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NEWS 

Kaum Oper in Barcelona


 
 

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Eine Spur von Hoffnung

Eine leichte Entspannung ist aus dem Gran Teatro del Liceo in Barcelona zu melden. Am 22. Februar 2012 gibt das Opernhaus bekannt, dass es den umstrittenen Teilzeitbeschäftigungsplan (ERE) nicht weiter verfolgt und Maßnahmen zur Wiederinkraftsetzung des Spielplans ergreift. 

Als Operndirektor Joan Francesc Marco am 1. Februar 2012 aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten einen Notfallplan veröffentlicht, der die Suspension von Teilen des Spielplans der aktuellen Saison mit einer Gesamtdauer von zwei Monaten vorsieht, hat er offenbar nicht mit der schlagkräftigen Organisation seiner Belegschaft gerechnet. Schon im Vorfeld hat es mehrfach Manifestationen des Personals auf Barcelonas Prachtstrasse La Rambla vor dem Liceo gegeben. Jetzt ist eine Online-Petition geschaltet: EL MANIFIESTO SOBRE LA SITUACIÓN DEL GRAN TEATRO DEL LICEO. Man fordert die Ablösung von Joan Francesc Marco und wirft ihm ungeschicktes Verhalten bei Verhandlungen mit den Geldgebern und in der Mittelakquise vor. Binnen kurzem liegen 2500 Unterschriften vor.

Michael Boder, Generalmusikdirektor des Liceo seit der Saison 2008/09, wendet sich in einem engagierten Schreiben an den Operndirektor und wirbt um Zurücknahme der geplanten Schließzeiten. Er warnt davor, dass jede Reduzierung des Angebots auch zur Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Opernorchesters beitrage. Die nächste Eskalationsstufe ist die Streikdrohung der Arbeitnehmer gegen die gerade anstehende Stagione mit 18 Aufführungen von Giacomo Puccinis La Bohème, ein ultimatives, von vielen Mitarbeitern, die sich den Opern- aficionados verbunden fühlen, nur zögerlich befürwortetes Mittel. Die La-Bohème-Vorstellungen sind gut verkauft und mit Foirenza Cedolins und Ramón Vargas in einer Inszenierung von Giancarlo del Monaco unter der musikalischen Leitung von Víctor Pablo Pérez auch prominent besetzt. Am 22. Februar 2012 einigen sich Arbeitnehmervertreter und Direktion auf die Zurücknahme des ERE und die teilweise Wiederinkraftsetzung des Spielplans. Die Arbeitnehmervertreter bieten einen freiwilligen Gehaltsverzicht im Gesamtwert von 1,4 Mio. Euro an, ein Vorschlag, der seit Beginn der Krise schon lange im Raum steht, von der Leitung aber beständig ignoriert wurde. Für den Spielplan gerettet wird ohne Einschränkungen allerdings nur Pelléas et Mélisande von Claude Debussy im Juni und Juli 2012, für Alexander von Zemlinsky kommt schon aus Probenzeitgründen jede Rettung zu spät. El Giravolt de maig von Eduard Toldrà wird im Palau de la Música Catalana am 11. Juni mit dem Orchester des Opernhauses nur konzertant aufgeführt. Mit der Inszenierung von El Giravolt de maig sollte dem 50. Todestag Toldràs (1895-1962) gedacht werden. Toldrà, geboren im nahe gelegenen Vilanova i la Geltrú, war Violinist, Komponist und Dirigent und eine prägende Figur im Musikleben Barcelonas.

Weitere Einsatzmöglichkeiten für Chor und Orchester auch ausserhalb des Liceo als Alternative für die abgesagten Vorstellungen werden derzeit noch geprüft. Ein auf den 22. April angesetztes Gala-Konzert mit populären Opernchören ersetzt das avancierte Programm El otro Pelléas. Inhaltlich setzt man also weiterhin auf die leichter bekömmliche Muse als Maßnahme gegen die Krise. Dieser Ansatz liegt auch der Stückauswahl des abgesagten Programms zugrunde. Zemlinsky und Debussy werden obsolet, während sich Puccini, Verdi und Cilea weiterhin im Spielplan halten. Joan Francesc Marco scheint nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch den Horizont seiner Zuschauer zu unterschätzen.

La Bohème ist auch die letzte Inszenierung im Rahmen des Audiovisuellen Programms des Liceo. Die Aufführung am 13. März wird direkt in mehr als 300 Kinos in 18 Ländern übertragen - darunter etwa 80 in Spanien und über 150 in den USA. Der Wegfall der nicht kostendeckenden Übertragungen ist ebenfalls Teil des Sparplans und hat ein Volumen von etwa 500.000 Euro.

Dirk Ufermann, 13. März 2012


Die Mitarbeiter des Gran Teatro del
Liceo sind zum Gehaltsverzicht bereit.


Vorerst bleiben hier die Lichter an.


Intendant Joan Francesc Marco beugt
sich dem Druck der Belegschaft.