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NEWS 

Luxuriöser Gesangswettbewerb


 

Die Faszination bleibt




Zur Jahrtausendwende wurde der Maritim-Musikpreis ins Leben gerufen. Seitdem brennen ältere Herren dafür. Und junge Sängerinnen und Sänger profitieren davon. Jochen Stop, Hoteldirektor, und Hermann Rauhe, Gründer des Wettbewerbs, erzählen davon, wie alles begann. Und Anna-Doris Capitelli schaut in die Zukunft (6'51).

 

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An der Ostseeküste

Gesangswettbewerbe gibt es viele. Und sie ähneln sich alle. Das liegt in der Natur der Sache. Aber es gibt einen, der so ungewöhnlich ist, dass er der besonderen Erwähnung bedarf – hier werden alle Teilnehmer verwöhnt. Am vergangenen Wochenende fand das Finale des Maritim-Gesangswettbewerbs am Timmendorfer Strand statt.

Der Timmendorfer Strand in der Lübecker Bucht gilt mit seinen fast sieben Kilometern Strand seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit mehr als anderthalb Millionen Gästen jährlich als eines der mondänsten Ostseebäder. Die Besucherschar ist mit der einer durchschnittlichen Opernaufführung durchaus vergleichbar. An den wunderschönen Landstrich, der in seiner Schönheit mit dichtem Waldbewuchs, einem historischen Ortskern und einem gepflegten Strand Urlaubsorte in Italien, Spanien oder Portugal locker überflügeln kann, reisen gern Pensionäre, die sich über ihr Vermögen keine Gedanken machen, weil es ausreicht. Darunter mischen sich junge Familien, die früh zu sehr viel Geld gekommen sind oder „altes Geld“ verbrauchen können. Aber natürlich gibt es auch die „Sparfüchse“, die mit pauschalisierten Angeboten meist im Bus anreisen, um die einzigartige Mischung aus Luxus, Liebe zur See und die Dekadenz eines Badeortes zu genießen.

Ein solcher Ort besteht meist aus teuren Hotels und Ferienwohnungen, ein paar Bausünden, einem Kurpark, einer Einkaufsmeile und einer Strandpromenade mit einer Menge Restaurants. Das ist auch am Timmendorfer Strand nicht viel anders. Und damit verbietet sich auch regelmäßig der Besuch des Ortes von Studenten. Da passt das Budget einfach nicht. Eine Ausnahme gibt es: So ein Student, egal welchen Geschlechts, kann überdurchschnittlich gut singen.

Seit der Jahrtausendwende gibt es am Timmendorfer Strand die Maritim-Musikwoche, die mit einem Gesangswettbewerb endet. Im Jahr 2000 stand zur Debatte, wie das gleichnamige Seehotel die Vorweihnachtszeit mit einer PR-trächtigen Aktion beleben könnte. Hermann Rauhe, zu der Zeit noch Professor an der Universität Hamburg und an der Musikhochschule der norddeutschen Metropole, entwickelte mit Hoteldirektor Jochen Stop die Idee einer Musikwoche im Luxushotel an der Promenade des Küstenortes. Seither nutzt Rauhe seine persönlichen Verbindungen, um eine Woche lang Diskussions- und Musikveranstaltungen aus den verschiedensten Bereichen anzubieten. Den Abschluss bildet der Gesangswettbewerb, an dem inzwischen fünf Musikhochschulen teilnehmen: Hamburg, Rostock, Lübeck, Hannover und ab dem kommenden Jahr Bremen.

„Die Vorrunden“, erzählt Rainer Wulff, der 37 Jahre lang als Journalist für den Norddeutschen Rundfunk (NDR), zuletzt als Opernredakteur für NDR Kultur, gearbeitet hat, „finden noch in meinem Beisein in den Hochschulen statt.“ Denn der Moderator ist nicht nur dem Wettbewerb seit 2001 verbunden. Inzwischen ist er Vorsitzender der Jury und Leiter des Wettbewerbs, den er seit vielen Jahren moderiert. In diesem Jahr eine schiere Mammutaufgabe. 50 Gesangsstudenten hatten sich zur Teilnahme angemeldet, die alle mit mindestens zwei Stücken gehört werden wollten, das sie aus einem selbst zusammengestellten Wettbewerbsrepertoire von einer halben Stunde Länge auswählen. Unterstützt wurden die angehenden Sängerinnen und Sänger von 33 Klavierbegleitern. Und so kamen heuer Menschen aus 23 Ländern dieser Erde zusammen. Aber: Lediglich 14 der Sänger werden zum Halbfinale an den Timmendorfer Strand zugelassen.

Wettstreit in angenehmem Ambiente

Dass die Halbfinalisten mit ihren Klavierbegleitern den Luxus des Seehotels genießen dürfen, ist eine angenehme Begleiterscheinung. Denn im Halbfinale müssen sie ein 14-minütiges Programm aus Oper, Operette, Oratorium und Lied präsentieren. Da bleibt neben einem Strandspaziergang oder dem Genuss der einen oder anderen Maßnahme aus dem umfangreichen Wellness-Angebot des Hotels kaum mehr Zeit, die nicht für Übungen verwendet wird. Beim Halbfinale selbst wird bereits der beste Klavierbegleiter auserkoren, „damit auch jene Pianisten eine Chance haben, deren Sänger nicht das Finale erreichen“, erzählt Wulff. So wie in diesem Jahr, in dem der 25-jährige Hannoveraner Student Jamie Bergin noch bis zur offiziellen Bekanntgabe seines Gewinns beim Finale verweilte.

Jury mit hohem Sympathie-Faktor

Eine weitere Besonderheit erwartet die Teilnehmer in Form der Jury, die sich in diesem Jahr unter anderem aus den Sängern Roswitha Christina Müller, Milana Butaeva und Hartmut Bauer, den Journalisten Christian Strehk, Jürgen Feldhoff und Hans-Peter Raiß, alle Regionalpresse, sowie Dominique Caron, der Intendantin der Eutiner Festspiele, zusammensetzt. Erstaunlich, in welcher Einmütigkeit die verschiedenen Blickweisen zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen. So ungewöhnlich wie sympathisch: Auch die Stifter der Preisgelder nehmen an der Jury-Sitzung teil. Sie haben zwar – wie es sich gehört – keinen Einfluss auf die Bewertung, werden aber sehr wohl gehört, was den Einsatz der Preisgelder angeht. Und so werden auch am Abend der finalen Jury-Sitzung durchaus noch Gewichtungen verändert, bis sich am Ende ein für alle Beteiligten einverständliches Bild ergibt. Bei einer allgemein abnehmenden Sponsorenbereitschaft der Wirtschaft ist der ehrenamtlich arbeitende Wulff umso glücklicher, dass er nicht nur auf langjährige Stifter, sondern gar auf Zuwachs bei den Geldgebern bauen darf. Ist der Wettbewerb doch rein privat finanziert. „Sie alle tragen erheblich zur Attraktivität dieses Wettstreits bei und sind gute Beispiele für ein erfolgreiches kulturelles Engagement“, unterstreicht der Moderator die Bedeutung der Sponsoren für diese „internationale norddeutsche Meisterschaft“.

Meister gibt es unter den Finalisten des Wettbewerbs keine. Das wäre auch ein wenig viel verlangt. Aber es gibt Stimmen, die schon jetzt aufhorchen lassen. Dazu gehört auf jeden Fall die 23-jährige Anna-Doris Capitelli aus Hannover, deren Mezzosopran frech und frisch wie ein Sommerwind daherkommt und ihr den zweiten Platz sowie einen Förderpreis einbringt. Mit der Séguedilla der Carmen Près des remparts de Séville überzeugt sie mit wunderbar verständlichem Französisch und einer erstaunlichen Bühnenpräsenz, die dem Publikum im vollbesetzten „Konzertsaal“ des Hotels vor allem auch bei ihrem Vortrag von Orlofskys Fledermaus-Couplet Ich lade gern mir Gäste ein besonders gut gefällt. Weniger die Bühnenpräsenz, sondern wohl eher die Stückauswahl bringt dem Tenor Sunghyun Kim den ersten Platz ein. Ein Nessun dorma kommt beim Publikum immer gut an, auch wenn bei dem Südkoreaner das Gänsehaut-Feeling ausbleibt. Musikalisch sauber, in der Sprache noch verbesserungsfähig gibt er Dein ist mein ganzes Herz, die Arie des Prinzen Sou Chong aus Das Land des Lächelns, mit viel Prey-Empathie. Auch die beiden Drittplatzierten werden noch viel von sich reden machen. Der 27-jährige Grzegorz Sobczak ist erst vergleichsweise spät zum Gesang gekommen, hat in seiner polnischen Heimatstadt Sublice mit dem Studium begonnen und setzt es derzeit in Rostock fort. Seinen hellen, klangschönen und voluminösen Bariton präsentiert er sehr selbstbewusst und vor allem mit großer Bühnenpräsenz. Dabei hat er auch vor großen Arien keine Angst. Ob Tschaikowskys Eugen Onegin oder die Arie des Don Rodrigo Per me giunto … O Carlo ascolta aus Don Carlo – beides erklingt sehr überzeugend auf der Bühne. Caroline Nkwe hat in der Heimat Südafrika Gesang studiert und will ihr Studium jetzt in Lübeck vervollständigen. Auch die 28-jährige Sopranistin wartet mit ungewöhnlichem Programm auf und überzeugt das Publikum vor allem mit ihrer Granada-Version. Das bringt ihr zusätzlich ein Engagement bei den Eutiner Festspielen im nächsten Jahr ein.

Alle Jahre wieder

Auch wenn sich Nkwe im Vorfeld eine bessere Platzierung „ausgerechnet“ hatte – am Ende der diesjährigen Maritim-Musikwoche gibt es nur zufriedene Gesichter. Direktor Stop freut sich über die zunehmende Aufmerksamkeit, die sein Haus mit diesem überdurchschnittlichen Engagement gewinnt, und sagt schon jetzt zu, dass es auch im kommenden Jahr wieder einen Wettbewerb geben wird. Hermann Rauhe, inzwischen 84 Jahre alt und Ehrenpräsident der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, arbeitet mit seinem ausgedehnten Netzwerk schon am kommenden Programm einer neuen Musikwoche. Und Rainer Wulff? Der geht jetzt erst mal wieder mit seinem ersten Hörbuch auf Lesereise. Im kommenden Jahr aber in der Vorweihnachtszeit treffen sie sich alle wieder am Timmendorfer Strand, um ein paar besonders begabten Gesangsstudenten den schwierigen Start einer Karriere ein wenig zu erleichtern.

Michael S. Zerban, 16.12.2014

 


Die Gewinner des 15. Maritim-
Musikpreises 2014 stehen fest. Jury-
Vorsitzender und Organisator Rainer
Wulff (Bildmitte) ist zufrieden.


Mit Dein ist mein ganzes Herz sang
Tenor Sunghyun Kim sich auf den
ersten Platz.


Anna-Doris Capitelli begeisterte die
Jury mit Puccini im Halbfinale. Mit
Carmen erreichte sie schließlich den
zweiten Platz
.


Hoteldirektor Jochen Stop freut sich,
dass es gleich zwei dritte Plätze gibt:
Bariton Sobczak und Caroline Nkwe
erfreuten auch das Publikum
gleichermaßen.


Von Dominique Caron, Intendantin
der Eutiner Festspiele, erhielt Caroline
Nkwe zudem eine Rolle bei den
Festspielen 2015.

Fotos: Thomas Berg