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Gesangswettbewerb


 
 

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Brillante Klänge in Gütersloh

Der Jugend gehört die Zukunft. Dass das auch in Sachen Opern-Gesang der Fall ist, zeigt einmal mehr der Wettbewerb Neue Stimmen. Wieder einmal arbeiten langjährig erfahrene Profis des Geschäfts mit jungen, ambitionierten Sängerinnen und Sängern aus der ganzen Welt zusammen, um sie auf das künstlerische Leben vorzubereiten und die besten unter ihnen zu finden.

1422 hatten sich angemeldet für das groß angelegte Auswahlverfahren, 15 standen davon im Semi-Finale kurz davor, ihren Traum vom Finale zu erfüllen. Da die Jury sie über einen längeren Zeitraum begleitet, ist für sie – im Gegensatz zum Zuschauer – das Konzert keine Moment-Aufnahme.

Eine hochkarätig besetzte Jury unter der Leitung von Dominique Meyer hat sicher keine leichte Aufgabe, die Stimmen (aus)zu sortieren.

Beim Konzert fällt auf, welch geschlossenes, hohes Niveau die Sängerinnen und Sänger bieten. Da gibt es keine Abweichungen nach unten, und nur wenige nach oben, die man auch unbedingt im Finale sehen wollte. Dass das nicht immer so sein muss, und dass die Jury mit einem anderen, zusätzlichen Wissen entscheiden kann als die Zuschauer, zeigt das Beispiel Jaquelina Livieri: Den hervorragenden Koloratur-Sopran mit glasklarem Timbre und stupenden Höhen hätte man gerne wieder im Finale gehört, doch es soll anders kommen, woran evtl ihr noch nicht ganz ausgereiftes Brustregister Schuld haben könnte.

Faith Sherman hat die schwierige Aufgabe des Auftaktes und singt Svegliatevi nel cuore aus Giulio Cesare ausgesprochen geschmackvoll, sehr kontrolliert, vielleicht noch eine Spur zu farblos. Ganz anders hingegen der Mezzo-Sopran Nadezhda Karyazina, die als Isabella in Cruda Sorte viel zu erzählen hat und das auch genüsslich mit dunklem Timbre, perlenden Koloraturen, leichtem Parlando und etwas unruhiger Körpersprache macht.

Eine gute Figur macht Alexey Lavrov als Conte Almaviva aus Mozarts Figaro allemal, und sein Bariton klingt passend nobel aristokratisch, doch fehlt für die emotionale Ausdeutung von Vedro mentr'io sospiro einfach die mühelose Tiefe. Darüber kann Jongmin Park nur lächeln, denn sein Bass kann selbst in schwärzester Tiefe noch ein herrliches Mezza-Voce singen und so macht er Banquos Come dal ciel precipita zu einer hervorragend gesungenen Geisterstunde.

Bei allen kleinen Einwänden die hier aufgeführt werden, ist es ein großartiges Konzert mit herrlichen Stimmen und teilweise sehr seltenen Arien: Cristina-Antoaneta Pasaroiu beispielsweise singt Desdemonas Lied von der Weide, doch diesmal nicht von Verdi, sondern aus der Feder Rossinis und  das mit einer wünderschön lyrischen Stimme. Bariton Ilya Silchukov berichtet leider zu wenig über seine Vision fugitive aus Massenets Herodiade, die er doch vokal so sicher zu packen weiß.

Ein Proto-Typ für einen lyrischen Sopran ist Olga Bezsmertna, mit ausgeglichenem, silbernen Klang und agiler Stimmführung. Ihre Stimme klingt authentisch und flackert nur in den Höhen etwas unruhig, aber ihr O Dieu! Que de bijoux aus Faust ist schon ein wahrhaft brillanter Genuss. Zudem hat das Konzert auch den passenden Doktor Faust zu bieten, wie Victor Hernandez mit Salut, demeure chaste et pure voller langer Legato-Bögen und sicheren Höhen zeigt. Sein Tenorkollege Jinxu Xiahou ist der jüngste Teilnehmer der Semi-Finalisten und stellt mit Belmontes Konstanze, dich wieder zu sehen ein unglaubliches Talent unter Beweis. Eleazar Rodriguez hat für den Tenor-Schlager schlechthin, Una furtiva lagrima, den passenden Schmelz und langen Atem, irritiert aber mit unnötigen Portamenti. Ebenso sehnsuchtsvoll singt Paulina Gonzalez Melgarejo mit schön schlichter Stimmführung das Lied an den Mond aus Rusalka. Guadalupe Barrientos lädt die große Szene der Charlotte aus Werther mit lodernden Gefühlen auf, die ihre Stimme aber zuweilen in Unruhe versetzen. Maria Celeng stellt bei den Zigeunergeigen aus der Gräfin Mariza eine Sangeslust und enorme Präsenz unter Beweis, dreht sich quirlig im Kreise, kann aber in der Tiefe nicht über das Orchester hinaus kommen. Die Duisburger Philharmoniker mischen sich auch sehr schön mit Daniel Raschinskys Bariton, der Mein Sehnen, mein Wähnen mit liedhafter Eleganz und Emotion vorträgt.

Dirigent Alex Kober demonstriert beispielhaft hier sein Konzept für den Abend. Der Sänger wird aufmerksam und schlank begleitet, ohne das man auf die vielen Feinheiten der unterschiedlichen Stile zu verzichten braucht. Insgesamt eine hervorragende Leistung, die sich die Bertelsmann-Stiftung von der Deutschen Oper am Rhein eingekauft hat

Die Jury hört den Beiträgen aufmerksam zu und macht sich Notizen. Einige Teile des Publikums diskutieren lieber direkt während der Arie schon mit ihrem Nachbarn darüber, erreichen aber kein kritisches Niveau, sondern bleiben bei Floskeln alla „Kennst du das?“ - „Eine herrliche Melodie“ - „Das habe ich neulich von der Netrebko gehört“ stecken. Schlichtweg unglaublich, dass einige Zuschauer nicht begreifen, dass dieses Konzert nicht nur ein buntes Klassik-Programm, sondern ein Wettbewerb ist, wo die gesamte Konzentration im Raume dem Sänger auf der Bühne helfen kann. Eine Sonderstellung nimmt der Block vorne links vor der Bühne ein: Hier demonstrieren die nicht weiter gekommenen Neuen Stimmen beim Applaus lautstarke Unterstützung.

Der Publikumspreis hingegen zeigt viel Sachverstand, denn Jongmin Park hat für sein Come dal ciel precipita die meisten Stimmen bekommen. Die Jury entscheidet sich für sechs Sängerinnen und Sänger, die das Finale bestreiten: Jinxu Xiahou, Nadezhda Karyazina, Cristina-Antoaneta Pasaroiu, Jogmin Park, Olga Bezsmertna und Maria Celeng.

Christoph Broermann, 20.10.2011


Die Jury mit Liz Mohn v.l.n.r.: Nicholas Payne, Evamaria Wieser, Gustav Kuhn, Dominique Weber, Jürgen Kesting, Siegfried Jerusalem, Francisco Araiza, Brian Dickie.


Die Semifinalisten


Die Finalisten mit Liz Mohn und Dominique Weber

Fotos: Bertelsmann-Stiftung