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Experimentelles liegt ganz vorn


 
 

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Starke Projekte

Das wirklich Neue zu finden – das hoffen wohl die meisten Kulturschaffenden. Auch das Netzwerk Junge Ohren will seit vielen Jahren das Andere, das Extreme, das Weiterführende finden. Und ist auf einem guten Weg. Der diesjährige Wettbewerb in Stuttgart hat bewiesen, dass auch das zweite Ziel – die Jugend zu erreichen – oftmals glückt.

Bereits zum neunten Mal verleiht das Netzwerk Junge Ohren in Zusammenarbeit mit dem Bundesfamilienministerium und Sponsoren den Junge-Ohren-Preis (JOP) für „herausragend umgesetzte Vermittlungsprojekte und frische Ideen für ein lebendiges Musikleben“, mit dem man vor allem junge Leute ansprechen und an die Musik heranführen möchte. Das Programm und die Projekte des diesjährigen Wettbewerbs überzeugen schnell, dass auch andere Zielgruppen im Blick sind und erreicht werden – ein wichtiger Pluspunkt des Wettbewerbs. Die Jury hat ein Angebot von 108 Bewerbungen mit Musikproduktionen, Musikexperimenten und musikalischen Hörprojekten aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz vor sich, was ein weiteres Mal belegt: Der JOP ist in der Musikszene angekommen und zu einer festen Institution geworden. Da bewerben sich Projekte und Produktionen gut etablierter Adressen wie der Westdeutsche Rundfunk oder dem Lucerne-Festival ebenso wie Schulen, kleinere Veranstalter und freie Gruppen. Ein erfreulich buntes Gemisch. In diesem Jahr findet die Jury für die Kategorien „Best Practice: Konzert“, „Best Practice: Partizipatives Projekt“ und „LabOhr“ insgesamt zwölf Projekte, die für die Endrunde und die Preisverleihung qualifiziert sind. Darunter präsentieren sich so unterschiedliche Vorhaben wie ein szenisches Konzert für sieben Instrumentalisten aus der Schweiz, mehrere Cross-over-Projekte wie der deutsch-afrikanische Mix Senghor, lautpoetische Stimmexperimente oder die Anstrengungen einer Inklusionsschule, selbst eine Oper auf die Bühne zu bringen. Der Phantasie sind wirklich keine Grenzen gesetzt.

Mit dem Tod umgehen

Gerade weil es dem Netzwerk und dem Preis um Innovationen im Musikbetrieb geht, ist es manchmal schwierig, die eingereichten Projekte den passenden Kategorien zuzuordnen. Deshalb wird in diesem Jahr das Spektrum erstmals um die Kategorie „LabOhr“ erweitert. Sie soll vor allem neuen Ideen in den Bewerbungen eine Chance geben, die noch nicht bühnenreif geworden sind. Und es wird so manches zusammengebraut, das tatsächlich aus dem Rahmen fällt. So denkt das Musiktheater bruit aus Hannover über eine Klangexpedition ins Weltall nach und erprobt verzerrte Klangerlebnisse. Von dem österreichischen Kindermuseum und dem Verein Zoom in Wien kommt der Versuch, mit Hilfe einer weggeworfenen Puppe das Thema Müll, Umweltschutz und Nachhaltigkeit multimedial und interaktiv zu bespielen. Verena Ries und das Quartett Plus 1 überraschen mit der Suche nach der Besten Beerdigung der Welt, dem Versuch einer vielfältig musikalischen Bearbeitung von Tod und Trauer. Mit experimentellen Inszenierungen versuchen sie, sich musikalisch den Fragen zu nähern: Was ist der Tod? Wie klingt der Tod? Wie wollen wir gebettet sein? Welche Klänge begleiten unsere letzte Reise? – Eine wahrhaft anspruchvolle Idee, die noch in der praktischen Entwicklung ist. Die Jury meint denn auch, dass diese Idee in der Kategorie „LabOhr“ den ersten Preis verdient. Die Suche nach der Besten Beerdigung der Welt kann auch als Prüfstein für die neue Kategorie „LabOhr“ betrachtet werden, die immerhin das Außergewöhnliche im Umfeld von Außergewöhnlichem herausheben will. Ob es dafür genügend scharfe Kriterien gibt, muss sich in den nächsten Jahren zeigen.

In der Kategorie „Best Practice, Konzert“ überzeugt das Lucerne-Festival mit seiner Inszenierung von Heroïca. Sieben jungen InstrumentalistInnen der Lucerne-Festival-Akademie verbinden musikalische Miniaturen und clowneske Szenen zu einer mitreißenden Musikrevue. „Überbordende Spielfreude, Dynamik und Witz machen das Programm aus, das auch Mut zu leisen Tönen zeigt“, findet die Jury.

Der Preis in der Kategorie „Best Practice: Partizipatives Projekt“ geht an ein Projekt, das bereits beim Klavier-Festival Ruhr auf sich aufmerksam gemacht hat. Die Jury zeichnet das inklusive Projekt Ein Jahr mit György Ligeti aus. Es führt in besonders intensiver und kreativer Weise 165 Grundschüler, Förderschüler und Gymnasiasten aus Duisburg-Marxloh an die Musik des bedeutenden ungarischen Komponisten György Ligeti heran. In Musikstücken und Choreographien erkunden und entdecken Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung Ausdrucksformen des ungarischen Komponisten und erleben sich selbst dabei als gleichberechtigte Partner.

Musikvermittlung Schweiz stellt sich vor

Vor der Preisverleihung hat das Fachpublikum in der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart Gelegenheit, sich auf einer bunten Projektbörse mit den Ideen und Ergebnissen der nominierten Projekte bekannt zu machen und Macher und Mitwirkende kennen zu lernen, eine Gelegenheit, die gern und ausführlich genutzt wird. Auf der Projektbörse vertreten sind weitere Projekte beispielsweise von der Jungen Oper Stuttgart, Musikverlage mit Neuerscheinungen und buntem Material für Kinderkonzerte. Das neu gegründete Kompetenznetzwerk Musikvermittlung Schweiz stellt sich vor, das in Zukunft mit dem Netzwerk Junge Ohren zusammen arbeiten wird.

Vielen der beim JOP 2014 präsentierten Projekte sieht man an, dass Erwachsene, häufig Musikfachleute, die entscheidenden Anstöße geben und bei der Umsetzung kräftig mitwirken. Das mindert ihren Innovationswert keineswegs, es kann nur Ansporn dafür sein, dem Alltag des Musikschaffens ins Schulen und Musikschulen viele bunte Punkte hinzuzufügen.

Horst Dichanz, 1.12.2014

 


Der Junge-Ohren-Preis will vor allem
Jugendliche zur Auseinandersetzung
mit Musik animieren und hat dabei
zunehmend Erfolg.


Die fantasievolle Auseinandersetzung
der Jugend mit der Musik steht im
Vordergrund des Junge-Ohren-Preises.
Mit Erfolg.


Inklusion ist das neue Zauberwort, mit
dem wir endlich politisch korrekt den
Umgang mit behinderten Menschen
beschreiben können. In Stuttgart gibt
es auch dafür Beispiele.


Was hat die Umwelt mit der Musik zu
tun? Die Jugendlichen wissen es und
schaffen konkrete Bezüge.

Fotos: Opernnetz