Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Weltweit bekannt


Zu Recht gewonnen




Kateryna Kasper ist in der Ukraine geboren und lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Mit ihrer großartigen Leistung hat sie vollkommen zu Recht den Wettbewerb gewonnen. In der neuen Spielzeit wird sie im Frankfurter Opern-Ensemble ihren Platz als Sopranistin einnehmen (5'20).


Auf Erfolgskurs




Musikpädagogin Marja-Leena Pétas ist Geschäftsführerin des Mirjam-Helin-Gesangswettbewerbs und setzt in diesem Jahr auf eine Kommunikationsoffensive, die es so noch nicht gegeben hat (6'15).


Meisterkurse




Um möglichst viele Sängerinnen und Sänger aus den Vorrunden, die es nicht in die Halbfinale geschafft haben, bis zum Schluss zu halten, bietet das Kommittee des Wettbewerbs an den beiden Tagen vor dem Finale Meisterkurse an. Bis zum Finale bleibt trotzdem niemand (5'20).

 

zurück       Leserbrief

Gewinner sind sie alle

In der ersten Augusthälfte fand zum siebten Mal in 30 Jahren der Internationale Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb in Helsinki statt. Rund 50 Nachwuchssänger aus aller Welt bekamen die Gelegenheit, sich einer hochkarätigen Sänger-Jury zu präsentieren. Am Ende des Wettbewerbs gab es vor allem eins: Zufriedenheit.

Ende Juni fiel der letzte Schnee dieses Sommers in Finnland. Danach begann eine wochenlange Hitzeperiode mit bis zu 35 Grad im Schatten. Und so treffen Anfang August acht im Leben überaus erfolgreiche und vor allem erfahrene Menschen bei strahlendem Sonnenschein in Helsinki ein: Jorma Silvasti, Franz Grundheber, Maria Guleghina, Ben Heppner, Robert Holl, Andrea Rost, Nathalie Stutzmann und Deborah Voigt. Sie haben in den kommenden Tagen vor allem eine Aufgabe: Sie müssen Kreuzchen an der richtigen Stelle setzen.

Sie war eine der bedeutendsten Gesangspädagoginnen Finnlands, wenn nicht in der Welt, und sie hatte einen Traum. Mirjam Helin absolvierte ihre Gesangsausbildung Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Lahti, debütierte 1938 und absolvierte eine Karriere als Konzertsängerin, ehe sie endlich zu ihrer eigentlichen Leidenschaft fand. An der Sibelius-Akademie in Helsinki wirkte sie über Jahrzehnte als Gesangsprofessorin. Immer auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihren Traum zu erfüllen. Jenen ultimativen Gesangswettbewerb, den die Welt noch nicht gesehen hat. Immer wieder drehen sich die Gespräche, auch mit Ehemann Hans, um diese Möglichkeit, junge Sängerinnen und Sänger über das Studium hinaus zu fördern. Allein, es hapert an der Umsetzung. Nach dem Tod ihres Mannes, an ihrem 70. Geburtstag, macht Helin Nägel mit Köpfen. Sie übereignet der finnischen Kultur-Stiftung ein Vermögen, das den Grundstein für den Internationalen Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb legt, der seit 1984 stattfindet und bis heute eines der größten Aufgabenfelder der Stiftung darstellt.

Eine außergewöhnliche Idee

Die Geschichte der finnischen Kultur-Stiftung, die heute zu den größten europäischen Privatstiftungen zählt, ist wohl einzigartig. Studenten hatten die Idee, Geld beim Volk einzusammeln, um so die Künste und Wissenschaften in Finnland zu fördern und damit ein Gegengewicht zur schwedischsprachigen Kultur zu schaffen. Die Idee stieß auf fruchtbaren Boden. Seit der Gründung 1937 wurden Millionen eingesammelt, erst Markka, dann Euro. Erst später konnten sich auch Unternehmen für diesen Gedanken erwärmen. Die öffentlichen Sammlungen hatten einen wunderbaren Nebeneffekt. Sie stärkten das Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Kultur im eigenen Land zu fördern und zu unterstützen. So kennt in Finnland beispielsweise heutzutage jedes Kind den Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb.

Der wird alle fünf Jahre ausgerichtet und hat inzwischen eine beachtliche Reputation erreicht. Während bei anderen Wettbewerben erwartet wird, dass die Teilnehmer auf eigene Kosten anreisen, um im ungünstigsten Falle nach einer Arie wieder den Heimweg anzutreten, ist bei Mirjam Helin ein wenig mehr Engagement vonnöten. Neben verschiedenen Arien und Liedern muss der Wettbewerber auch das Lied eines finnischen Komponisten vorbereiten. Mit dem Repertoire eines ganzen Konzertabends im Gepäck kommen die Sängerinnen und Sänger bei Gastfamilien unter. Eine Einrichtung, an die sich Opernsängerin und Jury-Mitglied Andrea Rost gern erinnert. Einst selbst Wettbewerbsteilnehmerin, steht sie mit ihrem Gastvater bis heute in Kontakt. Erleichtert wird ein solcher Kontakt, indem man sich in Helsinki problemlos mit Englisch verständigen kann.

Herzschlag-Finale

In diesem Jahr sind 46 Nachwuchssänger zu den Vorrunden angetreten. Von den ersten bis zur letzten Runde werden sie von derselben Jury beurteilt. Eiserne Regel dabei: Die Juroren dürfen nicht über ihre Eindrücke diskutieren, sondern müssen ihre Ergebnisse in Unterlagen eintragen, die von Marja-Leena Pétas, der Geschäftsführerin des Wettbewerbs, ausgezählt werden. In jeder Runde stehen die Wettbewerbsteilnehmer aus der ganzen Welt jeweils 20 Minuten auf der Bühne. Ausgiebig Gelegenheit also, sich dem Publikum zu präsentieren. Ob sie dabei mit einem Pianisten antreten, den sie selbst mitbringen, oder auf einen der Pianisten des Wettbewerbs zurückgreifen, bleibt dabei ihnen überlassen. Beide Entscheidungen haben ihr Für und Wider. Während der Pianist aus der Heimat und der Wettbewerber sich oft sehr gut kennen, sind den Wettbewerbspianisten natürlich die örtlichen Gegebenheiten, vor allem also die Akustik, sehr viel geläufiger.

Was schon in den Vorrunden auffällt: Das sängerische Niveau der 20- bis 30-Jährigen ist ausgesprochen hoch. Anscheinend trauen sich wirklich nur die Besten zu, mit einem solch umfangreichen Repertoire anzutreten. Und so sind hier wirklich alle die Gewinner. Die Sängerinnen und Sänger, die internationale Erfahrung auf einem hohen Level sammeln können. Die Jury, die sich über den Moment hinaus einen echten Eindruck von der Gesamterscheinung der Nachwuchskünstler verschaffen kann. Vor allem aber das Publikum – inzwischen weltweit. Denn in diesem Jahr hat die Wettbewerbskommission unter dem Vorsitz von Reijo Kiilunen besonderen Wert auf die Außenwirkung gelegt. Die „sozialen Medien“ wie Facebook und Twitter werden bedient. Das finnische Fernsehen YLE überträgt sämtliche Wettbewerbsrunden live – und zwar auch als Direktübertragung im Internet. Das Interesse ist groß. Schon in den Halbfinalrunden, in denen noch 19 Teilnehmer auftreten, ist der Große Saal im Konzerthaus Musiikkitalo sehr gut besetzt. Geschätzte 1.000 Besucherinnen und Besucher verfolgen die Ausscheidungskämpfe. Zwar reicht es noch nicht ganz zum „Talk of the Town“, aber für einen Gesangswettbewerb erreicht Mirjam Helin schon eine beachtliche Aufmerksamkeit.

Beachtlich ist vor allem auch der an Perfektion grenzende Organisationsgrad. Zwei Tage bleibt dem Komitee bis zum Finale Zeit, dann liegt ein fertig gedrucktes Programmheft mit den Finalteilnehmern vor. Die wiederum können mit einem guten Gefühl in den Abend gehen. Vier Sängerinnen und vier Sänger haben es ins Finale geschafft. Bei vier, nach Geschlechtern getrennten Preisen und einem Sonderpreis für die beste Interpretation eines finnischen Liedes wird es keine Verlierer geben. Begleitet werden die Künstler an diesem Abend vom Finnischen Radio-Symphonie-Orchester unter der Leitung von Kapellmeister Hannu Lintu. In dem Bemühen, dem Abend Größe zu verleihen, schießt der Dirigent mehr als einmal über das Ziel hinaus und vergisst, dass es eigentlich um die Verständlichkeit der Sängerinnen und Sänger geht.

Während einer der Besucher gleich schon mal zu Beginn des Abends die Überzeugung äußert, der koreanische Tenor werde den ersten Platz machen, und damit allgemeines Gelächter erntet, betritt die russische Sopranistin Elena Guseva die Bühne. Mit dem Richard-Strauss-Lied September und der Arie No word from Tom aus Stravinskis Rake’s Progress gelingt ihr ein Achtungserfolg. Ähnlich verhält es sich mit dem Bariton Dmytro Kalmuchyn aus der Ukraine. Erwartungsgemäß zeigt er sich für Rodrigos Arie O Carlo, ascolta … Io morrò … aus Verdis Don Carlo mit seinen 21 Jahren zu jung. Da hilft auch Mendelssohns Ist nicht des Herrn Wort wie ein Feuer aus Elias nicht weiter. Der Wunsch, das Publikum respektive die Jury mit einer „großen“ Rolle zu beeindrucken, funktioniert nicht, wenn man ihr nicht gewachsen ist. Umgekehrt bedarf es des Muts und außerordentlichen Könnens, der Pamina-Arie Ach, ich fühl’s aus der Zauberflöte etwas Neues abzugewinnen. Der in der Ukraine geborenen Sopranistin Kateryna Kasper, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt und in der neuen Spielzeit im Frankfurter Ensemble beginnt, gelingt nicht nur das, sondern die Arie der Thérèse aus Poulencs Les mamelles de Tirésias Non, Monsieur, mon mari sorgt für die ersten Bravo-Rufe des Abends. Kasper beherrscht nicht nur ihr Fach ausgezeichnet, sondern bringt auch die nötige Ausstrahlung mit auf die Bühne. Und für die Gewehrschüsse in Non, Monsieur, mon mari hat sie zuvor dem Schlagwerker zwei Ballone in ihren Heimatfarben Gelb und Blau gebracht, die der auf den Bruchteil der Sekunde genau zum Platzen bringt, während Kasper mit entsprechender Gestik auf der Bühne hantiert. Ein Glanzpunkt des Abends. Eigentlich ideale Vorbedingungen für Beomjin Kim, den 24-jährigen Tenor aus Korea. Das Orchester scheint eingespielt, das Publikum glüht. Auf seiner Agenda stehen Rodolfos Che gelida manina aus der Bohème und Romeos L’amour, l’amour aus Gounods Romeo et Juliette. Da braucht der Tenor das Feuerwerk nur noch zu entfachen. Es gelingt ihm nicht. Der Gesang eher eintönig, die Ausdruckskraft gleicht mehr der eines Baumstamms. Zudem muss er gegen das Dröhnen des Orchesters ansingen. Überraschte Gesichter im Saal, angemessener Applaus. Dem 23-jährigen, kroatischen Bariton Leon Kusavic gelingt es anschließend mit passabler Leistung, das Publikum wieder zur Konzentration zu bringen. Dann betritt Matija Meić die Bühne. Der 28-jährige Bariton aus Kroatien zeigt mit viel Spaß, dass er „komplett“ ist. Schon wieder Rodrigo aus Don Carlo, diesmal mit Son’io, mio Carlo. Diesmal allerdings mit tragender Stimme und hervorragender Bühnenpräsenz. So möchte man den Rodrigo hören. Ähnliches gelingt ihm mit Figaros Largo al factotum. Das Publikum tobt vor Begeisterung. Ekaterina Morozova, russische Sopranistin, die sich im Koloraturfach zu Hause sieht, und Sunyoung Seo, koreanische Sopranistin, bilden den Abschluss.

Die Jury irrt immer

Vor der Bekanntgabe der Gewinner durch die Jury ist die Resonanz des überwiegend fachkundigen Publikums, das im Foyer wartet, selten einhellig. Das Wettbewerbsfeld unglaublich dicht beieinander auf überraschend hohem Niveau. Aber auch die Favoriten sind klar: Kasper und Meić machen das Rennen. Die Preisvergabe also eher Formalität. Nach einer kurzen Abschlussrede des Jury-Vorsitzenden Jorma Silvasti erfolgt dann die offizielle Bekanntgabe. Kateryna Kasper darf sich in der Liste der Ersten Preisgewinnerinnen wie Andrea Rost, Elïna Garanča oder Julia Lezhneva einreihen. Neben René Pape, der den Wettbewerb 1989 gewann, steht nun allerdings der koreanische Tenor Beomjin Kim. Da ist dann doch dem einen oder anderen das Lachen vergangen.

Der diesjährige Mirjam-Helin-Wettbewerb hat nicht nur vorbildhaft gezeigt, wie man mit dem Nachwuchs auch umgehen kann, sondern vor allem bewiesen, dass eine ausreichende finanzielle Ausstattung in den Händen eines erfahrenen Wettbewerbsteams zu wirklich hervorragenden Ergebnissen führen kann. Der Generalsekretär der Finnischen Kultur-Stiftung, Antti Arjava, betonte in seiner Abschlussrede nach dem Finale seine ganz besondere Freude darüber, dass das Beste am Ende des Wettbewerbs sei, „dass es nun keine fünf Jahre mehr bis zum nächsten Wettbewerb dauert“. Recht hat er.

Michael S. Zerban, 16.8.2014

 


Kateryna Kasper hat beim diesjährigen
Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb im
wahrsten Sinne des Wortes den Vogel
abgeschossen. Sie hat den Wettbewerb
gewonnen.


Beomjin Kim, koreanischer Tenor,
erhielt ebenfalls den ersten Preis im
Gesangswettbewerb. .


Matija Meić gelingt es, mit einer sehr
überzeugenden Leistung das Publikum
mehr als zu begeistern. Er ist eigentlich
so gut, dass er den Preis eines
Gesangswettbewerbs nicht mehr
braucht, um auf sich aufmerksam zu
machen.


Die Jury des Wettbewerbs besteht
ausschließlich aus Sängerinnen und
Sängern. Das ist so von Mirjam Helin
gewollt. Ein bisschen zu sehr hofiert,
sind sie doch alle Sympathieträger.


Die Preisträger des 7. Internationalen
Mirjam-Helin-Gesangswettbewerbs
treten nach dem Wettbewerb noch in
zwei Konzerten in Finnland auf. Fünf
Jahre wird es dauern, bis das nächste
Bild entsteht.

Fotos: Heikki Tuuli