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Mutation in Trier


 
 

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Von Fliegen und Filmmusik

Am 18. Januar wird die deutsche Erstaufführung einer ganz besonderen Oper Premiere im Theater Trier haben. The Fly wird von dem jungen Regisseur Sebastian Welker inszeniert, der bereits mit seinen Inszenierungen in Saarbrücken für Aufsehen sorgte.

Eine unscheinbare Stubenfliege sitzt mit in der Teleportationskammer, als der Wissenschaftler Seth Brundle seinen ersten Selbstversuch durchführt. Statt Teleportation gibt es eine Verschmelzung von Brundle und Fliege. Damit beginnt die Reise einer Veränderung, die nicht gut ausgehen kann.

Eine Geschichte aus der Feder von George Langelaan, die zu ihrer Entstehungszeit 1957 noch für Fantasterei gehalten wurde. In Zeiten genetischer Schaf-Duplikate a lá Dolly und genmanipulierter Nahrungsmittel scheint die Vorstellung gar nicht mehr so abwegig. „Theoretisch ist es möglich, es ist in greifbarer Nähe. Gerade das macht es so erschreckend“, weiß Regisseur Sebastian Welker, der die Inszenierung der Oper The Fly im Theater Trier leitet. Am 18. Januar wird sich der Vorhang zum ersten Mal heben, für seine Inszenierung in Trier und für das Stück in Deutschland. Eine deutsche Erstaufführung, nach The Voyage von Philip Glass bereits die zweite, der sich das Theater Trier annimmt. Ein kleines Theater, das nicht gerade kleine Risiken mit einem Programmpunkt außerhalb des Standardrepertoires eingeht. Aber vielleicht gerade deshalb prädestiniert als Vorreiter? „Ich denke, jedes Theater sollte so etwas machen. Immerhin leistet man Pionierarbeit. Umso wichtiger ist es jedoch, ein Publikum für solche Stücke zu gewinnen. Es ist eine Herausforderung, die Zuschauer für Neues zu begeistern“, sagt Welker. Der 30-Jährige hat das Handwerk des Musiktheaterregisseurs bei Willy Decker gelernt. Anschließend hat er mit Regisseuren wie Inga Levant, Immo Karaman oder Fura dels Baus gearbeitet. Seit 2007 hat er ein Festengagement als Regieassistent am Staatstheater Saarbrücken und dort mit ersten eigenen Arbeiten beeindruckt.

Keine Konkurrenz zum Film

Der Film The Fly oder auch das Original von 1958 Die Fliege haben zweifelsohne ihre Fangemeinschaft. Welker kennt das Risiko bei solch bekannten Vorlagen. „Wir wollen unter keinen Umständen mit dem Film konkurrieren, einen Film als solches auf die Bühne zu bringen funktioniert nie. Man muss theatralische Ansätze finden. Immerhin kann der Film mit ganz anderen visuellen Mitteln arbeiten“, betont der Jungregisseur. Konkret bedeutet das für die Inszenierung, dass man zum Beispiel die „Fliege“ als solche nie sehen wird. Gewisse Verfallserscheinungen von Brundle können nur angedeutet werden. Es wird auch keine zwei Teleportationsmaschinen auf der Bühne geben. „Zwei Maschinen würden einen über die Unterbühne hetzenden Hauptdarsteller bedeuten.“ Darauf und auf ähnliche Dinge, wie etwa Projektionen hat Welker bewusst verzichtet, alles bleibt konsequent im Theatervorgang. So wird die Maschine eine einzige zusammenhängende Konstruktion sein, in die der Wissenschaftler auf der einen Seite reingeht und das Mischwesen auf der anderen Seite herauskommt. Verbindungsglied, sozusagen der „Ghost in the Machine“, wird der Chor sein. Der übernimmt im zweiten Akt auch mehr und mehr die Macht auf der Bühne. Das Organische der Maschine wird zum Lebendigen.

Mit seiner Musik erschafft Howard Shore „fast ein neues Genre“; gerade so ein neues Genre birgt ganz andere Möglichkeiten, aber auch Gefahren in sich: „Die Musik ist anspruchsvoll, schwer und dunkel, man wartet lange auf einen schönen Moment, in dem man einfach mal genießen kann. Die Musik ist sehr psychologisch aufgebaut. Fast schauspielerisch komponiert.“ Vielleicht eine Art Berufskrankheit für einen Filmmusik-Komponisten. Die Musik zum Bild liefern, zur Stimmung, die vermittelt werden soll. Gerade das Gegenteil zum Opernregisseur: Der soll das passende Bild zur Musik liefern. Moderne Opern, die auf Filmmusik basieren, bieten gerade an diesem Punkt die Möglichkeit, zu einer neuen Generation heran zu wachsen. „In The Fly gibt es keinen Moment, in dem man sich zurücklehnen und der schönen Musik lauschen kann, wenn einem die Inszenierung nicht gefällt. Erst Bild und Musik zusammen ergeben die Oper“, beschreibt Welker das bevorstehende Ereignis.

Eine neue Generation

Schnelle Cuts ermöglichen es dem Film, in Szenen zu springen, die Musik ermöglicht es dem Zuschauer, dabei nicht den Faden zu verlieren. Sich schnell gefühlsmäßig auf eine neue Situation einzustellen. Feelings im Zeitraffer. In der Oper gelten da ähnliche Gesetze, nur nicht im Zeitraffer, sondern in Slow Motion.

Die Sänger brauchen einige Zeit, um sich in die richtige Stimmung einzufinden. In der Filmmusik braucht es kaum Übergänge, in der Oper sind sie unerlässlich für den Verlauf und die Entwicklung einer Handlung. Emotion auf Knopfdruck ist keine leichte Sache und doch vielleicht der Sprung in eine neue Generation? „Definitiv ein Schritt in eine neue Generation. Wenn beide Genres voneinander lernen und offen füreinander sind, schafft man vielleicht ein ganz neues Genre. Der Film mit seinen vielen medialen Möglichkeiten schafft wiederum viele neue Möglichkeiten für die Oper. Das ist vielleicht eine spannende Weiterentwicklung“, glaubt Sebastian Welker.

Und zugleich eine neue Herausforderung für die Sänger und deren Regisseure, denn eine Oper, weiß Welker, folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten, allein schon wegen der Musik: „Wenn man an die Inszenierung einer Oper herangeht, ist die Oper an sich im Prinzip zu zwei Dritteln fertig. Die Musik alleine schafft bereits ein Konstrukt, ein Strickwerk, in dem sich Schauspielregisseure oft unfrei fühlen. Es ist eine eigene Kunstform, schon irgendwie die Meisterklasse.“

Eine Meisterklasse, die in Zukunft neue Meister brauchen und erschaffen wird. Meister, die theoretisch umdenken und auch praktisch umbauen können, was im Libretto steht. Die Opern aus einem Guss erschaffen, bei denen man nicht nur in schönen Bildern schwelgt oder himmlische Melodien genießt. Sondern in denen nur beides zusammen ein Bild ergibt. Das Resultat könnten Opern von neuer Intensität und neuer Qualität sein. Einen Versuch ist es zumindest wert.

Stefanie Braun, 14.1.2014

 


1986 kam die Verfilmung von David
Cronenberg in die Kinos. Für Jeff
Goldblum wurde es der Durchbruch.


Das Theater Trier bietet nicht nur
Mainstream, sondern mit der
deutschen Erstaufführung von
The Fly auch echte Besonderheiten.


Jungregisseur Sebastian Welker
bekommt in Trier die Möglichkeit,
eine Aufsehen erregende Inszenierung
auf die Bühne zu bringen.


Bass-Bariton Alexander Trauth wird
die Rolle des Seth Brundle spielen
und singen.


Howard Shore, vielfach preisgekrönter
Filmmusik-Komponist, schuf die Musik
zur Oper The Fly.


Der Meister des Grauens: George
Langelaan erfand die Geschichte vom
Wissenschaftler, der einer Stubenfliege
zum Oper fiel. Fantasy oder Vision?