Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Erinnerung an Tanja Liedtke


 
 

zurück       Leserbrief

Die Erinnerung kehrt zurück

In der Tanzwelt bis heute unvergessen ist die Tänzerin und Choreografin Tanja Liedtke, die im Alter von 29 Jahren sterben musste, ehe sie die ganz große Karriere antreten konnte, die sich zu Lebzeiten abzeichnete. Ende November wird im Forum Leverkusen eine ihrer letzten Arbeiten zu sehen sein: Imploded – Une Rêverie Romantique ist eine Hommage an Michel Fokines Ballett Les Sylphides.

Ihr Leben schien zu schön, um wahr zu sein. Tanja Liedtke, 1977 in Stuttgart geboren, begann mit acht Jahren ihre Tanzausbildung in Madrid, die sie in Großbritannien an der Elmhurst School for Dance und der Ballet Rambert School fortsetzte. Gerade mal 20 Jahre alt, zog sie nach Australien, wo sie ihre Ausbildung vervollkommnete und ihre Karriere als Tänzerin und Choreografin begann. Zehn Jahre später, im Mai 2007, erfuhr sie, dass sie die Nachfolge von Graeme Murphy als künstlerische Leiterin des bedeutendsten australischen Tanztheaters, der Sydney Dance Company, im darauffolgenden Oktober antreten sollte. Dazu kam es nicht mehr. In den frühen Morgenstunden des 17. August 2007 wurde sie von einem Müllwagen auf den Straßen Sydneys erfasst und getötet. Ein Leben für die Leidenschaft war jäh beendet.

Aber wie heißt es? Du bist erst tot, wenn sich niemand mehr an dich erinnert. Tanja Liedtke lebt in ihren Werken fort. Eine ihrer letzten Arbeiten war Imploded – Une Rêverie Romantique. Nach den ersten Jahren ihrer beruflichen Laufbahn am Australian Dance Theatre kehrte sie 2003 nach England zurück, um am Londoner DV8 Physical Theatre unter Lloyd Newson zu arbeiten. Dort trat sie unter anderem mit David Hughes in Just for Show auf.

Hughes, in Leicester geboren, studierte an der Londoner Contemporary Dance School. Seit 2005 hat er seine eigene Compagnie, die staatlich geförderte David Hughes Dance Scotland. In den Anfängen suchst du immer nach einer noch nicht so bekannten, aber wahnsinnig talentierten Choreografin. Hughes aber hatte sie bereits gefunden. Er lud Tanja nach Schottland ein. Hundert Jahre vor dieser Einladung entstand die erste nicht-narrative Choreografie des Russen Michel Fokine, das Ballett Les Sylphides. Die Choregrafin schuf eine „skurrile, schnörkelig-exaltierte Hommage“, die am 11. Mai 2007 uraufgeführt wurde. Just an dem Abend, an dem ihr nach Twelfth Floor zweites abendfüllendes Werk Construct in London uraufgeführt wurde.

Die Erinnerung lebt auf

Ende November gibt es im Forum Leverkusen die Gelegenheit, die Fokine-Hommage im Rahmen eines vierteiligen Ballett-Abends der David Hughes Dance, also quasi im Original zu erleben. Im zweiten Teil wird eine Deutschland-Premiere zu sehen sein. Dann nimmt sich die Choreografin Cathy Marston der Macbeth-Geschichte an. In diesem Stück tanzt Hughes selbst die Rolle des Macbeth. Rafael Bonachela, der künstlerische Leiter der Sidney Dance Company, jener Compagnie also, die eigentlich heute von Tanja Liedtke hätte geleitet werden sollen, hat mit 4-Freeze-Frame 2005 ein Stück geschaffen, dessen Musik vom 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Eine weitere Deutschland-Premiere schließt sich an. Spitfire, „eine überaus komische Parodie auf klassisches Ballett“, so zumindest kündigt es das Forum Leverkusen an, stammt von dem Choreografen Matthew Bourne. Spitfire war Bournes erster Erfolg und wurde zu so etwas wie seinem Markenzeichen. „Ein Fest an männlicher Eitelkeit und ein liebevoller Kommentar auf die herausgeputzte Pracht des ‚Danseur noble‘“, heißt es dazu im Programmheft der Compagnie.

Zwar kommt die Musik auch an diesem Abend „vom Band“, aber gerade die Bandbreite der Musik wird einen das vermutlich gern in Kauf nehmen lassen. Tanja Liedtke hatte für Imploded Musik von dem Album Some of my best friends are DJs von Kid Koala ausgewählt. Das ist authentisch, denn Freundschaft und Tanz gehörten für die junge Tänzerin immer zusammen.

Michael S. Zerban, 11.11.2014

 


Mit 4-Freeze-Frame aus 2005 empfiehlt
sich Rafael Bonachela, der heute
künstlerischer Leiter der Sydney Dance
Company ist.


Spitfire heißt das Erfolgsstück von
Choreograf Matthew Bourne, das für
ihn zum Markenzeichen wurde. Eine
Parodie auf den Danseur noble.


Walking Shadows lautet der Titel der
Choreografie von Cathy Marston, die
hier die Macbeth-Geschichte erzählt.
Eine deutsche Erstaufführung.


Imploded nannte Tanja Liedtke das
Stück, das sie eigens für die David
Hughes Dance Scotland entwickelte.
Eine Hommage, die an die viel zu früh
verstorbene Tänzerin erinnert.