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Märchenhafter Wettbewerb
Jean Sibelius wäre im kommenden Jahr 150 Jahre alt geworden. Für das Philharmonische Orchester Turku ist das Grund genug, einen einzigartigen Wettbewerb zu initiieren, der im März des nächsten Jahres seinen Abschluss finden soll. Im Mittelpunkt der finnischen Initiative stehen die Kinder dieser Welt.
Es gibt wohl nur wenige Musiker, die es zum Titel Nationalkomponist geschafft haben. Jean Sibelius gilt heute als der Nationalkomponist Finnlands. Weil er im kommenden Jahr 150 Jahre alt geworden wäre, will das in Europa so unbekannte Land das ganz groß feiern. Freilich mit Hintergedanken: Erklärtes politisches Ziel ist, Sympathien für ein Land einzuwerben, dass sich zuvörderst über Kultur definieren möchte. Die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten laufen auf Hochtouren. Und jeder finnische Musiker ist aufgerufen, sich Gedanken dazu zu machen, welchen Beitrag er zu diesem Fest leisten kann. Leif Segerstam hat diesen Aufruf ernst genommen.
Segerstam selbst zählt zu den hervorragenden Söhnen seiner Heimat. 1944 in Vaasa geboren, studierte er bereits mit neun Jahren an der Sibelius-Akademie in Helsinki Geige, Klavier, Komposition und Dirigieren. Mit 19 schloss er ein Postgraduierten-Studium an der Juilliard-School of Music in New York an, dass er planmäßig zwei Jahre später beendete. Nach einer eindrucksvollen Karriere und 270 selbst komponierten Sinfonien ist er heute Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters von Turku, des drittgrößten Ballungsraums in Finnland. Mit silbergrauem Rauschebart und langem, wallendem Haar, einem verschmitzten Lächeln und einer Figur, die von gutem Essen und Trinken redet, fühlt man sich an den Opa erinnert, den man schon als Kind immer haben mochte. So einer, der einem zu Weihnachten Walnüsse vor dem offenen Kaminfeuer knackt und die Märchen der Welt erzählt. „Und wie es ausgeht, erfahrt ihr morgen Abend“, sagt der beste Opa auf Erden und erhebt sich, ein wenig erschöpft und müde wirkend, während die Kinder um ihn herumtoben und das Ende gleich erfahren wollen.
In Wahrheit dreht Opa Leif den Spieß um. „Erzählt uns, welche Märchen in euren Köpfen entstehen, wenn ihr Sibelius‘ En saga hört!“ ruft er den Kindern dieser Welt zu, wohlwissend, dass En saga nichts anderes als Märchen heißt. Dass dieses Sibelius-Märchen ein ideales Stück ist, um zu träumen und sich seine eigene Fantasie-Welt zu erschaffen. „Die Musik ist mysteriös und lebhaft, mit einer reichen Klanglandschaft und verschiedensten Melodien – sie nimmt den Hörer mit aus tiefer und dunkler Atmosphäre hinein in die Klarheit“, sagt Segerstam. Und er fordert die Kinder auf, sich an einem Wettbewerb zu beteiligen, den es in dieser Form vielleicht noch nicht gegeben hat.
Jedes Kind „im Alter von 0 bis 12 Jahren“ auf diesem Planeten kann bis zum 15. November dieses Jahres seine Traumwelten zu En saga illustrieren und im Netz hochladen. Wie das funktioniert, wird hier in acht Sprachen erklärt. Während der Feierlichkeiten zum 225. Geburtstag des Philharmonischen Orchesters von Turku, die mit dem 150. Geburtstag Jean Sibelius‘ zusammenfallen, wird es eine Ausstellung der kindlichen Traumbilder geben, die zeitgleich auch im Netz gezeigt wird. Die ersten fünf Gewinner, ob in Windeln oder Kinderwagen, die von der Jury ausgewählt werden, werden nach Turku eingeladen. Sie erhalten außerdem eine künstlerische Ausbildung.
Welch ein Spaß es sein wird, wenn die fünf „Lütten“ auf der Bühne der Konzerthalle in Turku auftreten, kann man sich schon heute ausmalen. Also, Kinder dieser Welt, lasst Euch vom Märchen inspirieren.
Michael S. Zerban, 2.10.2014
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