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Barock auf der Insel


 
 

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Barocke Puppenstube

Das 2. Internationale Barockfestival in Valetta ist eine ausgezeichnet gelungene Symbiose zwischen der omnipräsenten barocken Pracht und dem engagierten Kulturleben der Stadt. Zahlreiche Veranstaltungen in historisch einmaligen Gebäuden locken zu einem Besuch. Das Kleinod Teatru Manoel gehört zu den ältesten noch bespielten Theatern der Welt.

Der Inselstaat Malta ist voll von einzigartigen Kunstdenkmälern. Die ältesten europäischen Bauwerke aus Stein wie die Tempelanlagen von Ggantija oder Taxien gehören dazu wie die mystische neolithische Bestattungsstätte, das Hypogaum von Hal Saflieni. Auf Grund der strategischen Lage im Mittelmeer erlebte Malta in seiner bewegten Geschichte arabische, osmanische, afrikanische, römische und griechische Einflüsse, bis im 16. Jahrhundert Kaiser Karl V die Inselgruppe dem Johanniterorden als Lehen gab und der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung begann. Valletta wurde nach der erfolglosen großen Belagerung durch die Türken 1566 als erste Stadt vom Reißbrett nach militärischen Erfordernissen und modernen Idealen geplant. Der Aufwand war enorm, das Ergebnis ein prächtiges barockes Juwel, in dem der Besucher herumwandelt und den Geist einer anderen Epoche atmet.

So eingestimmt, erlebt er das jüngst ins Leben gerufene Barockfestival als geniale Komplettierung seiner Eindrücke, zumal auch die Veranstaltungsorte ein einmaliges Ambiente liefern. Es ist bewusst die Symbiose aus Architektur und Musik, Geschichte und Musikhistorie gewählt worden, um das Programm des Festivals zu gestalten. Kenneth Zammit Tabona, der Künstlerische Leiter des Festivals, gestaltet das anspruchsvolle zweiwöchige Programm in einer Mischung aus lokalen, engagierten Künstlern und internationalen Bekanntheiten mit anspruchsvollem, aber auch leicht zugänglichem Programm. Gewollt ist ebenfalls der Januar als Zeitpunkt, um die staatliche Unterstützung während der touristischen Nebensaison zu erhalten.

Händel intim

Eröffnet wird die 2. Auflage des Festivals mit einer Aufführung von Georg Friedrich Händels Der Messias in der kleinen intimen Barockkirche Ta'Giezu mit ausgezeichneter Akustik. Unter der Leitung von Michael Laus musizieren zumeist maltesische Musiker in kleiner Orchesterbesetzung und Sänger mit viel Feingefühl. Gillian Zammit verströmt mit ihrem hellen silbrigen Sopran göttliche Höhe, Claire Massas dunkler Mezzosopran und ausdrucksstarke Mimik erzeugen Spannung, die von Albert Buttigiegs Bass übernommen wird. Der Engländer Nicholas Mulroy ergänzt mit seinem hellen Tenor die Solisten.

Rameau als Parodie

Eine besondere musikhistorische Kostbarkeit gibt es am zweiten Abend mit der Parodie auf die Oper Hippolyte und Aricie von Jean Philippe Rameau. 1732 wurde das Teatru Manoel eröffnet, 1733 fand die Uraufführung der Oper statt. Die Veranstaltungsform der Parodie war im Paris des 18. Jahrhunderts sehr beliebt und stellte die einzige erlaubte Form für die nicht vom König anerkannten Theater dar. Da diese Theater in ihrer Aufführungspraxis sehr eingeschränkt waren und für das breite Volk spielten, entwickelten sie die Parodie auf die ernsten langen Originalfassungen der Opern und ließen Marionetten kunstvoll und lebendig die Handlung spielen, die Solisten und Musiker wirkten vor oder neben dem Puppentheater mit. Diese Veranstaltungspraxis wird vom Teatru Manoel zusammen mit dem Centre de Musique Baroque de Versailles nachgestellt und eindrucksvoll realisiert. Alles ist stimmig und mit viel Liebe zum historischen Detail gemacht. Das internationale Publikum ist begeistert und belohnt alle Mitwirkenden mit viel Beifall für einen kurzweiligen und musikalisch reizvollen Abend.

Im Programm des diesjährigen Festivals finden sich noch eine Aufführung der b-moll-Messe, der sechs Brandenburgischen Konzerte und Goldbergvariationen von Johann Sebastian Bach, Vespern von Claudio Montiverdi, ein barockes Mandolinenkonzert, Lieder- und Solistenabende. Ein ansprechendes Programm und eine gehaltvolle Alternative zum tristen Wintermonat im Norden.

Helmut Pitsch, 13.1.2014

 


Die kleine Barockkirche Ta'Giezu ist
Schauplatz des Eröffnungskonzerts.


Gillian Zammit verzaubert das
Publikum in der ungewöhnlichen
Kulisse.


Blick in den Innenraum eines barocken
Juwels: Das Teatru Manoel in Valletta
steht im Mittelpunkt des Festivals.


Parodie als Ausweg gegen die
Staatsräson: Die Oper Hippolyte und
Aricie
muss für ein Puppenspiel
herhalten.


Gesungen wird von der Seitenbühne.