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Musik im Grenzbereich


 
 

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Grenzenlose Oderklänge

Ein Musikzentrum östlich von Berlin, im Sand der Mark? Wer sich die Musik anhört, die vom Brandenburgischen Staatsorchester aus Frankfurt an der Oder kommt und sich mit dem umfangreichen Musik- und Bildungsprogramm befasst, ist überrascht und öffnet ungläubig Augen und Ohren.

Kulturzentren neben dem Giganten Berlin haben es schwer, wahr genommen zu werden. Davon wissen Städte wie Brandenburg, Cottbus, aber auch Potsdam ein Lied zu singen. Das Land Brandenburg, der Sandgürtel um Berlin zwischen Havel, Elbe und Oder kann mit Heide, Flußauen und verträumten Ferienhöfen punkten, mit Theater und Oper wird das schon schwieriger. Das gilt besonders für die Landstriche östlich von Berlin, etwa die Grenzstadt Frankfurt an der Oder. Wer sich, von der Autobahn A 12 kommend, mit dem innerstädtischen Verkehr nach Frankfurt an der Oder hinein treiben lässt, kann unversehens und fast unbemerkt in Polen landen, in Słubice, einem ehemaligen Stadtteil von Frankfurt, der 1945 Polen zugeteilt wurde. Frankfurt mit knapp 60.000 Einwohnern und Słubice, etwa 16.000 Einwohner, bilden ein einzigartiges urbanes Gebilde an beiden Ufern der Oder, die heute mehr Verbindung als Grenzfluss ist. Frankfurt, Kleist- und Universitätsstadt, ist eine Stadt am Wasser. Das Oderhochwasser von 1997 und jährlich reichliche Regenmengen weisen den Siedlungspunkt als sehr wasserreiche Gegend aus. Um 1200 entstand in Lebus an einer besonders engen Stelle der Oder eine Kaufmannssiedlung, die bald zum Kreuzungspunkt von Wasser- und Landhandelswegen wird, dem heutigen Frankfurt.

Aus dem Schatten Berlins ist Frankfurt an der Oder zumindest musikalisch seit Längerem herausgetreten. Volker Ahmed, Vorsitzender des Landesausschusses Jugend musiziert, kennt die Szene in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und weiß: Diese Länder schneiden jedes Jahr beim Bundesmusikwettbewerb sehr gut ab. Hier „gehören viele Jugendliche aus dem Nordosten zu den Preisträgern“, sagt Ahmed. „Wir haben inzwischen eine ganze Palette von Musikangeboten aufgebaut, mit denen wir den Kontakt und die Mitarbeit von Kindern und Jugendlichen fördern. Und die Mitglieder des Brandenburgischen Staatsorchesters sind mit Eifer dabei“, fügt Peter Sauerbaum, Intendant des Brandenburgischen Staatsorchesters hinzu.

Festivals fördern die Zusammenarbeit

Ein herausragendes, schon traditionsreiches Ereignis ist das deutsch-polnische Festival Musikfesttage an der Oder, das in diesem Jahr vom 27. Februar bis zum 7. März unter dem Motto Cellissimo stattfindet. Das 1965 als Frankfurter Festtage der Musik gestartete Festival wird seit 1994 in enger Zusammenarbeit mit der Philharmonie Zielona Góra als Internationale Musikbegegnung Ost-West gefeiert. Mit einem deutsch-polnischen Musikprogramm und unter abwechselnder Leitung aus Frankfurt und Zielona Góra hat es sich zum bedeutendsten und traditionsreichsten Musikfestival Ostbrandenburgs gemausert. Hier treffen sich die polnische Philharmonie Tadeusz Baird und das Brandenburgische Staatsorchester. Czesław Grabowski und Howard Griffiths, ihre Künstlerischen Leiter und Dirigenten, treten abwechselnd mit den Orchestern auf, die sich auch zu gemeinsamen Konzerten treffen – einfach praktizierte Nachbarschaft. Ein besonderer Höhepunkt war das Eröffnungskonzert 2007, als beide Festivalorchester gemeinsam mit der Singakademie Frankfurt, mit 120 aktiven Mitgliedern der größte Konzert- und Oratorienchor der Stadt, zu einem gewaltigen Klangkörper zusammentraten.

Mit seinen Projekten gelingt es Griffiths, jährlich zwischen 350 und 400 Kinder und Jugendliche für den Chorgesang zu begeistern und sie an künstlerische Ausdrucksformen heran zu führen. Weit beachtete Aufführungen wie die Carmina Burana oder das Tanzprojekt Die Planeten überzeugen Teilnehmer und Besucher vom Erfolg dieses Programms. Im Mai dieses Jahres steht die Aufführung der Kinderoper Die Orchestermäuse auf dem Programm. Ständige Kontakte mit Schulen aus der Region diesseits und jenseits der Grenze sind eine wichtige Basis für den Erfolg dieser grenzüberschreitenden Projekte.

Musikreihen für verschiedene Publika

Eine weitere Säule der musikalischen Arbeit sind die beliebten Familienkonzerte , mit denen die Frankfurter auch durch die Mark ziehen. „Die Konzertreihen Wiener Klassik und die Philharmonischen Konzerte führen wir für unser klassisches Konzertpublikum auf“, erzählt Sauerbaum. Nationale Anerkennung erfährt das Brandenburgische Staatsorchester durch seine jährliche Mitwirkung beim Bayreuther Wagner-für-Kinder-Projekt, das Kindern und Jugendlichen einen frühen Zugang zu Wagners Musikdramen öffnen soll. Die Zusammenarbeit mit der Singakademie, Tage der offenen Tür, öffentliche Generalproben und ähnliche Veranstaltungen sind Zeugnisses für die erstaunliche Vernetzung dieses Musikzentrums, das mit der Aufnahme von CD, DVD und Filmmusiken demonstriert, dass Musizieren das Leben bunter und wertvoller macht. „Der Weg ist das Ziel, besonders bei den Projekten für Kinder und Jugendliche“, betont der Intendant.

Zwischen Frankfurt und Zielona Góra, kaum 130 Kilometer südöstlich von Frankfurt gelegen, gibt es enge Verbindungen. Peter Sauerbaum und sein polnischer Kollege Grabowski, Direktor der Filharmonię Zielonogórską, sehen in der Grenzlage ihrer Häuser mehr Vor- als Nachteile, kaum besondere Erschwernisse. Sie verstehen ihren Programmauftrag als die Vermittlung international wertvoller und anerkannter Konzertmusiken jeglicher Provenienz und jeden Charakters. Dabei sind sie neugierig, innovativ und experimentierfreudig. Beide Orchester wollen ihren Besuchern gute Musik vermitteln und sie für Musik neugierig machen, gleichgültig, wo sie leben. In gegenseitiger Ergänzung geht das prima. GMD Griffith, für viele unkonventionelle Einfälle und Vorhaben gern zu haben, richtet sich nach der Qualität der Kompositionen und dem Interesse des Publikums. Diese Offenheit ist dem Programm anzusehen. Hier stehen Programmpunkte wie Neoklassische Hirschkühe und spätromantische Feuervögel neben dem Klang der Städte, aber natürlich auch Wagner und die Folgen.

Musik ohne Grenzen

Eine bunte Palette von Konzerten unterschiedlichster Art, ein umfangreiches, internationales Kinder- und Jugend-Programm, zahlreiche Bemühungen zur Nachwuchsförderung, das alles international ausgerichtet, sind die Schwerpunkte, die Sauerbaum sich auf die Fahnen geschrieben hat. Zahlreiche Stiftungen aus dem In- und Ausland machen dieses breite Engagement möglich. Und so darf man erfreut feststellen, dass auch im deutsch-polnischen Grenzgebiet Musik keine Grenzen kennt.

Horst Dichanz, 2.2.2015

 


Peter Sauerbaum, Intendant des
Brandenburgischen Staatsorchesters,
gebürtig aus Halle an der Saale, fühlt
sich im deutsch-polnischen
Grenzgebiet wohl.


Das Brandenburgische Staatsorchester
mit Sitz in Frankfurt an der Oder legt
viel Wert auf die Zusammenarbeit mit
den polnischen Kollegen.


Czesław Grabowski als Leiter der
Philharmonie Tadeusz Baird sorgt
ebenfalls dafür, dass regelmäßig die
Musikfesttage an der Oder
durchgeführt werden.


Die Philharmonie Tadeusz Baird hat
ihren Sitz in Zielona Góra, rund 130
Kilometer von Frankfurt an der Oder
entfernt.


Howard Griffiths ist Dirigent des
Brandenburgischen Staatsorchesters.
Ihm liegt besonders die Jugendarbeit
am Herzen.


Auch die Singakademie Frankfurt Oder
nimmt regelmäßig an Großereignissen
wie den Musikfesttagen an der Oder
teil.