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Kopfsteine auf Teneriffa


 
 

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Kleine Malereien

Santa Cruz de Tenerife ist die Hauptstadt von Teneriffa. Und natürlich muss es da auch ein repräsentatives Konzerthaus geben. Wie es sich heute gehört, möglichst vielseitig verwendbar. Vor dem Auditorio de Tenerife gibt es dann die Besonderheit, von der die Offiziellen so gar nichts wissen wollen. Aber schön ist die Idee trotzdem.

Das 1851 errichtete Teatro Guimerá in Santa Cruz auf Teneriffa entsprach trotz mehrerer Renovierungen schon lange nicht mehr den Anforderungen eines Konzerttheaters des 21. Jahrhunderts. Lange hat die Stadt nach einem geeigneten Gelände in Stadtnähe gesucht, bis sie endlich nach Rückgang des Schiffsverkehrs das alte Hafengelände wieder entdeckte und sich hier zu einem Neubau entschloss. Mit Santiago Calatrava gewann sie einen international renommierten Architekten und Künstler, der, zigfach durch Preise ausgezeichnet, durch seine freien, filigranen, hoch schwingenden Bauwerke auf sich aufmerksam machte.

Der freie Blick streift über zahllose alte, meist quaderförmige Hafenfrachthäuser und bleibt an einem imposanten Bauwerk hängen, das mit zwei riesigen Dachflügeln fast von seinem Platz über der Mole abzuheben scheint. Ob Vogelschwingen, weit gespannte Segel oder sakrale Gewölbebögen: Der seine Umgebung überragende futuristische Bau lässt viele Deutungen zu. Mit dem vor einem Jahrzehnt neu errichteten Auditorio de Tenerife hat die Insel ein Kongress-, Theater- und Konzertzentrum in Santa Cruz erhalten, das hoch über dem Atlantik in den Himmel ragt. Drei Schalensegmente verschränken sich ineinander, lassen viel Raum für Licht und Luft und legen sich schützend über mehrere großzügige Aufführungs- sowie die Verwaltungs- und Technikräume. Zur See hin wird bei warmem Kanarenwetter die gesamte Fensterfront hochgefahren und vermittelt dann den Eindruck, auf dem Promenadendeck eines Luxusliners zu sitzen – Lebenslust nach spanischer Art. Der Architekt Calatrava hat hier eine waghalsige, leichte Konstruktion für Kongresse, Theater und Konzerte geschaffen, um die manche Stadt die Kanareninsel mit ihren beinahe 900.000 Einwohnern beneiden wird.

Bunte Musiktupfen

Wer sich der Umfassungsmauer des großen Vorplatzes nähert, dessen Blick bleibt hängen an zahlreichen bunten Tupfern, die er nahe am Wasser auf den riesigen Molensteinen entdeckt. Das sind doch alles alte Bekannte: Direkt vor dem Besucher fällt der Blick auf ein Pavarotti-Portrait, gleich daneben entdeckt er Placido Domingo, die Callas, dann Verdi, Donizetti, aber auch Ray Charles, Tom Jones; John Lennon schaut einem Angler zu – klar, alle haben sie irgendwie mit Musik zu tun: Mozart neben Bernstein, Bellini neben Ann-Sophie Mutter – ein bunter Mix von Sternschnuppen und Stars der Musikgeschichte der letzten 300 Jahre. Auf die schweren Felsbrocken und Betonquader, die hier zu Wellenbrechern aufgeschüttet sind, hat der bulgarische Maler Stoyko Gagamov in Eigeninitiative gut zu erkennende bunte Portraits der Musikgeschichte gepinselt und zeigt damit einen Teil des geistigen Fundamentes des Konzerttheaters. Merkwürdig nur, dass das Auditorio kein Interesse an diesen leicht-luftigen Tupfern aus der Musikgeschichte zeigt, die dem Vorplatz eine heitere Note verleihen – durchaus im Sinne vieler Portraitierter. Auch wenn der eine oder andere aus der Ahnengalerie schon ein wenig verwittert dreinschaut und Franz Liszt eine grüne Seetang-Strähne in die Stirn fällt – es ist eine gelungene und dem Ort angemessene Dekoration für einen Wellenbrecher. Demnächst muss man sich doch einmal das Programm dieses einladenden Kunsttempels anschauen.

Horst Dichanz, 7.12.2013

 


Die ungewöhnliche Architektur des
Auditorio erhebt sich schwingengleich
an der Küste Teneriffas.


Bunte Tupfen auf den Küstensteinen
machen neugierig.


Musik ohne Grenzen: Unbekannte
Maler haben an der Küste Teneriffas
berühmte Künstler aus allen
Richtungen der Musik verewigt.


In Santa Cruz gehören die
ungewöhnlichen Reminiszenzen
längst zum Alltag.

Fotos: Opernnetz