuschauer stellt ein solches Vorhaben höchste Anforderungen an die Konzentration dar, dauern beide Teile doch jeweils gut zwei bis zweieinhalb Stunden.  Fritz Langs in jeder Hinsicht eindrucksvolle filmische Umsetzung des Epos in derart komprimierter Form zu erleben, hat großen Reiz. Zumal dann, wenn ein so fabelhaft musizierendes Ensemble wie das Staatsorchester Braunschweig und der vor Energie nur so strotzende Helmut Imig die Musik Gottfried Huppertz‘ so plastisch erlebbar machen. Huppertz hat genau verinnerlicht, was seinerzeit en vogue war – auf den Opernbühnen vor allem Schreker, Korngold, Strauss, ein wenig Zemlinsky, im sinfonischen Bereich noch immer Gustav Mahler. Von allen Zutaten ist hier etwas zu hören, Huppertz hält sich fern von jedweden Wagner-Zitaten, schreibt eine Musik, die mehr ist als atmosphärisches Beiwerk zum Bild. Nuancen und Regungen auf der Leinwand finden da in kongenialer Weise Entsprechung im Orchester, die Musik trägt in ihrer feinen Abstimmung auf die Schauspieler theatrale Züge. Und sie emotionalisiert stark, woran Helmut Imig zumal an diesem Abend entscheidenden Anteil hatte.

Der Dirigent kam durch einen Zufall zum Filmkonzert. Nachdem er bereits auf 30 Jahre Erfahrung als Operndirigent zurückblicken konnte, bekam er die Anfrage, die von Pietro Mascagni komponierte Musik zu dem Stummfilm Rapsodia Satanica von Nino Oxilia aus dem Jahr 1917 zu dirigieren. Das war für ihn die Initialzündung, sich mit dem Thema Stummfilmkonzerte intensiv zu beschäftigen und zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit auszuweiten. So hat er sich in Deutschland zu einem wahren Spezialisten dafür entwickelt. Im Hinblick auf die Nibelungen-Musik sagt Imig ganz klar, dass sie überhaupt keine opernhaften Züge trage – dafür habe sie im speziellen Bezug auf die Dramaturgie des Films starke musikdramatische und letztlich auch musiktheatrale Qualitäten. Und die stellen an ihn große Herausforderungen. „Wenn ich anfange zu dirigieren, ist noch nichts synchron von den nächsten zweieinhalb Stunden. Ich mache das in dem Moment, wenn die Szene es erfordert. Das Erlebnis, dass das jetzt genau in dem Moment vor den eigenen Ohren entsteht, macht für die Zuschauer den Reiz solcher Filmkonzerte aus.“ In dieser sensiblen Abstimmung zwischen Orchester und filmischer Szene hat der Filmmusikdirigent sogar ähnliche Aufgaben wie ein Operndirigent – er muss die Szene ständig im Blick haben und unmittelbar darauf reagieren können. „Diese beiden Zeitstränge Film und Musik miteinander zu verbinden, ist für mich eine schöne sportliche Herausforderung“, sagt Imig. Und für den gleichermaßen musiktheater- wie filmaffinen Zuschauer ist ein solches Erlebnis eine bereichernde Alternative zum Opernalltag.

Christian Schütte, 21.11.2011

Informationen zu aktuellen Filmkonzertprojekten gibt es hier.

 


Dirigent Helmut Imig hat sich auf Filmkonzerte spezialisiert.


Die Nibelungen werden mit Live-Musik unterlegt, ...


... entweder mit den Original-Filmmusiken ...


... oder neu komponierten Werken.

 

Fotos: Helmut Imig von Wolfgang Kleber, sonst Filmphilharmonic Edition