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Zeichen für Europa


 
 

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Hoher Anspruch zwischen Okzident und Orient

Ein traditionsreiches, anspruchsvolles Festival findet alljährlich am Schnittpunkt der Kulturen in Istanbul statt. Nur wenige Musikkenner und -liebhaber aus dem Ausland finden ihren Weg an den Bosporus, obwohl ein Besuch mit einem vielfältigen Programm und liebevoll ausgewählten Aufführungsorten belohnt wird.

Zum 50. Jubiläum der türkischen Republik wurde das Istanbul-Festival als kulturelles Lebenszeichen 1973  ins Leben gerufen. 1986 spaltete sich das Festival in Istanbul Biennale für Film und Theater, Istanbul Jazz und International Istanbul Music Festival. Letzteres entwickelte sich zu einer kulturellen Institution, die jährlich im Frühjahr stattfindet.  Eine  Vielzahl junger heimischer Künstler gestalten Konzerte an stimmungsvollen Orten wie dem Istanbul-Spielzeugmuseum oder dem Hagia-Irene-Museum. Internationale Solisten, Dirigenten und Orchester bereichern das hochwertige Programm. Kompositionsaufträge sollen das musikalische Schaffen und die Musikszene beleben. In Istanbul, am Schnittpunkt verschiedener Kulturen gelegen, bekommt dieser Auftrag eine besondere Spannung. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren zu einer mondänen, aufstrebenden, wirtschaftlich kompetenten Weltstadt entwickelt. Tausendjährige Geschichte mischt sich mit griechischem, römisch-christlichem Erbe wie auch arabischer und türkisch islamischer Kultur. 

Die diesjährige 42. Auflage des Festivals präsentiert 26 Konzerte unter dem globalen Thema Das Lied der Natur. Ein besonderer Gast ist Diana Damrau.  Mit ihrer Natürlichkeit und ihrem strahlenden Sopran, begleitet von Xavier de Maistre mit dem feinen sphärischen Klang seiner Harfe, verleihen die beiden Künstler dem Festival besonderen Glanz. Mit klug ausgewählten Liedern von Franz Schubert und Richard Strauss sowie impressionistischen Chansons von Reynaldo Hahn und Melodien von Ernest Chausson begeistern sie das Publikum. Das besondere Festival-Encounter mit Yuja Wang am darauffolgenden Abend fällt verletzungsbedingt aus. Der Franzose Jérôme Ducros übernimmt ihren Part im Trio mit dem Cellisten Gautier Capuçon und dem russischen Violonisten Kirill Troussov. Nach weniger überzeugenden Interpretationen romantischer Stücke von Johannes Brahms und Felix Mendelssohn-Bartholdy finden die drei Musiker bei Schostakovichs 2. Trio in e-moll gut zusammen und arbeiten die rhythmisch-harmonisch geprägten Sequenzen dieses Werkes packend heraus.

Emotionaler Höhepunkt am Bosporus

Mit großer Spannung wurde der Auftritt des wohl bedeutendsten lebenden türkischen Musikers Fazil Say und die Welturaufführung dessen Auftragskomposition zum 60. Todestag des türkischen Nationaldichters Sait Faik erwartet.  Entstanden ist ein leicht gefälliges Konzertstück für drei Sprecherinnen und zwei Sängerinnen, angereichert mit einem Schuss türkischer Klänge und lokalen Instrumenten.  Ausgedehnte  fließende Melodiebögen taucht Say in eine melancholische Klangfärbung; lyrische Gesänge verleihen Pathos und ergeben ein garantiertes Wohlbefinden im Publikum.
Das musikalische Ereignis findet in einem malerischen Ambiente am Strand der vorgelagerten Insel Burgazada statt. Beim Blick auf die Bosporusküste mit den Lichtkegeln der Millionenstadt fangen die Gedanken an zu fliegen und in die Weite zu schweifen. Musikalisch bleibt an diesem stimmungsvollen Abend wenig Neues zu entdecken. 

Auch wenn nicht jede Aufführung gleich zum Glanzpunkt gerät: Das Istanbul-Festival zeigt einmal mehr, dass die türkische Metropole viel europäischer ist, als die Politiker es uns weismachen wollen. Und während es dem marodierenden politischen System nicht gelingt, Europa zu einigen, setzen Veranstaltungen wie das Istanbul-Festival wichtige Signale für das Europa der Menschen.

Helmut Pitsch, 27.6.2014

 


Fazil Say gehört zu den bedeutendsten
Musikern der Türkei. Zum Festival
wartete er mit einer Komposition zu
Ehren des türkischen Nationaldichters
Sait Faik auf.


Ungewöhnliche Aufführungsorte sind
ein Merkmal des Istanbul-Festivals.
Das Konzert Says fand auf Burgazada
statt - Idylle pur.


Insgesamt 26 Konzerte zum Thema
Das Lied der Natur umfasst das
Istanbul-Festival in seiner 42. Auflage.

Fotos: Ali Guler