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Gegen den Pokal


 
 

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Alles auf Anfang

40 Jahre lang leitete Josef A. Waggin den Konzertchor 73 Ratingen, den er selbst ins Leben gerufen hat. Ende vergangenen Jahres übernahm Dirigent Thomas Gabrisch die Künstlerische Leitung. Jetzt steht sein Antrittskonzert bevor. Startschuss großer Pläne für einen kleinen, aber feinen Chor.

Ratingen ist eine Stadt mit rund 90.000 Einwohnern im Kreis Mettmann vor den Toren Düsseldorfs. Der idyllische Stadtkern mit Bürgerhaus, Peter-und-Paul-Kirche und dem dahinter liegenden Minoritenkloster zieht zahlreiche Ausflügler an, die gerne auch den drei Mal in der Woche stattfindenden Markt besuchen. Zwei Mal im Jahr ist Ratingen eher Anziehungspunkt für Musikliebhaber. Dann nämlich lädt der Konzertchor Ratingen 73 zu einem Konzert. Bis Ende vergangenen Jahres sorgte Josef A. Waggin für das hohe musikalische Niveau, das den Chor weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt machte.

Waggin ging schon während seines Studiums an die St.-Josef-Kirche in Düsseldorf-Rath, wo sich die zweitgrößte Orgel der Stadt, die Klais-Orgel, befindet. Dort blieb er 40 Jahre lang als Kantor, gleichzeitig war der Vater zweier Töchter Musiklehrer am Ratinger Theodor-Heuss-Gymnasium. Seine Leidenschaft für die Musik veranlasste ihn auch, den Konzertchor Ratingen 73 zu gründen. Ziel war es, die großen Chorwerke aller Stilepochen einzustudieren und in Konzerten öffentlich aufzuführen. Mit 62 Jahren hat er die Leitung abgegeben.

Als Thomas Gabrisch vom Rücktritt Waggins erfuhr, setzte er sich mit dem Chorleiter in Verbindung und wurde umgehend zu einer Probe eingeladen. „Die Chemie stimmte auf Anhieb, und wir haben schon Pläne für interessante Konzerte in Ratingen und im Ausland geschmiedet“, erzählt Gabrisch.

Der gebürtige Hamburger lebt im Rheinland, seitdem er mit 22 Jahren an der Deutschen Oper am Rhein zunächst als Korepetitor, später als Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor bei Donald Runnicles arbeitete. Seit siebzehn Jahren ist der Dirigent Professor für die Opernklasse an der Robert-Schumann-Hochschule. Und immer mal wieder treibt es ihn nach Kuba, wo er inzwischen zum Ständigen Gastdirigenten ernannt wurde. Derzeit allerdings ist an Reisen nicht zu denken. Denn die Proben mit dem Ratinger Chor laufen auf Hochtouren.

Antrittskonzert in der Stadthalle

Für sein Antrittskonzert hat der neue Chorleiter ein interessantes Programm ausgewählt. Es gibt Magnificat – gleich zwei Mal. Nach dem biblischen Lobgesang der Maria in der strahlenden Barock-Version von Johann Sebastian Bach ist die gleichnamige Komposition des britischen Komponisten John Rutter zu hören, der daraus mit lateinamerikanischen Rhythmen, Anklängen an Filmmusik und gregorianischen Hymnen ein eindrucksvolles Werk für Solosopran, Chor und Orchester geschaffen hat. Der 1945 geborene Brite, Leiter der englischen Cambridge Singers, ist einer der raren zeitgenössischen Komponisten, der gut hörbare, besonders im angelsächsischen Raum populäre Chormusik geschrieben hat.

Und weil Thomas Gabrisch gewohnt ist, in großen Dimensionen zu denken, hat er mit seiner Amtsübernahme auch gleich erst mal ein Orchester für den Chor gegründet. Die Sinfonietta Ratingen besteht aus Profi-Musikern aus den Orchestern Düsseldorf, Duisburg, Essen, Köln, aus Professoren und Dozenten der Robert-Schumann-Hochschule und einigen besonders begabten Studierenden. „So erreichen wir erheblich mehr Flexibilität, wenn man bedenkt, dass ein gutes Orchester bis zu zwei Jahre im voraus gebucht werden muss“, freut sich Gabrisch, der die Musiker „handverlesen“ hat.

Während der Chor selbst ausschließlich aus Laien besteht, die über langjährige Erfahrung verfügen, vertraut der Dirigent bei den Solisten auf bekannte Stimmen aus der Oratorienszene: Die lyrische Sopranistin Sabine Schneider, die Mezzosopranistin Elvira Bill, Tenor Andreas Post sowie der Bass-Bariton Thomas Laske.

Nachwuchs erwünscht

So ganz will Gabrisch auch in Chordiensten nicht von der Oper lassen. „Für die Zukunft haben wir auch Konzerte mit Opernchören geplant“, verrät der Musiker, dessen Anspruch an den Chor ist, so professionell wie möglich zu werden. Dazu gehört auch, dass der Chor von seinen jetzt 65 Mitgliedern wieder zu alter Stärke mit etwa 100 bis 120 Sängerinnen und Sängern geführt werden soll. Gabrisch setzt hier auf die steigende Bekanntheit des Chores, die Menschen mit Notenkenntnissen und bereits vorhandener Erfahrung im Chorgesang anziehen soll. „Ideal wären Menschen, die schon mal in einem Jugend- oder Kirchenchor gesungen haben und einen Wiedereinstieg suchen“, beschreibt der Musikprofessor seine Wunschkandidaten.

Bis es so weit ist, steht aber erst mal das Antrittskonzert an. Und das birgt eine ganz besondere Herausforderung für den Chor und seinen Künstlerischen Leiter. Die müssen nämlich gegen das Fußball-Pokalendspiel antreten. Gabrisch hofft jetzt auf die Enthusiasten, die der Musik den Vorzug geben, und verspricht den Fußballfans: „Das Konzert endet so frühzeitig, dass man es bequem zur zweiten Halbzeit nach Hause schaffen kann“. So viel Kompromissfreude kennt man bei Thomas Gabrisch am Pult glücklicherweise nicht, und so darf man gespannt sein, wie Magnificat in einer Stadthalle klingt.

Michael S. Zerban, 12.5.2014

 


Stabübergabe beim Konzertchor
Ratingen: Josef A. Waggin verlässt
nach 40 Jahren den von ihm
gegründeten Chor.


Oratorien sind die Stärke des Chors.
Thomas Gabrisch will das Spektrum in
der Zukunft erweitern.


Der Chor ist nicht konfessionell
gebunden. Das macht vor allem die
Einsatzstätten flexibel.


Schon in der Vergangenheit unternahm
der Chor zahlreiche Auslandsreisen.
Thomas Gabrisch will diesen Trend
fortsetzen.


Seit Ende November bereiten sich die
Chorsänger auf das Frühlingskonzert
mit Magnificat vor.

Fotos: Konzertchor 73 Ratingen