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Tanz als Ware


 

Aufführungen

 

 

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Bestens aufgestellt

Die Internationale Tanzmesse NRW feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen und bestärkt unter neuer Leitung ihren Anspruch, lokaler Marktplatz für globale Vernetzung zu sein. Mehr Besucher, mehr Aussteller, mehr Programm lautet das Fazit einer Messe, die allmählich an ihre Grenzen zu stoßen scheint.

Auf dem Apollo- und Johannes-Rau-Platz am Düsseldorfer Rheinufer gibt es in diesen Tagen jede Menge Wasserflaschen, einen Sessel, der zu einem Brunnen umfunktioniert ist und ein paar Tänzerinnen und Tänzer zu sehen, die sich in den Installationen installieren und die Zeitlupe als Arbeitstempo bevorzugen. Dazu gibt es Geräusche, die an Wasserglucksen erinnern. Monotonie und Zeitlupe erzeugen Langeweile. Egal, ob man das „Modul-Dance“ nennt, Versuch einer Installation oder noch besser „Intervention in das alltägliche Leben“. In diesem Fall ist es die Uraufführung des neuen, hoch subventionierten Projekts Aquamarin.40213 von Angie Hiesl und Roland Kaiser.

Seit vielen Jahren ist es erklärtes politisches Ziel, das Land Nordrhein-Westfalen als Land des Tanzes zu etablieren. Da ist es nicht so tragisch, wenn mal richtig viel Geld für Unsinn ausgegeben wird. Allenfalls ärgerlich für andere Kompanien, denen auf diese Weise die eigene Förderung entgeht. Und viel ärgerlicher noch für die Besucher, deren Zeit in diesen Tagen ohnehin knapp bemessen ist. In vier Tagen werden im Rahmen der Internationalen Tanzmesse NRW mehr als 35 Vorstellungen an 11 Spielorten angeboten.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Tanzmesse, die ursprünglich gegründet wurde, um die Tanzszene Nordrhein-Westfalens „ins rechte Licht“ zu rücken, zu einem weltweit maßgeblichen Forum für den zeitgenössischen Tanz entwickelt. „Es waren, ich würde mal sagen, 15 Prozent mehr Besucher da. Es sind aber definitiv mehr Teilnehmer als vorher. Bestimmt 500 mehr. Die Aussteller waren nicht wahnsinnig viel mehr. Aber trotzdem ist die Messe 2014 größer als die Messe 2012. Das kann man ganz klar feststellen“, erklärt Felix Wittek am letzten Messetag, ohne schon die genauen Zahlen zu kennen. Zum ersten Mal ist er in diesem Jahr für die Leitung der Tanzmesse verantwortlich und löst damit Kajo Nelles ab, der sie seit 2002 aufbaute. Wittek sieht sich und sein Team auf einem guten Weg, seinem selbst erklärten Ziel näherzukommen: Er wolle die Erfolgsgeschichte der Tanzmesse weiterschreiben und das Projekt zukunftsfähig machen.

Die Erfolgsgeschichte geht weiter

130 Messestände, die laut Veranstalter mehr als 400 Tanzkompanien aus aller Welt vertreten, dazu ein stetig wachsendes Begleitprogramm, das in diesem Jahr erstmals auch Vorstellungen für Kinder ab zwei Jahren zeigt, machen es dem Leiter des Tanzbüros NRW mit Sitz in Köln leicht, optimistisch in die Zukunft zu blicken. „Wir freuen uns sehr, dass das Konzept – hauptsächlich ist die Tanzmesse dazu da, Begegnungen zu schaffen und auch unerwartete Begegnungen zu schaffen und zu ermöglichen – aufgeht“, wagt Wittek ein erstes Resümee.

In der Tat wirken die Messestände eher karg, schlicht und klein, aber sie sind auch kaum mehr als Rüststätten für Werbematerial. Drei weiße Stellwände, mit Plakaten beklebt, ein Monitor, auf dem Produktionsfilmchen immer wieder abgespult werden, ein Tisch mit Broschüren, ein Stuhl, vielleicht mal ein Sofa und Stauraum. Aber das interessiert kaum. In den Gängen geht es zu wie im Bienenstock. Auf den beiden Etagen im Forum NRW ist ein unendliches Summen in verschiedensten Sprachen zu hören. Die Tanzmesse ist weniger Handelsplatz als vielmehr Kommunikationsraum. Nicht der sofortige Abschluss steht im Vordergrund, sondern neue Kontakte und die Vernetzung. Aber auch die Hoffnung, mehr Wissen einzuheimsen. „Könnte man Situationen schaffen, in denen man noch konzentrierter über die Tourmöglichkeiten, die Produktionsbedingungen und alles, was dieser praktische Hintergrund ist, die man nicht so wirklich weiß, erfährt? Wie ist das jetzt in Korea, wie ist das in Japan? Oder in Mexiko als Westeuropäer?“ fasst Wittek die Wünsche der Fachbesucher nach mehr pragmatischer Wissensvermittlung für künftige Messen zusammen, die in den vergangenen Tagen an ihn herangetragen wurden.

Kommunikation als oberstes Prinzip

Nach höchst intensiven Messetagen heißt es an den Abenden, sich einen Überblick über die Arbeit anderer Kompanien zu verschaffen. Die Organisatoren der Tanzmesse haben sich dabei für ein dezentrales Konzept entschieden. Die Idee überzeugt auf den ersten Blick. Statt des Elfenbeinturms wird die Tanzmesse so auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf elf verschiedenen Bühnen im Stadtgebiet Düsseldorfs, aber auch in Krefeld und dieses Jahr zum ersten Mal in Leverkusen sind die Aufführungen zu erleben. Das schafft logistische Herausforderungen, die in diesem Jahr erst suboptimal gelöst waren. So musste das Publikum schon mal Wartezeiten in Kauf nehmen, bis die Fachbesucher mit dem Bus-Shuttle eintrafen. „Das wirft überhaupt die große Frage nach dem Wachstum der Tanzmesse auf. Die Frage ist: Wo geht das hin? Oder muss man sich konzentrieren und sagen: Nein, wir möchten uns jetzt auf eine bestimmte Anzahl von Messeständen oder von Vorstellungen fokussieren“, ist sich Wittek des Problems bewusst, sieht aber die dezentrale Lösung schon favorisiert. „Es ist doch so: Wenn ich im Bus irgendwo hinfahre und mich neben jemanden setze, habe ich von der Qualität her einen ganz anderen Kontakt, als wenn ich nur im Vorbeigehen mal eben Hallo sage.“

Die Szene der Tanzschaffenden ist klein, aber agil. Kaum eine andere Branche ist so gut vernetzt. Das schafft Stärke im Verbund. Für Nordrhein-Westfalen stehen die Zeichen allemal gut. Eine neuere Untersuchung des Tanzbüros NRW zeigt, dass der Tanz im Aufwind ist. Wachstumsraten von bis zu 30 Prozent sind keine Seltenheit. Das schafft ein positives Klima. Und das macht sich auch auf der Messe bemerkbar. „Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir die Qualität halten konnten, wie sie war. Die Qualität messen wir an der Stimmung, die in den Messehallen herrscht, die auf dem ganzen Event herrscht, und die ist sehr gut. Sehr, sehr viele Kollegen sind zu mir gekommen und haben gesagt: Bitte so weitermachen“, sagt Wittek.

Michael S. Zerban, 30.8.2014

 


Felix Wittek leitet zum ersten Mal die
Internationale Tanzmesse NRW. Mit
einem sehr guten Team an seiner
Seite ist er gut aufgestellt.


Bei der Tanzmesse steht weniger die
opulente Präsentation, sondern die
Kommunikation im Vordergrund.


Die Tanzmesse NRW bietet das ganze
Spektrum - von den "Superstars" bis
zum Nachwuchs. Auch für das Publikum
gibt es keine Altersgrenzen mehr.


Vier Tage lang gibt es Gelegenheit,
miteinander zu reden. Und wenn es
das Wetter zulässt, auch gern mal
vor der Tür des Forum NRW.


Vielleicht einfach nur verkopft - für
den Zuschauer jedenfalls
Zeitvergeudung. Angie Hiesl und
Roland Kaiser können mit ihrer
Uraufführung nicht überzeugen.