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Von der Seitenbühne aus


 
 

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Neue Wege in die falsche Richtung

ServusTV mischt auch im Jahr 2014 bei den Festspielen von Salzburg mit. Don Giovanni wird nicht einfach nur im Fernsehen übertragen, sondern bekommt im Internet zusätzlichen einen intensiven Backstage-Bereich. Innovativ will man hier sein und vergisst darüber, dass dieses Wort nicht nur für die technische Seite gelten sollte.

Oper ist mittlerweile in Fernsehen und Internet fest verankert. Gerade zur Festspielzeit will man auch dem Zuschauer zuhause Anteil an den klassischen Höhepunkten des Sommers verschaffen. Was da nun im Mittelpunkt steht – Musik oder das Establishment – das ist immer eine Frage der eigenen Auffassung. Der österreichische Sender ServusTV hat sich im letzten Jahr im Rahmen der Salzburger Festspiele präsentiert, in dem er aus der Entführung aus dem Serail an dem ungewöhnlichen Aufführungsort Hangar 7 eine TV-Oper machte. Dieses Jahr wird Don Giovanni zwar „nur“ im Haus für Mozart aufgeführt, doch mittlerweile weiß ja ein TV-Redakteur, dass man mehr aus einer Opernaufführung herausholen kann als nur die reine Übertragung. Schon in den Wochen vor der Aufführung gibt es eine umfassende Dokumentation, wie die Produktion entsteht.

Die dritte Vorstellung des neuen Don Giovanni ist in Salzburg für abends halb acht angesetzt. ServusTV beginnt anderthalb Stunden vorher mit einem Vorprogramm. Darin ist auch genügend Zeit für Werbung enthalten. Im TV sind das überwiegend Programmhinweise. Im Internet kommen Produkte zum Zuge, und so braucht es gegenüber dem Fernsehen mehr Spielraum, der hier wiederum überbrückt werden muss. Ein eingeblendeter Countdown bis zum Vorstellungsbeginn verführt aber zum Wegschalten. Wer dabei bleibt, darf zuschauen, wie Moderatorin Barbara Fleissner nicht müde wird, auf das Besondere des Abends hinzuweisen: Im Fernsehen kann man die Aufführung ganz klassisch ansehen. Im Internetauftritt des Senders ist von der „innovativen Opernübertragung“ zu lesen. Innovativ bedeutet in diesem Fall, dass man – sofern die Technik denn mitspielt – von der normalen Übertragung zu einem Backstage-Bereich wechseln kann. Hier läuft das normale Bild der Aufführung verkleinert oben links in der Ecke mit. Für alle, die mehr das Event denn die Oper interessiert, wird der Betrieb hinter der Bühne groß eingefangen. So bekommt man beispielsweise mit, wie die Inspizientin die Darsteller herbeiruft, die Regieassistentin auf der Seitenbühne zur Musik mitwippt oder für Applausordnung sorgt. Aber die Musik steht nicht zwangsläufig im Mittelpunkt. Da werden Interviews über die Oper gelegt, und Regisseur Sven-Eric Bechtolf gibt sein Statement zur gerade laufenden Szene ab oder beantwortet die dümmlichen Fragen mit rotzigen Antworten. Der Regiekommentar ist auf Film-DVDs schon lange üblich, aber auch nur beim Bonus-Material. Wenn dann die Kamera zu Don Giovannis Höllenfahrt einen Flur zeigt, wo sich seelenruhig ein paar Statisten unterhalten, dann möchte man fast von der Entromantisierung der Oper sprechen. Aber so geht es zu hinter der Bühne.

Fragen auf niedrigstem Niveau

Zum Glück wird dem Zuschauer noch die Wahl gelassen, was er denn nun schauen möchte. Die Oper Don Giovanni oder ein paar Kameras auf Reisen hinter den Kulissen bei den Salzburger Festspielen. Die technischen Möglichkeiten nun endlich auch in die Welt der Oper einzubringen, ist an sich keine schlechte Idee. Doch leider ist das Ganze in einen derartig unfreiwillig komischen Rahmen verpackt, dass man auf das Brimborium drum herum gerne verzichten möchte. Da stellt Fleissner die drei Kameraansichten vor, die man schon in den vergangenen fünf Minuten mehrfach bewundern durfte und die so alt sind wie das Kabelfernsehen: Vor der Bühne, hinter der Bühne und vor dem Theater. Allerdings spielen die dann beim Backstage-Bereich nur eine geringe Rolle. Hier wie auch im Vorbericht werden deutlich mehr Perspektiven geboten. Die werden aber stellenweise derart ungelenk zusammengeschnitten, als leitete ein Praktikant die Übertragung. Das wird nur noch übertroffen durch die hölzernen Fragen, denen sich die Mitwirkenden ausgesetzt sehen. Dirigent Christoph Eschenbach muss auch sichtlich schmunzeln, als er nach dem ersten Akt gefragt wird, ob er sich nun auf den zweiten Akt freue. Überhaupt überwiegt der Eindruck, dass das Fernsehteam hinter der Bühne etwas im Weg steht. Komtur Tomasz Konieczny bricht sein Interview nach wenigen Minuten recht ungalant ab, steht erst später ausführlicher Rede und Antwort. Dem Maskenbildner fällt auf die Frage, ob die Maske für die Rollenidentität hilfreich ist, nur dieser Satz ein: „Na klar hilft das.“ Vielleicht liegt es auch daran, dass einige Fragen von einer unsichtbaren Co-Moderatorin teilweise mit der Leidenschaft eines Navigationsgerätes gestellt werden. Generell überwiegt das Mitleid mit Protagonisten wie Annett Fritsch, die sich eigentlich auf den Bühnenauftritt konzentrieren wollen und stattdessen mit ungelenken Fragen und unwürdigen Kommentaren bombardiert werden: „Spreche ich also jetzt nicht mit Annett Fritsch, sondern mit Donna Elvira?“

Innovativ heißt nicht gut gemacht

Trotzdem darf man nicht übersehen, dass sich ServusTV sehr bemüht, mit anderen Sendern mitzuhalten, die die Aufführung ebenfalls übertragen – teilweise sogar kostenpflichtig. Auf der Internetseite punktet ServusTV mit einer detaillierten, verspielten Einführung in das Werk und die Ausführenden. Der Rest der Präsentation hinterlässt keinen so professionellen Eindruck. Dass die Sänger im ersten Akt noch so klingen wie in einer Bahnhofshalle aufgenommen, ist das Tüpfelchen auf dem i. Theoretisch kann man sich mit ServusTV als Opernbotschafter durchaus anfreunden. Doch für eine über fünfstündige Abendveranstaltung fehlt es noch an Sicherheit und Konzeption. Am Ende werden Stärken und Schwächen dieser innovativen Opernübertragung noch einmal sehr deutlich zelebriert: Nach dem letzten Vorhang blendet der Sender nicht einfach aus, sondern fängt noch die Stimmung hinter der Bühne ein, was das Erlebnis schön abrunden könnte. Doch dann fragt Co-Moderator Thomas Rettenberg den Dirigenten Eschenbach: „Wie war es denn?“ Der gibt die richtige Antwort: „Das frage ich Sie.“ Innovation bedeutet nicht nur den Mut, neue Wege zu beschreiten. Es bedeutet auch Kreativität. Hier muss ServusTV in wesentlichen Bereichen dringend nachbessern. Ob sich die „Oper backstage“ durchsetzen kann, ist noch eine ganze andere Frage. Ein größeres Publikum für die Oper zu begeistern, ist auf jeden Fall schon preisverdächtig.

Christoph Broermann, 3.8.2014

 


Der Countdown läuft, die Kamera ist in
der Maske dabei, worüber nicht alle
glücklich scheinen.


Mit verspielten Details findet man auf
der Internetseite Informationen über
die Oper.


Auch das Leitungsteam und das
Ensemble wird vorgestellt
.


Technik macht es möglich: Oben links
läuft die Oper, und der Zuschauer
beobachtet die Inspizientin bei der
Arbeit .


Hier wird die Musik nach hinten
gerückt: Regisseur Bechtolf erklärt
seine Interpretation.

Screenshots: Opernnetz