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Verdi in der Glut des Sommers
Ein vorletztes Mal trifft sich das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg zu einem Auftritt in der Düsseldorfer Altstadt. Eigentlich wurde Giuseppe Verdis Geburtstag im vergangenen Jahr ausreichend abgefeiert, aber auf diese verspätete Geburtstagsparty will man auf keinen Fall verzichten.
In der Düsseldorfer Altstadt geht es heiß her. Schwülwarme 27 Grad Celsius haben die Menschen tagsüber ermattet. Aber endlich geht es wieder nach draußen, und so treffen sich Touristen, Einheimische und Zugereiste vor den Kneipen auf der Vergnügungsmeile Bolkerstraße. 1797 wurde im Hinterhaus der Nummer 53 Heinrich Heine geboren. Dort, im Heine-Haus, befindet sich heute ein Veranstaltungssaal. Der ist an diesem Abend trotz subtropischer Temperaturen bis auf den letzten Platz gefüllt. Offenbar hat sich die Qualität der Veranstaltung herumgesprochen. Zwei Mal im Jahr hat hier das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg einen Auftritt. Dann gilt es, den jungen Sängerinnen und Sängern berufliche Routine unabhängig vom Ort des Auftritts einzuverleiben, aber auch Oper in neuen Formen in die Stadt hineinzutragen. So steht an diesem Abend ein Verdi-Programm der etwas anderen Art auf dem Programm, immerhin klimatisch im mediterran passenden Umfeld.
Ein Hauch von Wehmut schwebt unter dem Glasdach des Veranstaltungsraums. Es ist die vorletzte Veranstaltung des Opernstudios in seiner jetzigen Form. Denn nicht nur die Teilnehmer beenden ihre Zeit im Opernstudio. Nach einem letzten Meisterklasse-Konzert unter Leitung von Helen Donath gehen sie aus dem geschützten Raum in die berufliche Praxis, bei der man inzwischen ohne jeden Pathos von rauer Wirklichkeit sprechen kann. Auch das Leitungsteam, das das Opernstudio in den vergangenen fünf Jahren so erfolgreich zu einer viel beachteten Institution entwickelt hat, wird aufgelöst. Mechthild Hoersch, Künstlerische Leiterin, im besten Sinn so etwas wie die „Mutter der Kompanie“, wird freiberuflich nach Berlin gehen. Christoph Stöcker, Musikalischer Leiter, will sich als Korrepetitor und Dirigent an der Rheinoper weiter entwickeln. Nur Dramaturg Bernhard Loges wird auch in der neuen Spielzeit wieder das Opernstudio betreuen.
Schön, wenn was bleibt
Bei so viel Abschied, hat sich Hoersch überlegt, ist wohl der Anlass gegeben, dass sich alle gemeinsam noch einmal auf der Bühne präsentieren. Und so ist eine verspätete Geburtstagsfeier für den Komponisten Giuseppe Verdi entstanden, der im vergangenen Jahr 200 Jahre alt geworden wäre. Aber: Verdi kann man doch wirklich immer hören. In vielfältiger Hinsicht. Hoersch und ihr Team haben dazu saftige Texte aus Lea Singers Verdis letzte Versuchung zusammengestellt, die von Verdi-Musik umspielt werden.
Loges als Giuseppe Verdi, Mechthild Hoersch als Ehefrau Giuseppina und die Schauspielerin Thea Hummel als Theresa Stolz geben die Zitate aus dem Buch wieder. Da hätte ein wenig bessere Vorbereitung nicht geschadet. Ebenso wie die Sänger hängen die drei an ihren Textbüchern, nur selten gelingt eine Lösung und damit eine explizitere Darstellung. „Wir sind alle zu sehr in anderen Produktionen beschäftigt“, entschuldigt Regisseurin Hoersch anschließend vor allem Sänger und Sängerinnen. Dann wäre doch Reduktion eine Lösung, möchte man meinen. Aber nein, dass die Akteure diese Aufgabe auch noch übernehmen, zeugt nicht nur von Engagement bis zum Umfallen, sondern auch von der Überzeugung, wie wichtig es ist, die Oper in der Stadt zu manifestieren. Und da ist jede Veranstaltung wichtig, auch wenn sie mal nicht zu hundert Prozent läuft. Eine Auffassung, der man sich anschließen kann.
Eine Idee gewinnt Raum
Vor allem, wenn es den Solisten gelingt, das Publikum trotz sicht- und hörbarer Erschöpfung anderthalb Stunden in ihren Bann zu ziehen, ohne dass auch nur ein Blick auf die Uhr oder wildes Husten zwischendurch notwendig sind. Tenor Evgenii Nagovitcyn kassiert seine Bravo-Rufe vollkommen zu Recht. Und auch der begeisterte Applaus, der Luiza Fatyol, Hagar Sharvit, Aïsha Tümmler und Attila Fodre verabschiedet, ist mehr als gerechtfertigt.
Zurück bleibt an diesem Abend der Traum, dass solche Veranstaltungen nicht zwei Mal im Jahr in einer subventionierten Institution stattfinden, sondern an jedem Tag in einer anderen Kneipe. Viel braucht es doch nicht, das hat das Opernstudio gezeigt. Ein paar Scheinwerfer und Requisiten, ein genialer Pianist, eine eingeschworene Gruppe von Sängern und Sängerinnen, die mit Leib und Seele bei der Sache sind, und ein intelligentes Programm mit einer guten Idee, das mehr als die altbekannten „Schlager“ auf die Bühne bringt. Dann muss sich auch niemand mehr um die „Erschließung neuer Zielgruppen“ Gedanken machen. Wenn sich das durchsetzt, kann sich Wien warm anziehen.
Michael S. Zerban, 21.5.2014
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