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Ungewisse Zukunft


 
 

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Wahnfried oder Ärgersheim

Mit zweijähriger Verzögerung, einer stattlichen Kostensteigerung und etlichen juristischen Turbulenzen konnten die auf dem Gelände der Villa Wahnfried angesiedelten Gebäude frisch renoviert und, um einen gläsernen Museumsneubau erweitert, der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Probleme sind allerdings noch längst nicht gelöst.

Wahnfried oder Ärgersheim“: Bevor Richard Wagners Wähnen in seinem luxuriösen Bayreuther Domizil 1874 seinen Frieden finden konnte, brachte ihm der Bau viel Ärger ein. Da geht es dem heutigen Leiter des Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, nicht besser. Fünf Jahre war das Haus geschlossen, die Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten verzögerten sich um zwei Jahre und die Baukosten stiegen auf 20 Millionen Euro an. Die Stadt als Eigentümer der Gebäude überzog Friedrich als Leiter des von der Wagner-Stiftung getragenen Museums mit Abmahnungen, die er gerichtlich abwehren will. Und allen Sonntagsreden zum Trotz ist der Streit um die Kosten für den laufenden Museumsbetrieb nicht beigelegt. Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe konnte auf der Eröffnungsfeier keine Gewähr für den Betrieb über 2015 hinaus garantieren.

Gleichwohl: Derartige, Wagners eigener Biografie durchaus würdige Querelen schienen weitgehend vergessen, als der zum Museumsareal erweiterte Alterssitz des Bayreuther Meisters in frischem Gewande am Sonntag offiziell dem Publikum übergeben wurde. Und auch Wagners Ur-Enkelin Nike Wagner aus dem am Grünen Hügel weniger gern gesehenen Wieland-Zweig des Clans ging in ihrer Festrede sanft mit den Museumsmachern um und schwelgte in fast verklärten Erinnerungen an eine nahezu unbeschwerte Kindheit in der Villa.

Was zu sehen ist, ist original

Schön, dass die prächtige Allee, die den Zugang zum Haupteingang der Villa ursprünglich schmückte, wiederhergestellt wurde. Drei Komplexe umfasst das von einem Park mit den Gräbern Richard und Cosima Wagners sowie des Hundes Russ flankierte Gelände. Im Zentrum steht die Villa in ihrem Gründerzeitprunk, in der die Räume des Erdgeschosses, also der Salon, das Empfangs- und das Esszimmer, nach authentischen Fotografien soweit wie möglich in den Originalzustand versetzt wurden. Das gilt auch für die Malereien der aufwändigen Kuppel und die filigranen Wandtapeten, so dass Cosima Wagners „Lila Salon“ in wirklich violettem Licht erscheinen kann. Von der oberen Etage sind keine verlässlichen Dokumente über den Urzustand erhalten, so dass sich Friedrich hier in recht nüchterner Umgebung mit Dokumenten aus dem Leben Wagners in Wahnfried begnügt. Die „Schatzkammer“ im Keller zeigt, aktuell zur Neuinszenierung des Tristans, sämtliche Autographe zur Entstehung des Werks aus Wagners Hand. Die Handschrift der Partitur ist wie auf einem Altar aufgebahrt, vor einer goldenen Büste des Meisters prangend. Die einzige sakrale Anwandlung in der ansonsten betont sachlichen Ausrichtung der Renovierungsphilosophie. Friedrich legt Wert auf die Authentizität der Ausstellungsstücke, speziell der Möbel und Accessoires. Was zu sehen ist, ist original. Was nicht mehr vorhanden ist, wird durch leinenüberzogene Platzhalter angedeutet. So sieht mancher Raum aus, als wäre Wagner gerade auf Reisen.

Die Dokumente zur Aufführungsgeschichte der Bayreuther Festspiele werden in einem gläsernen Neubau optisch vorbildlich in diversen Vitrinen mit Kostümen, Bühnenbaumodellen und sogar dem „Parsifalklavier“ aus dem Jahre 1920 präsentiert. Das Obergeschoss ist für Wechselausstellungen vorgehen. Derzeit ist dort die wechselvolle Geschichte der 1945 zerbombten und 1976 historisch zweifelhaft restaurierten Villa Wahnfried zu sehen. Titel: Wahnfried oder Ärgersheim?
Das „Siegfried-Wagner-Haus“, ein Anbau des einzigen Sohnes, war der zeitweise Wohnsitz seiner Witwe Winifred, die dort Adolf Hitler beherbergte. Geschmackvoll nüchterne Räume ohne Prunk, in denen Video-Installationen unaufdringlich, aber informativ die Verknüpfung der Festspiele mit dem braunen Terror thematisieren. Viel Mobiliar ist nicht erhalten. Lediglich das Speisezimmer konnte weitgehend im Urzustand erstellt werden. Insgesamt ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, was den Umgang Bayreuths mit seiner Geschichte angeht. Auch wenn Nike Wagner mit Recht das Interview von Hans-Jürgen Syberberg mit Winifred Wagner vermisst.

Ein Café, ein Kino, ein Souvenir-Shop, barrierefreie Audio-Begleiter und eine Interaktionsbasis, in der die Partituren Wagners zum Klingen gebracht werden können, tragen zum Erlebniswert des Museums bei. Ob nach der Eröffnung tatsächlich Frieden in Wahnfried einkehren wird, wird sich zeigen.

Pedro Obiera

 


Die Allee, die den Zugang zur Villa
Wahnfried ermöglicht, wurde wieder
hergestellt.


Fünf Jahre lang war die Gründerzeit-
Villa für die Öffentlichkeit gesperrt. Die
Renovierungskosten für den gesamten
Komplex stiegen auf 20 Millionen Euro.

In der Villa sind nur Originalstücke zu
sehen. Platzhalter mit Überwürfen
vervollständigen den Gesamteindruck.


Geschmackvoll nüchterne Räume ohne
Prunk: Das Siegfried-Wagner-Haus
erstrahlt in neuem Glanz.


Die Grabstätten von Cosima und
Richard Wagner sind mit frischen
Kränzen geschmückt.

Fotos: Opernnetz