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Über den eigenen Tellerrand hinaus

Neues finden, indem man sich zu allen Seiten hin öffnet. Seit zehn Jahren ist das die Aufgabe der Sommerakademie Klangkunstbühne. Was klingt wie der Name eines Varietéprogramms, ist ein internationales Treffen auf akademischem Niveau, das sich auch dem Publikum öffnet. Daniel Ott hat sich damit einen Traum erfüllt.

Es ging immer darum, die Künste, die hier unter einem Dach zu finden sind, in Projekten zu bündeln und nach außen zu öffnen“, sagt Daniel Ott, Leiter von Klangzeitort, dem Institut für Neue Musik der Universität der Künste und der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, sowie Künstlerischer Leiter der Klangkunstbühne. Der gebürtige Schweizer studierte Klavier in Basel, später Komposition an der Folkwang-Hochschule in Essen. Heute ist er Professor für Komposition und Experimentelles Musiktheater. „Für mich persönlich ist es wie die Verwirklichung eines langen Traums. Ich habe so was in meiner Ausbildung gesucht und damals nicht gefunden. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsste mich entweder in Musik weiterbilden oder in Theater oder in neuen Medien. Ich habe immer was gesucht, was das zusammenbringen könnte.“ Gefunden hat Ott die Erfüllung in der Klangkunstbühne, die es seit zehn Jahren gibt und alle zwei Jahre stattfindet: Eine „interdisziplinäre Suche nach neuen Bildern, Klängen, Räumen und Figuren“. So heißt es in der Ankündigung des Kursprogramms, das sich vor allem an Künstler und Kulturarbeiter richtet. „Es beteiligen sich Dozenten, Studenten der UdK, aber ganz stark im Dialog mit Kunstschaffenden, mit Dozenten aus der ganzen Welt, die dann für diese Wochen nach Berlin kommen“, sagt Ott.

Während tagsüber in Kursen mit den Teilnehmern dieser Sommerakademie gearbeitet wird, stehen die Gastdozenten an den Abenden für Vorträge und Diskussionen mit und in der Öffentlichkeit zur Verfügung. In diesem kostenlosen Rahmenprogramm erklären die Dozenten in kleinen und entspannten Veranstaltungen ihre künstlerischen Ansätze und Praktiken. Am Ende stellen die Kursteilnehmer in den Abschlusspräsentationen ihre jeweiligen Projekte vor oder zeigen eine neue, gemeinsame Arbeit. Ein thematischer Überbau findet sich in der Auswahl der Gastdozenten. Die Gastkünstler werden in diesem Jahr beispielsweise unter dem Gesichtspunkt eingeladen, dass sie – angefangen von lokalen bis hin zu globalen Zusammenhängen – ihre Kunst politisch und gesellschaftlich verstehen. Auch in diesem Jahr wird wieder ein breites Spektrum an Themen angeboten. Nicole und Axel Timm von der Künstlergruppe Raumlabor, die aus sieben männlichen und weiblichen Architekten besteht, beschäftigen sich mit der Stadtentwicklung jenseits kapitalistisch-wirtschaftlicher Interessen. Autor und Regisseur Hans-Werner Kroesinger setzt sich mit dem dokumentarischen Theater auseinander. Tato Taborda will mit seinem Kurs Wall have Ears als brasilianischer Komponist die Beziehung zwischen Raum und Musik bearbeiten. Auch die Performance-Künstlerin darf bei Klangkunstbühne nicht fehlen. In diesem Jahr beschäftigt sich Nezaket Ekici, Schülerin von Marina Abramovic, mit der „Living-Performance-Installation“. Ganz anders der israelische Künstler Eran Schaerf, der sich mit den Beziehungen zwischen Kunst und ihrer Medienöffentlichkeit befasst. Und nicht zuletzt will Komponist Paul DeMarinis aus Amerika mit dem Thema Séance die Beziehung zwischen den Klängen und ihren Hörern untersuchen. Dass das eine oder andere Thema vielleicht wenig konkret oder ergebnisorientiert klingt, spielt für den Künstlerischen Leiter Ott nicht die tragende Rolle: „Das Wichtigste ist uns eigentlich, ein innovatives Klima zu schaffen.“

Mitmachen ist Trumpf

Was bei Veranstaltungen dieser Art immer wieder überrascht, ist, dass eine abschließende Dokumentation, die die Ergebnisse zusammenstellt und Basis für weiterführende Erkenntnisse auch für Nicht-Teilnehmer bilden könnte, ausbleibt. Kostenpflichtige Teilnahme ist also ein Muss, wenn man sich mit den Themen nachhaltig auseinandersetzen möchte. Dass die Klangkunstbühne trotzdem über den Tag hinaus bewegt, zeigt sich beispielhaft in den Musiktheater-Produktionen wie Ruedi Häusermanns Gang zum Patentamt, aufgeführt bei den Wiener Festwochen 2011. Darüber hinaus haben sich aus den Teilnehmern der Klangkunstbühne künstlerische Gruppen gebildet, die bis heute zusammenarbeiten. Ein schönes Beispiel dafür ist die in Basel nach Berliner Vorbild entstandene Klangraumbühne von Beat Gysin, die aus dessen Teilnahme an der Klangkunstbühne hervorging.

Klangzeitort, Klangkunstbühne, Klangraumbühne – wer hinter solch klingenden Kunstwörtern künstlerische Affektiertheit vermutet, mag nur zum Teil Recht haben. Daniel Ott hat einen triftigen Grund, solche Begriffe zu finden. „Hinter dem Begriff [der Klangkunstbühne] verbirgt sich natürlich Musik, Theater, bildende Kunst. Uns war wichtig, einen Begriff zu schaffen, in dem alle Sparten vorkommen.“

Michael S. Zerban, 20.7.2013

 


Nicole Timm vom Raumlabor setzt sich
mit Räumen in der Stadt auseinander,
jenseits wirtschaftlicher Interessen.


Hans-Werner Kroesinger ist Autor und
Regisseur. Seine Spezialität ist das
dokumentarische Theater.


Der brasilianische Komponist Tato
Taborda kümmert sich um die
Beziehung von Raum und Musik.


Nezaket Ekici ist Performance-
Künstlerin und beschäftigt sich mit der
„Living-Performance-Installation“.


Künstler Eran Schaerf fragt nach den
Bezügen von Inszenierung und
Medienöffentlichkeit.