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Jubiläum in Hamburg


 
 

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Telemann zum Fest

Kein rundes, aber gleichwohl begehenswertes Jubiläum feiert die Hamburgische Staatsoper in diesem Jahr. Vor 333 Jahren, genau am 2. Januar 1678, öffnete mit dem Haus am Gänsemarkt die erste bürgerliche Institution dieser Art in Deutschland ihre Türen. Zu den wichtigsten Protagonisten der ersten Jahrzehnte der Hamburger Oper gehört Georg Philipp Telemann. Seine Oper Flavius Bertaridus, eine historische Geschichte um den gleichnamigen Langobardenkönig, wurde 1729 in Hamburg uraufgeführt und seitdem dort nicht mehr gespielt. Für das Jubiläumsjahr wird das Stück nun wiederentdeckt und feiert am 23. Oktober Premiere in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog und unter der musikalischen Leitung Alessandro de Marchis.

Die Produktion ist eine Kooperation zwischen der Hamburgischen Staatsoper und den Festwochen der Alten Musik Innsbruck. Dort kam die Inszenierung bereits im Sommer heraus. Alessandro de Marchi ist nicht nur der musikalische Leiter der Produktion, sondern zugleich Leiter der Festwochen in Innsbruck und ein ausgewiesener Spezialist für das Repertoire um Komponisten wie Georg Friedrich Händel – und eben auch Telemann. Regisseur ist Jens-Daniel Herzog, Intendant der Dortmunder Oper. Natürlich müsse man sich bei so einer Koproduktion auf die unterschiedlichen Begebenheiten der Bühnenhäuser einstellen und gleichsam zwei Fassungen erarbeiten, erläutert er die besonderen Erfordernisse einer solchen Arbeit. Aber es gebe in diesem speziellen Fall noch eine weitere Veränderung. Innsbruck ist ein spezialisiertes Festival , wer dahin fährt, will gezielt Alte Musik hören. Daher war dort im Sommer eine nur um wenige kurze Passagen reduzierte, der Originallänge also noch sehr nahekommende Fassung zu hören, mit einer Vorstellungsdauer von etwa fünf Stunden. An einem großen Haus wie der Hamburgischen Staatsoper, an dem die Produktion zumal ins Repertoire gehen soll, sei das nicht möglich, erklärt Herzog. Daher wird nun in Hamburg eine um etwa eine Stunde gestrichene Fassung zu sehen sein. Auch in dieser Hinsicht gilt es also von Beginn an, zwei parallele Versionen zu erarbeiten, ohne das Grundkonzept der Regie zu verändern.

Für Herzog ist es die erste Begegnung mit Telemann. Das ist kaum verwunderlich, sind dessen Opern doch nahezu vollständig aus dem Repertoire verschwunden. Ausgangspunkt der Handlung, die im 7. Jahrhundert spielt, ist, dass Flavius Bertaridus, der rechtmäßige König der Langobarden, von Grimoaldus als König abgesetzt und ins Exil geschickt wird. Er möchte in sein Land zurückkehren, um dort zu sterben und begraben zu sein, Herrschaftsansprüche stellt er nicht mehr. Seine Schwester Flavia wurde mit Grimoaldus zwangsverheiratet und macht sich nun für ihre Bruder stark, seine Gattin Rodelinda schleicht sich als Bedienstete verkleidet am Hofe Grimoaldus‘ ein, um ihrem Mann zu helfen. Allerlei Intrigen und Machtspiele gilt es zu bestehen, am Ende stirbt Grimoaldus – auf der Jagd – und schließlich wird Flavius Bertaridus doch wieder als König der Langobarden eingesetzt. „Es geht um Verrat und Korruption, private Integrität wird schwer auf die Probe gestellt. Auf der einen Seite geht es um den barocken Lustherrscher Grimoaldus, auf der anderen Seite gibt es den Herrscher Flavius, der seine Affekte gut beherrschen kann. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich alles ab“, erklärt Herzog die Geschichte. „Private und politische Verantwortung werden in ein Verhältnis zueinander gesetzt. Für mich ist es eine hochpolitische Geschichte, die zeigt, wie Menschen deformiert werden können.“ Dieses Konstrukt der Geschichte ist es, was den Regisseur interessiert und was ihn für die Realisierung auf der Bühne motiviert.

Die besondere Schwierigkeit bei Telemann, mehr noch als zum Beispiel bei Händel, liege darin, dass mitunter in einer Situation, die sich zwischen zwei Figuren abspielt und auf der Ebene der äußeren Handlung nur um einen kurzen Impuls geht, vier Arien nach dem gleichen musikalischen Schema hintereinander folgen. Da eine Spannung aufzubauen und zu halten, die Längen überbrücke und die komplexen Charaktere der Figuren zeige, das sei schon eine handwerkliche Herausforderung, betont Herzog.

Eine spannende Geschichte, feine und elegante Musik – so beschreibt der Regisseur als Fazit die Qualitäten dieser in Vergessenheit geratenen Oper Telemanns. Und so, wie er es erzählt, stimmt es auf jeden Fall sehr neugierig auf eine Opernproduktion, die gerade in Hamburg von dem besonderen Reiz geprägt ist, den Bogen zurückzuschlagen zu den Wurzeln des Hauses am Gänsemarkt.

Christian Schütte, 20.10.2011

Fotos: Jörg Landsberg